Heimat. Wohnung. Ausführliche Schilderung von Tschudi.
der Neuzeit widerlegt worden. Meines Wissens ist Tschudi der erste, welcher eine ebenso ausführ- liche, als anziehende Schilderung jener kurzen Tagesausflüge des Dachses giebt, und deshalb will ich eine bezügliche Stelle aus dem vortrefflichen Werke dieses Gewährsmannes folgen lassen:
"Der Dachs ist sehr menschenscheu und hält sich den Tag über im Baue auf, um nicht be- unruhigt zu werden. Von einem Jäger, dem das seltene Glück zu Theil ward, einen Dachs im Freien ganz ungestört längere Zeit beobachten zu können, erhalten wir anziehende Mittheilungen. Er besuchte wiederholt einen Dachsbau, der, am Rande einer Schlucht angelegt, von der entgegen- gesetzten Seite dem freien Ueberblick offen lag. Der Bau war stark befahren, der neu aufgeworfene Boden jedoch vor der Hauptröhre so eben und glatt, wie eine Teune, und so festgetreten, daß nicht zu erkennen war, ob er Junge enthalte."
"Als der Wind günstiger war, schlich sich der Jäger von der entgegengesetzten Seite in die Nähe des Baues und erblickte bald einen alten Dachs, der griesgrämig, in eigener Langweiligkeit verloren, dasaß, doch sonst, wie es schien, sich recht behaglich fühlte in den warmen Strahlen. Dies war nicht ein Zufall; der Jäger sah das Thier, so oft er an hellen Tagen den Bau beobachtete, in der Sonne liegen. Jn Wohlseligkeit und Nichtsthun brachte es die Zeit hin. Bald saß es da, guckte ernsthaft ringsum, betrachtete dann einzelne Gegenstände genau und wiegte sich endlich nach Art der Bären auf den vorderen Pranken gemächlich hin und her. So große Behaglichkeit unterbrachen jedoch plötzlich blutdürstige Schmarotzer, die es mit außergewöhnlicher Hast mit Nagel und Zahn sofort zur Rechen- schaft zog. Endlich zufrieden mit dem Erfolge des Strafgerichts gab der Dachs mit erhöhtem Be- hagen in der bequemsten Lage sich der Sonne preis, indem er ihr bald den breiten Rücken, bald den wohlgenährten Wanst zuwandte. Lange dauerte aber dieser Zeitvertreib auch nicht; mit der Lang- weile mochte ihm Etwas in die Nase kommen. Er hebt diese hoch, wendet sich nach allen Seiten, ohne Etwas ausfindig zu machen. Doch scheint ihm Vorsicht rathsam, und er fährt zu Baue. Ein ander Mal sonnte er sich wieder auf der Terrasse, trabte dann zur Abwechselung wieder einmal thal- abwärts, um in ziemlicher Entfernung Raum zu schaffen für die Aesung der nächsten Nacht; ja, er kehrte sogar, gemäß seiner berühmten Vorsicht und Reinlichkeit, nochmals um und überwischte zu wiederholten Malen seine Losung, damit sie ja nicht zum Verräther werde. Auf dem Rückwege nahm er sich dann Zeit, stach hier und da einmal, ohne jedoch beim Weiden sich aufzuhalten, trieb dann noch ein Weilchen den alten Zeitvertreib, und als allmälig der Bäume Schlagschatten die Scene überliefen, da fuhr er nach sehr schweren Mühen wieder zu Baue, wahrscheinlich, um auf die noch schwereren der Nacht zum voraus noch ein Bischen zu schlummern."
Blos zur Zeit der Paarung lebt der Dachs mit seinem Weibchen gesellig, doch immer nur in beschränkter Weise. Den ganzen übrigen Theil des Jahres bewohnt er für sich allein einen Bau und hält weder mit seinem Weibchen, noch mit anderen Thieren Freundschaft. Er kommt gewöhnlich erst spät des Abends, jedenfalls nur dann, wenn es vollkommen dunkel geworden ist, zum Vorschein und streift nach Nahrung umher. Dabei entfernt er sich jedoch nicht weiter, als höchstens eine Viertel- meile von seiner Wohnung, und bei der geringsten Unruhe sucht er diese schleunigst wieder auf.
Es geschieht blos dann und wann, daß ein Jäger einem Dachse begegnet. Wenn jener in der Frühe eines Herbstmorgens auf dem Anstande steht und sich ganz lautlos verhält, kann er vielleicht den heimkehrenden Dachs bemerken, wie er bedächtig nach Hause schleicht. Seine Bewegungen sind sehr langsam und träge, der Gang ist schleppend und schwerfällig, nicht einmal der schnellste Lauf ist fördernd, und man behauptet, daß ein guter Fußgänger ihn einholen kann. Das ganze Thier macht einen sehr eigenthümlichen Eindruck. Anfänglich meint man, eher ein Schwein vor sich zu sehen, als ein Raubthier, und ich glaube, daß schon eine gewisse Vertrautheit mit seiner Gestalt und seinem Wesen dazu gehört, wenn man ihn überhaupt erkennen will. An das Schwein erinnert auch seine grunzende Stimme.
Seine Nahrung besteht im Frühjahr und Sommer vorzüglich aus Wurzeln, namentlich aus Birkenwurzeln, dann aber auch aus Trüffeln, Bücheln und Eicheln. Später scharrt er hier und da
Brehm, Thierleben. 32
Heimat. Wohnung. Ausführliche Schilderung von Tſchudi.
der Neuzeit widerlegt worden. Meines Wiſſens iſt Tſchudi der erſte, welcher eine ebenſo ausführ- liche, als anziehende Schilderung jener kurzen Tagesausflüge des Dachſes giebt, und deshalb will ich eine bezügliche Stelle aus dem vortrefflichen Werke dieſes Gewährsmannes folgen laſſen:
„Der Dachs iſt ſehr menſchenſcheu und hält ſich den Tag über im Baue auf, um nicht be- unruhigt zu werden. Von einem Jäger, dem das ſeltene Glück zu Theil ward, einen Dachs im Freien ganz ungeſtört längere Zeit beobachten zu können, erhalten wir anziehende Mittheilungen. Er beſuchte wiederholt einen Dachsbau, der, am Rande einer Schlucht angelegt, von der entgegen- geſetzten Seite dem freien Ueberblick offen lag. Der Bau war ſtark befahren, der neu aufgeworfene Boden jedoch vor der Hauptröhre ſo eben und glatt, wie eine Teune, und ſo feſtgetreten, daß nicht zu erkennen war, ob er Junge enthalte.‟
„Als der Wind günſtiger war, ſchlich ſich der Jäger von der entgegengeſetzten Seite in die Nähe des Baues und erblickte bald einen alten Dachs, der griesgrämig, in eigener Langweiligkeit verloren, daſaß, doch ſonſt, wie es ſchien, ſich recht behaglich fühlte in den warmen Strahlen. Dies war nicht ein Zufall; der Jäger ſah das Thier, ſo oft er an hellen Tagen den Bau beobachtete, in der Sonne liegen. Jn Wohlſeligkeit und Nichtsthun brachte es die Zeit hin. Bald ſaß es da, guckte ernſthaft ringsum, betrachtete dann einzelne Gegenſtände genau und wiegte ſich endlich nach Art der Bären auf den vorderen Pranken gemächlich hin und her. So große Behaglichkeit unterbrachen jedoch plötzlich blutdürſtige Schmarotzer, die es mit außergewöhnlicher Haſt mit Nagel und Zahn ſofort zur Rechen- ſchaft zog. Endlich zufrieden mit dem Erfolge des Strafgerichts gab der Dachs mit erhöhtem Be- hagen in der bequemſten Lage ſich der Sonne preis, indem er ihr bald den breiten Rücken, bald den wohlgenährten Wanſt zuwandte. Lange dauerte aber dieſer Zeitvertreib auch nicht; mit der Lang- weile mochte ihm Etwas in die Naſe kommen. Er hebt dieſe hoch, wendet ſich nach allen Seiten, ohne Etwas ausfindig zu machen. Doch ſcheint ihm Vorſicht rathſam, und er fährt zu Baue. Ein ander Mal ſonnte er ſich wieder auf der Terraſſe, trabte dann zur Abwechſelung wieder einmal thal- abwärts, um in ziemlicher Entfernung Raum zu ſchaffen für die Aeſung der nächſten Nacht; ja, er kehrte ſogar, gemäß ſeiner berühmten Vorſicht und Reinlichkeit, nochmals um und überwiſchte zu wiederholten Malen ſeine Loſung, damit ſie ja nicht zum Verräther werde. Auf dem Rückwege nahm er ſich dann Zeit, ſtach hier und da einmal, ohne jedoch beim Weiden ſich aufzuhalten, trieb dann noch ein Weilchen den alten Zeitvertreib, und als allmälig der Bäume Schlagſchatten die Scene überliefen, da fuhr er nach ſehr ſchweren Mühen wieder zu Baue, wahrſcheinlich, um auf die noch ſchwereren der Nacht zum voraus noch ein Bischen zu ſchlummern.‟
Blos zur Zeit der Paarung lebt der Dachs mit ſeinem Weibchen geſellig, doch immer nur in beſchränkter Weiſe. Den ganzen übrigen Theil des Jahres bewohnt er für ſich allein einen Bau und hält weder mit ſeinem Weibchen, noch mit anderen Thieren Freundſchaft. Er kommt gewöhnlich erſt ſpät des Abends, jedenfalls nur dann, wenn es vollkommen dunkel geworden iſt, zum Vorſchein und ſtreift nach Nahrung umher. Dabei entfernt er ſich jedoch nicht weiter, als höchſtens eine Viertel- meile von ſeiner Wohnung, und bei der geringſten Unruhe ſucht er dieſe ſchleunigſt wieder auf.
Es geſchieht blos dann und wann, daß ein Jäger einem Dachſe begegnet. Wenn jener in der Frühe eines Herbſtmorgens auf dem Anſtande ſteht und ſich ganz lautlos verhält, kann er vielleicht den heimkehrenden Dachs bemerken, wie er bedächtig nach Hauſe ſchleicht. Seine Bewegungen ſind ſehr langſam und träge, der Gang iſt ſchleppend und ſchwerfällig, nicht einmal der ſchnellſte Lauf iſt fördernd, und man behauptet, daß ein guter Fußgänger ihn einholen kann. Das ganze Thier macht einen ſehr eigenthümlichen Eindruck. Anfänglich meint man, eher ein Schwein vor ſich zu ſehen, als ein Raubthier, und ich glaube, daß ſchon eine gewiſſe Vertrautheit mit ſeiner Geſtalt und ſeinem Weſen dazu gehört, wenn man ihn überhaupt erkennen will. An das Schwein erinnert auch ſeine grunzende Stimme.
Seine Nahrung beſteht im Frühjahr und Sommer vorzüglich aus Wurzeln, namentlich aus Birkenwurzeln, dann aber auch aus Trüffeln, Bücheln und Eicheln. Später ſcharrt er hier und da
Brehm, Thierleben. 32
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[497/0571]
Heimat. Wohnung. Ausführliche Schilderung von Tſchudi.
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liche, als anziehende Schilderung jener kurzen Tagesausflüge des Dachſes giebt, und deshalb will
ich eine bezügliche Stelle aus dem vortrefflichen Werke dieſes Gewährsmannes folgen laſſen:
„Der Dachs iſt ſehr menſchenſcheu und hält ſich den Tag über im Baue auf, um nicht be-
unruhigt zu werden. Von einem Jäger, dem das ſeltene Glück zu Theil ward, einen Dachs im
Freien ganz ungeſtört längere Zeit beobachten zu können, erhalten wir anziehende Mittheilungen.
Er beſuchte wiederholt einen Dachsbau, der, am Rande einer Schlucht angelegt, von der entgegen-
geſetzten Seite dem freien Ueberblick offen lag. Der Bau war ſtark befahren, der neu aufgeworfene
Boden jedoch vor der Hauptröhre ſo eben und glatt, wie eine Teune, und ſo feſtgetreten, daß nicht zu
erkennen war, ob er Junge enthalte.‟
„Als der Wind günſtiger war, ſchlich ſich der Jäger von der entgegengeſetzten Seite in die Nähe
des Baues und erblickte bald einen alten Dachs, der griesgrämig, in eigener Langweiligkeit verloren,
daſaß, doch ſonſt, wie es ſchien, ſich recht behaglich fühlte in den warmen Strahlen. Dies war nicht
ein Zufall; der Jäger ſah das Thier, ſo oft er an hellen Tagen den Bau beobachtete, in der Sonne
liegen. Jn Wohlſeligkeit und Nichtsthun brachte es die Zeit hin. Bald ſaß es da, guckte ernſthaft
ringsum, betrachtete dann einzelne Gegenſtände genau und wiegte ſich endlich nach Art der Bären auf
den vorderen Pranken gemächlich hin und her. So große Behaglichkeit unterbrachen jedoch plötzlich
blutdürſtige Schmarotzer, die es mit außergewöhnlicher Haſt mit Nagel und Zahn ſofort zur Rechen-
ſchaft zog. Endlich zufrieden mit dem Erfolge des Strafgerichts gab der Dachs mit erhöhtem Be-
hagen in der bequemſten Lage ſich der Sonne preis, indem er ihr bald den breiten Rücken, bald den
wohlgenährten Wanſt zuwandte. Lange dauerte aber dieſer Zeitvertreib auch nicht; mit der Lang-
weile mochte ihm Etwas in die Naſe kommen. Er hebt dieſe hoch, wendet ſich nach allen Seiten,
ohne Etwas ausfindig zu machen. Doch ſcheint ihm Vorſicht rathſam, und er fährt zu Baue. Ein
ander Mal ſonnte er ſich wieder auf der Terraſſe, trabte dann zur Abwechſelung wieder einmal thal-
abwärts, um in ziemlicher Entfernung Raum zu ſchaffen für die Aeſung der nächſten Nacht; ja, er
kehrte ſogar, gemäß ſeiner berühmten Vorſicht und Reinlichkeit, nochmals um und überwiſchte zu
wiederholten Malen ſeine Loſung, damit ſie ja nicht zum Verräther werde. Auf dem Rückwege nahm
er ſich dann Zeit, ſtach hier und da einmal, ohne jedoch beim Weiden ſich aufzuhalten, trieb dann
noch ein Weilchen den alten Zeitvertreib, und als allmälig der Bäume Schlagſchatten die Scene
überliefen, da fuhr er nach ſehr ſchweren Mühen wieder zu Baue, wahrſcheinlich, um auf die noch
ſchwereren der Nacht zum voraus noch ein Bischen zu ſchlummern.‟
Blos zur Zeit der Paarung lebt der Dachs mit ſeinem Weibchen geſellig, doch immer nur in
beſchränkter Weiſe. Den ganzen übrigen Theil des Jahres bewohnt er für ſich allein einen Bau
und hält weder mit ſeinem Weibchen, noch mit anderen Thieren Freundſchaft. Er kommt gewöhnlich
erſt ſpät des Abends, jedenfalls nur dann, wenn es vollkommen dunkel geworden iſt, zum Vorſchein
und ſtreift nach Nahrung umher. Dabei entfernt er ſich jedoch nicht weiter, als höchſtens eine Viertel-
meile von ſeiner Wohnung, und bei der geringſten Unruhe ſucht er dieſe ſchleunigſt wieder auf.
Es geſchieht blos dann und wann, daß ein Jäger einem Dachſe begegnet. Wenn jener in der
Frühe eines Herbſtmorgens auf dem Anſtande ſteht und ſich ganz lautlos verhält, kann er vielleicht den
heimkehrenden Dachs bemerken, wie er bedächtig nach Hauſe ſchleicht. Seine Bewegungen ſind ſehr
langſam und träge, der Gang iſt ſchleppend und ſchwerfällig, nicht einmal der ſchnellſte Lauf iſt
fördernd, und man behauptet, daß ein guter Fußgänger ihn einholen kann. Das ganze Thier macht
einen ſehr eigenthümlichen Eindruck. Anfänglich meint man, eher ein Schwein vor ſich zu ſehen,
als ein Raubthier, und ich glaube, daß ſchon eine gewiſſe Vertrautheit mit ſeiner Geſtalt und ſeinem
Weſen dazu gehört, wenn man ihn überhaupt erkennen will. An das Schwein erinnert auch ſeine
grunzende Stimme.
Seine Nahrung beſteht im Frühjahr und Sommer vorzüglich aus Wurzeln, namentlich aus
Birkenwurzeln, dann aber auch aus Trüffeln, Bücheln und Eicheln. Später ſcharrt er hier und da
Brehm, Thierleben. 32
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/571>, abgerufen am 27.11.2024.
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