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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Lenz über zahme Dachse.

"Jch hatte schon im voraus auf eine List gesonnen. Der Dachs ist nämlich auf einen frischen
Trunk sehr begierig, und wenn er z. B. durch eine Falle Tage lang verhindert wird, seinen Bau zu
verlassen, geschieht es oftmals, daß er dann, nachdem er endlich doch glücklich herausgekommen ist,
sogleich zum Wasser eilt und dort soviel säuft, daß er todt auf dem Flecke bleibt. Jch hatte ihn
deshalb zwei Tage lang dursten lassen, nahm jetzt aber eine große, matte Otter, tauchte sie in frisches
Wasser und legte sie ihm vor. Sowie er das Wasser roch, erhob er sich und beleckte die Otter. Sie
suchte zu entwischen; er aber trat mit dem linken Fuße fest darauf, zerriß ihren Hinterleib und fraß
vor meinen Augen ein tüchtiges Stück davon mit sichbarem Wohlbehagen. Die Otter, welche, wie ge-
sagt, matt war, öffnete ihren Rachen weit und drohend, biß aber nicht zu. Jetzt setzte ich ihm einen
Napf vor und goß Wasser hinein. Alsbald verließ er die Otter und soff mit großer Begierde Alles,
was da war, über zwei Nößel. Beim Saufen läßt er nicht, wie Hund und Fuchs, die Zunge vor-
treten, sondern steckt den Mund in das Wasser und bewegt die Unterkinnlade, als ob er kaute."

Eine sehr anziehende Beobachtung über gezähmte Dachse hat Herr von Pietruvski in Galizien
veröffentlicht.

"Jm Mai des Jahres 1833," erzählt er, "bekam ich zwei junge Dachse, ein Weibchen und ein
Männchen, welche höchstens vier Wochen alt waren. Während der ersten Tage ihrer Gefangenschaft
waren diese Thierchen ziemlich scheu und aus Furcht Tag und Nacht in einen Ballen zusammengerollt.
Binnen fünf Tagen verging ihnen jedoch diese Furchtsamkeit gänzlich, und sie kamen dahin, daß sie
das ihnen vorgehaltene Futter aus der Hand nahmen. Sie fraßen Alles, Brod, Früchte, Milch, am
liebsten jedoch rohes Fleisch. Anfangs hielt ich sie in meinem Vorzimmer, und sie waren so treu und
zutraulich, daß sie auf den ihnen gegebenen Namen hörten. Jch hatte sie deshalb drei volle Wochen
auf meinem Zimmer, bis sie mir endlich durch die Unruhe bei Nacht und durch die immerwährende
Lust zum Graben lästig wurden. Dieses bewog mich, für sie einen großen Käfig von Eisenstäben machen
zu lassen, nach Art der Thierbehälter in Schaubuden. Der Käfig war außen an der Wand angebracht,
und in ihm erhielt ich meine Dachse einen ganzen Sommer hindurch. Das Reinhalten des Käfigs
wurde immer pünktlich beobachtet. Erst mit Annäherung des Herbstes fühlte ich die Unmöglichkeit, die
Thiere länger hier beherbergen zu können; denn das Fell der Dachse wurde schon anfangs Oktober sehr
schmuzig. Jch beschloß daher, sie ganz naturgemäß zu halten, und dieser Versuch glückte mir ausgezeichnet."

"Ueber einen übermanerten Graben, welcher zwanzig Ellen im Durchmesser hatte, ließ ich noch
einen ordentlichen Zaun ziehen, durch welchen man mittelst einer Treppe in den Graben gehen konnte.
Jn der Tiefe des Letztern ließ ich ein sechs Fuß langes, sechs Fuß breites und ein Fuß hohes Häuschen
mit einer Eingangsthüre bauen. Da hinein wurden meine Dachse gelassen, und sie gewöhnten sich sehr
bald an den ihnen anfangs fremden Ort. Nach etwa zehntägigem Aufenthalte begannen sie schon sich
eine naturgemäße Höhle zu bauen. Bewunderungswürdig war dabei ihre unermüdliche Thätigkeit.
Sie gruben immer mit ihren Vorderpfoten; der Hinterfüße bedienten sie sich, um die losgegrabene
Erde aus dem Loche herauszuwerfen. Bei diesem Geschäft war das Weibchen viel thätiger, als das
weit schönere und größere Männchen. Binnen zwei Wochen war schon die Höhle fünf Fuß ausgetieft.
Sie verlief aber immer noch innerhalb |des für die Thiere gemachten Häuschens. Jetzt wandten die
Dachse alle mögliche Thätigkeit an, um sich ihren Bau so weit zu erweitern, daß sie bequem in ihm
schlafen konnten. Es mangelte ihnen noch an einem guten Lager, und als ich bemerkte, daß sie die in
ihrem Bereiche befindlichen Grasflecken ihrer Höhle zutrugen, ließ ich ihnen frisches Heu holen. Sie
wußten dieses sehr gut zu benutzen, und es gewährte einen sehr anziehenden Anblick, wenn man ihnen
zusah, wie sie die ihnen vorgeworfenen Heubündel nach Art der Affen zwischen ihre Vorderpfoten
nahmen und so ihrer Wohnung zuschleppten. Das Graben währte noch immer fort, und ich hatte das
Vergnügen zu bemerken, daß sich meine Thiere neben der ersten Höhle, welche zur Schlafkammer be-
stimmt wurde, eine andere gruben, welche sie als Vorrathskammer zu benutzen gedachten. Bald darauf
machten sie noch drei kleinere Höhlen, in welchen sie sich dann regelmäßig ihres Kothes entledigten.
Es war aber immer noch blos ein Ausgang und zwar innerhalb des für sie gemachten Häuschens vor-

Lenz über zahme Dachſe.

„Jch hatte ſchon im voraus auf eine Liſt geſonnen. Der Dachs iſt nämlich auf einen friſchen
Trunk ſehr begierig, und wenn er z. B. durch eine Falle Tage lang verhindert wird, ſeinen Bau zu
verlaſſen, geſchieht es oftmals, daß er dann, nachdem er endlich doch glücklich herausgekommen iſt,
ſogleich zum Waſſer eilt und dort ſoviel ſäuft, daß er todt auf dem Flecke bleibt. Jch hatte ihn
deshalb zwei Tage lang durſten laſſen, nahm jetzt aber eine große, matte Otter, tauchte ſie in friſches
Waſſer und legte ſie ihm vor. Sowie er das Waſſer roch, erhob er ſich und beleckte die Otter. Sie
ſuchte zu entwiſchen; er aber trat mit dem linken Fuße feſt darauf, zerriß ihren Hinterleib und fraß
vor meinen Augen ein tüchtiges Stück davon mit ſichbarem Wohlbehagen. Die Otter, welche, wie ge-
ſagt, matt war, öffnete ihren Rachen weit und drohend, biß aber nicht zu. Jetzt ſetzte ich ihm einen
Napf vor und goß Waſſer hinein. Alsbald verließ er die Otter und ſoff mit großer Begierde Alles,
was da war, über zwei Nößel. Beim Saufen läßt er nicht, wie Hund und Fuchs, die Zunge vor-
treten, ſondern ſteckt den Mund in das Waſſer und bewegt die Unterkinnlade, als ob er kaute.‟

Eine ſehr anziehende Beobachtung über gezähmte Dachſe hat Herr von Pietruvski in Galizien
veröffentlicht.

„Jm Mai des Jahres 1833,‟ erzählt er, „bekam ich zwei junge Dachſe, ein Weibchen und ein
Männchen, welche höchſtens vier Wochen alt waren. Während der erſten Tage ihrer Gefangenſchaft
waren dieſe Thierchen ziemlich ſcheu und aus Furcht Tag und Nacht in einen Ballen zuſammengerollt.
Binnen fünf Tagen verging ihnen jedoch dieſe Furchtſamkeit gänzlich, und ſie kamen dahin, daß ſie
das ihnen vorgehaltene Futter aus der Hand nahmen. Sie fraßen Alles, Brod, Früchte, Milch, am
liebſten jedoch rohes Fleiſch. Anfangs hielt ich ſie in meinem Vorzimmer, und ſie waren ſo treu und
zutraulich, daß ſie auf den ihnen gegebenen Namen hörten. Jch hatte ſie deshalb drei volle Wochen
auf meinem Zimmer, bis ſie mir endlich durch die Unruhe bei Nacht und durch die immerwährende
Luſt zum Graben läſtig wurden. Dieſes bewog mich, für ſie einen großen Käfig von Eiſenſtäben machen
zu laſſen, nach Art der Thierbehälter in Schaubuden. Der Käfig war außen an der Wand angebracht,
und in ihm erhielt ich meine Dachſe einen ganzen Sommer hindurch. Das Reinhalten des Käfigs
wurde immer pünktlich beobachtet. Erſt mit Annäherung des Herbſtes fühlte ich die Unmöglichkeit, die
Thiere länger hier beherbergen zu können; denn das Fell der Dachſe wurde ſchon anfangs Oktober ſehr
ſchmuzig. Jch beſchloß daher, ſie ganz naturgemäß zu halten, und dieſer Verſuch glückte mir ausgezeichnet.‟

„Ueber einen übermanerten Graben, welcher zwanzig Ellen im Durchmeſſer hatte, ließ ich noch
einen ordentlichen Zaun ziehen, durch welchen man mittelſt einer Treppe in den Graben gehen konnte.
Jn der Tiefe des Letztern ließ ich ein ſechs Fuß langes, ſechs Fuß breites und ein Fuß hohes Häuschen
mit einer Eingangsthüre bauen. Da hinein wurden meine Dachſe gelaſſen, und ſie gewöhnten ſich ſehr
bald an den ihnen anfangs fremden Ort. Nach etwa zehntägigem Aufenthalte begannen ſie ſchon ſich
eine naturgemäße Höhle zu bauen. Bewunderungswürdig war dabei ihre unermüdliche Thätigkeit.
Sie gruben immer mit ihren Vorderpfoten; der Hinterfüße bedienten ſie ſich, um die losgegrabene
Erde aus dem Loche herauszuwerfen. Bei dieſem Geſchäft war das Weibchen viel thätiger, als das
weit ſchönere und größere Männchen. Binnen zwei Wochen war ſchon die Höhle fünf Fuß ausgetieft.
Sie verlief aber immer noch innerhalb |des für die Thiere gemachten Häuschens. Jetzt wandten die
Dachſe alle mögliche Thätigkeit an, um ſich ihren Bau ſo weit zu erweitern, daß ſie bequem in ihm
ſchlafen konnten. Es mangelte ihnen noch an einem guten Lager, und als ich bemerkte, daß ſie die in
ihrem Bereiche befindlichen Grasflecken ihrer Höhle zutrugen, ließ ich ihnen friſches Heu holen. Sie
wußten dieſes ſehr gut zu benutzen, und es gewährte einen ſehr anziehenden Anblick, wenn man ihnen
zuſah, wie ſie die ihnen vorgeworfenen Heubündel nach Art der Affen zwiſchen ihre Vorderpfoten
nahmen und ſo ihrer Wohnung zuſchleppten. Das Graben währte noch immer fort, und ich hatte das
Vergnügen zu bemerken, daß ſich meine Thiere neben der erſten Höhle, welche zur Schlafkammer be-
ſtimmt wurde, eine andere gruben, welche ſie als Vorrathskammer zu benutzen gedachten. Bald darauf
machten ſie noch drei kleinere Höhlen, in welchen ſie ſich dann regelmäßig ihres Kothes entledigten.
Es war aber immer noch blos ein Ausgang und zwar innerhalb des für ſie gemachten Häuschens vor-

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[501/0575] Lenz über zahme Dachſe. „Jch hatte ſchon im voraus auf eine Liſt geſonnen. Der Dachs iſt nämlich auf einen friſchen Trunk ſehr begierig, und wenn er z. B. durch eine Falle Tage lang verhindert wird, ſeinen Bau zu verlaſſen, geſchieht es oftmals, daß er dann, nachdem er endlich doch glücklich herausgekommen iſt, ſogleich zum Waſſer eilt und dort ſoviel ſäuft, daß er todt auf dem Flecke bleibt. Jch hatte ihn deshalb zwei Tage lang durſten laſſen, nahm jetzt aber eine große, matte Otter, tauchte ſie in friſches Waſſer und legte ſie ihm vor. Sowie er das Waſſer roch, erhob er ſich und beleckte die Otter. Sie ſuchte zu entwiſchen; er aber trat mit dem linken Fuße feſt darauf, zerriß ihren Hinterleib und fraß vor meinen Augen ein tüchtiges Stück davon mit ſichbarem Wohlbehagen. Die Otter, welche, wie ge- ſagt, matt war, öffnete ihren Rachen weit und drohend, biß aber nicht zu. Jetzt ſetzte ich ihm einen Napf vor und goß Waſſer hinein. Alsbald verließ er die Otter und ſoff mit großer Begierde Alles, was da war, über zwei Nößel. Beim Saufen läßt er nicht, wie Hund und Fuchs, die Zunge vor- treten, ſondern ſteckt den Mund in das Waſſer und bewegt die Unterkinnlade, als ob er kaute.‟ Eine ſehr anziehende Beobachtung über gezähmte Dachſe hat Herr von Pietruvski in Galizien veröffentlicht. „Jm Mai des Jahres 1833,‟ erzählt er, „bekam ich zwei junge Dachſe, ein Weibchen und ein Männchen, welche höchſtens vier Wochen alt waren. Während der erſten Tage ihrer Gefangenſchaft waren dieſe Thierchen ziemlich ſcheu und aus Furcht Tag und Nacht in einen Ballen zuſammengerollt. Binnen fünf Tagen verging ihnen jedoch dieſe Furchtſamkeit gänzlich, und ſie kamen dahin, daß ſie das ihnen vorgehaltene Futter aus der Hand nahmen. Sie fraßen Alles, Brod, Früchte, Milch, am liebſten jedoch rohes Fleiſch. Anfangs hielt ich ſie in meinem Vorzimmer, und ſie waren ſo treu und zutraulich, daß ſie auf den ihnen gegebenen Namen hörten. Jch hatte ſie deshalb drei volle Wochen auf meinem Zimmer, bis ſie mir endlich durch die Unruhe bei Nacht und durch die immerwährende Luſt zum Graben läſtig wurden. Dieſes bewog mich, für ſie einen großen Käfig von Eiſenſtäben machen zu laſſen, nach Art der Thierbehälter in Schaubuden. Der Käfig war außen an der Wand angebracht, und in ihm erhielt ich meine Dachſe einen ganzen Sommer hindurch. Das Reinhalten des Käfigs wurde immer pünktlich beobachtet. Erſt mit Annäherung des Herbſtes fühlte ich die Unmöglichkeit, die Thiere länger hier beherbergen zu können; denn das Fell der Dachſe wurde ſchon anfangs Oktober ſehr ſchmuzig. Jch beſchloß daher, ſie ganz naturgemäß zu halten, und dieſer Verſuch glückte mir ausgezeichnet.‟ „Ueber einen übermanerten Graben, welcher zwanzig Ellen im Durchmeſſer hatte, ließ ich noch einen ordentlichen Zaun ziehen, durch welchen man mittelſt einer Treppe in den Graben gehen konnte. Jn der Tiefe des Letztern ließ ich ein ſechs Fuß langes, ſechs Fuß breites und ein Fuß hohes Häuschen mit einer Eingangsthüre bauen. Da hinein wurden meine Dachſe gelaſſen, und ſie gewöhnten ſich ſehr bald an den ihnen anfangs fremden Ort. Nach etwa zehntägigem Aufenthalte begannen ſie ſchon ſich eine naturgemäße Höhle zu bauen. Bewunderungswürdig war dabei ihre unermüdliche Thätigkeit. Sie gruben immer mit ihren Vorderpfoten; der Hinterfüße bedienten ſie ſich, um die losgegrabene Erde aus dem Loche herauszuwerfen. Bei dieſem Geſchäft war das Weibchen viel thätiger, als das weit ſchönere und größere Männchen. Binnen zwei Wochen war ſchon die Höhle fünf Fuß ausgetieft. Sie verlief aber immer noch innerhalb |des für die Thiere gemachten Häuschens. Jetzt wandten die Dachſe alle mögliche Thätigkeit an, um ſich ihren Bau ſo weit zu erweitern, daß ſie bequem in ihm ſchlafen konnten. Es mangelte ihnen noch an einem guten Lager, und als ich bemerkte, daß ſie die in ihrem Bereiche befindlichen Grasflecken ihrer Höhle zutrugen, ließ ich ihnen friſches Heu holen. Sie wußten dieſes ſehr gut zu benutzen, und es gewährte einen ſehr anziehenden Anblick, wenn man ihnen zuſah, wie ſie die ihnen vorgeworfenen Heubündel nach Art der Affen zwiſchen ihre Vorderpfoten nahmen und ſo ihrer Wohnung zuſchleppten. Das Graben währte noch immer fort, und ich hatte das Vergnügen zu bemerken, daß ſich meine Thiere neben der erſten Höhle, welche zur Schlafkammer be- ſtimmt wurde, eine andere gruben, welche ſie als Vorrathskammer zu benutzen gedachten. Bald darauf machten ſie noch drei kleinere Höhlen, in welchen ſie ſich dann regelmäßig ihres Kothes entledigten. Es war aber immer noch blos ein Ausgang und zwar innerhalb des für ſie gemachten Häuschens vor-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/575>, abgerufen am 27.11.2024.