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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Marder. -- Dachs.
ein Hummel- oder Wespennest aus und frißt mit großem Behagen die larvenreichen und honig-
süßen Waben, ohne sich viel um die Stiche der erbosten Kerbthiere zu kümmern. Sein rauher Pelz,
die dicke Schwarte und die regelmäßig sich darunter befindende Fettschicht schützen ihn auch vollständig
vor den Stichen der Jmmen; macht er sich doch, wie Lenz aus seinen Beobachtungen erfuhr, nicht
einmal aus dem Biß der Kreuzotter etwas, falls er Lust verspürt, diesen giftzahnigen Wurm zu
verspeisen. Kerbthiere aller Art, Schnecken und Regenwürmer bilden während des Sommers wohl
den Haupttheil seiner Mahlzeiten. Jm Herbst verspeist er abgefallenes Obst aller Art, Möhren und
Rüben, Vogeleier und junge Vögel, die auf der Erde liegen; kleinere Säugethiere, junge Hasen,
Fledermäuse, Maulwürfe
etc., werden auch nicht verschmäht, ja selbst Eidechsen, Frösche und,
wie oben bemerkt, Schlangen munden ihm vortrefflich. Honig und Tranben scheinen aber doch seine
Hauptnahrung zu bleiben, und in den Weinbergen richtet er nach Umständen große Verwüstungen an.
Er drückt die traubenschweren Reben ohne Umstände mit der Pfote zusammen und mästet sich förmlich
mit ihrer süßen Frucht. Nur höchst selten stiehlt er auch junge Enten und Gänse von Bauerhöfen,
welche ganz nahe am Walde liegen; denn er ist außerordentlich mißtrauisch und furchtsam, wagt sich
deshalb auch blos dann heraus, wenn er überzeugt sein kann, daß Alles vollkommen sicher ist. Jm
Nothfalle geht er auch auf Aas aus. Er frißt im Ganzen wenig und trägt auch nicht viel für
den Winter in seinen Bau ein; es müßte denn ein Möhrenacker in der Nähe desselben liegen und
seiner Bequemlichkeit zu Hilfe kommen. Wird er wirklich im Freien überrascht, so begeht er oft die
größte Dummheit, welche ein Thier in seiner Lage ausüben kann. Ein junger, im Gebirge über-
raschter Dachs z. B. dachte nicht einmal aus Fliehen, sondern legte sich erschrocken platt auf den
Boden, als wäre er dann geborgen, fuhr aber mit wüthenden Bissen in den Stock, mit welchem man
ihn aufscheuchen wollte. Ein Hund wird unter solchen Umständen oft sehr gefährlich verwundet: denn
das Gebiß des Dachses ist furchtbar und schließt ganz vortrefflich in einander; übrigens benutzt er
auch, auf dem Boden liegend, seine Vorderpfoten zu kräftiger Vertheidigung.

Zu Ende des Spätherbstes hat er sich, wie es bei vielen Menschen, welche wenig Bewegung und
hinreichende Nahrung haben, ebenfalls zu geschehen pflegt, wohl gemästet. Jetzt denkt er daran, den
Winter so behaglich, als nur irgend möglich, zu verbringen und bereitet das Wichtigste für seinen Winter-
schlaf vor. Er trägt Laub in seine Höhle und bereitet sich ein dichtes, warmes Lager. Bis zum Eintritt
der eigentlichen Kälte zehrt er von dem Eingetragenen. Nun rollt er sich zusammen, legt sich auf den
Bauch und steckt den Kopf zwischen die Vorderbeine (nicht, wie gewöhnlich behauptet wird, zwischen
die Hinterbeine,
die Schnauzenspitze in seiner Drüsentasche verbergend) und verfällt in einen Winter-
schlaf. Derselbe ist aber, wie jener der Bären, sehr häufig unterbrochen. Bei nicht anhaltender Kälte
oder beim Eintritt gelinderer Witterung wird er immer wach, geht sogar zuweilen nachts aus seinem
Baue heraus, um zu trinken, besonders bei Thauwetter- und nicht sehr kalten Nächten. Bei verhält-
nißmäßig warmer Witterung verläßt er schon im Januar oder spätestens im Februar zeitweise den
Bau, um Wurzeln auszugraben und, wenn ihm das Glück wohl will, auch vielleicht ein dummes
Mäuschen zu überraschen und abzufangen. Dennoch bekommt ihm das Fasten sehr schlecht, und
wenn er im Frühling wieder an das Tageslicht kommt, ist er, der sich ein volles Bäuchlein ange-
mästet und dreißig bis vierzig Pfund erreicht hatte, fast klapperdürr geworden.

Die Rollzeit des Dachses findet in der Regel Ende Novembers oder Anfang Dezembers statt,
ausnahmsweise (zumal bei jungen Thieren) aber auch im Februar und März. Nach zehn bis zwölf
Wochen, also Ende Februars oder Anfangs März wirft die Mutter drei bis fünf blinde Junge auf
ein sorgfältig ausgepolstertes Lager von Mos, Blättern, Farrnkräntern und langem Grase, welche
Stoffe sie zwischen den Hinterbeinen bis zum Eingange ihres Baues getragen und dann mit gegen-
gestemmten Kopfe und den Vorderfüßen durch die Röhre in den Kessel geschoben hat. Daß sie dabei
einen eigenen Bau bewohnt, versteht sich eigentlich von selbst; denn der weibliche Dachs ist ebenso-
gut ein eingefleischter Einsiedler, wie der männliche.

Die kleinen Jungen werden von der Mutter treu geliebt. Sie säugt sie und trägt ihnen so-

Die Raubthiere. Marder. — Dachs.
ein Hummel- oder Wespenneſt aus und frißt mit großem Behagen die larvenreichen und honig-
ſüßen Waben, ohne ſich viel um die Stiche der erboſten Kerbthiere zu kümmern. Sein rauher Pelz,
die dicke Schwarte und die regelmäßig ſich darunter befindende Fettſchicht ſchützen ihn auch vollſtändig
vor den Stichen der Jmmen; macht er ſich doch, wie Lenz aus ſeinen Beobachtungen erfuhr, nicht
einmal aus dem Biß der Kreuzotter etwas, falls er Luſt verſpürt, dieſen giftzahnigen Wurm zu
verſpeiſen. Kerbthiere aller Art, Schnecken und Regenwürmer bilden während des Sommers wohl
den Haupttheil ſeiner Mahlzeiten. Jm Herbſt verſpeiſt er abgefallenes Obſt aller Art, Möhren und
Rüben, Vogeleier und junge Vögel, die auf der Erde liegen; kleinere Säugethiere, junge Haſen,
Fledermäuſe, Maulwürfe
ꝛc., werden auch nicht verſchmäht, ja ſelbſt Eidechſen, Fröſche und,
wie oben bemerkt, Schlangen munden ihm vortrefflich. Honig und Tranben ſcheinen aber doch ſeine
Hauptnahrung zu bleiben, und in den Weinbergen richtet er nach Umſtänden große Verwüſtungen an.
Er drückt die traubenſchweren Reben ohne Umſtände mit der Pfote zuſammen und mäſtet ſich förmlich
mit ihrer ſüßen Frucht. Nur höchſt ſelten ſtiehlt er auch junge Enten und Gänſe von Bauerhöfen,
welche ganz nahe am Walde liegen; denn er iſt außerordentlich mißtrauiſch und furchtſam, wagt ſich
deshalb auch blos dann heraus, wenn er überzeugt ſein kann, daß Alles vollkommen ſicher iſt. Jm
Nothfalle geht er auch auf Aas aus. Er frißt im Ganzen wenig und trägt auch nicht viel für
den Winter in ſeinen Bau ein; es müßte denn ein Möhrenacker in der Nähe deſſelben liegen und
ſeiner Bequemlichkeit zu Hilfe kommen. Wird er wirklich im Freien überraſcht, ſo begeht er oft die
größte Dummheit, welche ein Thier in ſeiner Lage ausüben kann. Ein junger, im Gebirge über-
raſchter Dachs z. B. dachte nicht einmal aus Fliehen, ſondern legte ſich erſchrocken platt auf den
Boden, als wäre er dann geborgen, fuhr aber mit wüthenden Biſſen in den Stock, mit welchem man
ihn aufſcheuchen wollte. Ein Hund wird unter ſolchen Umſtänden oft ſehr gefährlich verwundet: denn
das Gebiß des Dachſes iſt furchtbar und ſchließt ganz vortrefflich in einander; übrigens benutzt er
auch, auf dem Boden liegend, ſeine Vorderpfoten zu kräftiger Vertheidigung.

Zu Ende des Spätherbſtes hat er ſich, wie es bei vielen Menſchen, welche wenig Bewegung und
hinreichende Nahrung haben, ebenfalls zu geſchehen pflegt, wohl gemäſtet. Jetzt denkt er daran, den
Winter ſo behaglich, als nur irgend möglich, zu verbringen und bereitet das Wichtigſte für ſeinen Winter-
ſchlaf vor. Er trägt Laub in ſeine Höhle und bereitet ſich ein dichtes, warmes Lager. Bis zum Eintritt
der eigentlichen Kälte zehrt er von dem Eingetragenen. Nun rollt er ſich zuſammen, legt ſich auf den
Bauch und ſteckt den Kopf zwiſchen die Vorderbeine (nicht, wie gewöhnlich behauptet wird, zwiſchen
die Hinterbeine,
die Schnauzenſpitze in ſeiner Drüſentaſche verbergend) und verfällt in einen Winter-
ſchlaf. Derſelbe iſt aber, wie jener der Bären, ſehr häufig unterbrochen. Bei nicht anhaltender Kälte
oder beim Eintritt gelinderer Witterung wird er immer wach, geht ſogar zuweilen nachts aus ſeinem
Baue heraus, um zu trinken, beſonders bei Thauwetter- und nicht ſehr kalten Nächten. Bei verhält-
nißmäßig warmer Witterung verläßt er ſchon im Januar oder ſpäteſtens im Februar zeitweiſe den
Bau, um Wurzeln auszugraben und, wenn ihm das Glück wohl will, auch vielleicht ein dummes
Mäuschen zu überraſchen und abzufangen. Dennoch bekommt ihm das Faſten ſehr ſchlecht, und
wenn er im Frühling wieder an das Tageslicht kommt, iſt er, der ſich ein volles Bäuchlein ange-
mäſtet und dreißig bis vierzig Pfund erreicht hatte, faſt klapperdürr geworden.

Die Rollzeit des Dachſes findet in der Regel Ende Novembers oder Anfang Dezembers ſtatt,
ausnahmsweiſe (zumal bei jungen Thieren) aber auch im Februar und März. Nach zehn bis zwölf
Wochen, alſo Ende Februars oder Anfangs März wirft die Mutter drei bis fünf blinde Junge auf
ein ſorgfältig ausgepolſtertes Lager von Mos, Blättern, Farrnkräntern und langem Graſe, welche
Stoffe ſie zwiſchen den Hinterbeinen bis zum Eingange ihres Baues getragen und dann mit gegen-
geſtemmten Kopfe und den Vorderfüßen durch die Röhre in den Keſſel geſchoben hat. Daß ſie dabei
einen eigenen Bau bewohnt, verſteht ſich eigentlich von ſelbſt; denn der weibliche Dachs iſt ebenſo-
gut ein eingefleiſchter Einſiedler, wie der männliche.

Die kleinen Jungen werden von der Mutter treu geliebt. Sie ſäugt ſie und trägt ihnen ſo-

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[498/0572] Die Raubthiere. Marder. — Dachs. ein Hummel- oder Wespenneſt aus und frißt mit großem Behagen die larvenreichen und honig- ſüßen Waben, ohne ſich viel um die Stiche der erboſten Kerbthiere zu kümmern. Sein rauher Pelz, die dicke Schwarte und die regelmäßig ſich darunter befindende Fettſchicht ſchützen ihn auch vollſtändig vor den Stichen der Jmmen; macht er ſich doch, wie Lenz aus ſeinen Beobachtungen erfuhr, nicht einmal aus dem Biß der Kreuzotter etwas, falls er Luſt verſpürt, dieſen giftzahnigen Wurm zu verſpeiſen. Kerbthiere aller Art, Schnecken und Regenwürmer bilden während des Sommers wohl den Haupttheil ſeiner Mahlzeiten. Jm Herbſt verſpeiſt er abgefallenes Obſt aller Art, Möhren und Rüben, Vogeleier und junge Vögel, die auf der Erde liegen; kleinere Säugethiere, junge Haſen, Fledermäuſe, Maulwürfe ꝛc., werden auch nicht verſchmäht, ja ſelbſt Eidechſen, Fröſche und, wie oben bemerkt, Schlangen munden ihm vortrefflich. Honig und Tranben ſcheinen aber doch ſeine Hauptnahrung zu bleiben, und in den Weinbergen richtet er nach Umſtänden große Verwüſtungen an. Er drückt die traubenſchweren Reben ohne Umſtände mit der Pfote zuſammen und mäſtet ſich förmlich mit ihrer ſüßen Frucht. Nur höchſt ſelten ſtiehlt er auch junge Enten und Gänſe von Bauerhöfen, welche ganz nahe am Walde liegen; denn er iſt außerordentlich mißtrauiſch und furchtſam, wagt ſich deshalb auch blos dann heraus, wenn er überzeugt ſein kann, daß Alles vollkommen ſicher iſt. Jm Nothfalle geht er auch auf Aas aus. Er frißt im Ganzen wenig und trägt auch nicht viel für den Winter in ſeinen Bau ein; es müßte denn ein Möhrenacker in der Nähe deſſelben liegen und ſeiner Bequemlichkeit zu Hilfe kommen. Wird er wirklich im Freien überraſcht, ſo begeht er oft die größte Dummheit, welche ein Thier in ſeiner Lage ausüben kann. Ein junger, im Gebirge über- raſchter Dachs z. B. dachte nicht einmal aus Fliehen, ſondern legte ſich erſchrocken platt auf den Boden, als wäre er dann geborgen, fuhr aber mit wüthenden Biſſen in den Stock, mit welchem man ihn aufſcheuchen wollte. Ein Hund wird unter ſolchen Umſtänden oft ſehr gefährlich verwundet: denn das Gebiß des Dachſes iſt furchtbar und ſchließt ganz vortrefflich in einander; übrigens benutzt er auch, auf dem Boden liegend, ſeine Vorderpfoten zu kräftiger Vertheidigung. Zu Ende des Spätherbſtes hat er ſich, wie es bei vielen Menſchen, welche wenig Bewegung und hinreichende Nahrung haben, ebenfalls zu geſchehen pflegt, wohl gemäſtet. Jetzt denkt er daran, den Winter ſo behaglich, als nur irgend möglich, zu verbringen und bereitet das Wichtigſte für ſeinen Winter- ſchlaf vor. Er trägt Laub in ſeine Höhle und bereitet ſich ein dichtes, warmes Lager. Bis zum Eintritt der eigentlichen Kälte zehrt er von dem Eingetragenen. Nun rollt er ſich zuſammen, legt ſich auf den Bauch und ſteckt den Kopf zwiſchen die Vorderbeine (nicht, wie gewöhnlich behauptet wird, zwiſchen die Hinterbeine, die Schnauzenſpitze in ſeiner Drüſentaſche verbergend) und verfällt in einen Winter- ſchlaf. Derſelbe iſt aber, wie jener der Bären, ſehr häufig unterbrochen. Bei nicht anhaltender Kälte oder beim Eintritt gelinderer Witterung wird er immer wach, geht ſogar zuweilen nachts aus ſeinem Baue heraus, um zu trinken, beſonders bei Thauwetter- und nicht ſehr kalten Nächten. Bei verhält- nißmäßig warmer Witterung verläßt er ſchon im Januar oder ſpäteſtens im Februar zeitweiſe den Bau, um Wurzeln auszugraben und, wenn ihm das Glück wohl will, auch vielleicht ein dummes Mäuschen zu überraſchen und abzufangen. Dennoch bekommt ihm das Faſten ſehr ſchlecht, und wenn er im Frühling wieder an das Tageslicht kommt, iſt er, der ſich ein volles Bäuchlein ange- mäſtet und dreißig bis vierzig Pfund erreicht hatte, faſt klapperdürr geworden. Die Rollzeit des Dachſes findet in der Regel Ende Novembers oder Anfang Dezembers ſtatt, ausnahmsweiſe (zumal bei jungen Thieren) aber auch im Februar und März. Nach zehn bis zwölf Wochen, alſo Ende Februars oder Anfangs März wirft die Mutter drei bis fünf blinde Junge auf ein ſorgfältig ausgepolſtertes Lager von Mos, Blättern, Farrnkräntern und langem Graſe, welche Stoffe ſie zwiſchen den Hinterbeinen bis zum Eingange ihres Baues getragen und dann mit gegen- geſtemmten Kopfe und den Vorderfüßen durch die Röhre in den Keſſel geſchoben hat. Daß ſie dabei einen eigenen Bau bewohnt, verſteht ſich eigentlich von ſelbſt; denn der weibliche Dachs iſt ebenſo- gut ein eingefleiſchter Einſiedler, wie der männliche. Die kleinen Jungen werden von der Mutter treu geliebt. Sie ſäugt ſie und trägt ihnen ſo-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/572>, abgerufen am 27.11.2024.