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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Mutterliebe. Zähmung.
leise geschlichen und legte sich lauernd nieder. Der Hamster faucht, fletscht die Zähne und fährt
grimmig auf ihn los. Er weicht aus, springt mit den geschmeidigsten Wendungen rings um den
Hamster herum oder hoch über ihn weg und zwickt ihn bald mit den Pfoten, bald mit den Zähnen.
Der Hamster muß sich unaufhörlich nach ihm wenden und drehen und wirft sich endlich, wie er Das
satt kriegt, auf den Rücken und sucht mit Krallen und Zähnen zugleich zu fechten. Nun weiß aber
der Fuchs, daß sich der Hamster auf dem Rücken nicht drehen kann; er geht daher in engem Kreise
um ihn herum, zwingt ihn dadurch aufzustehen, packt ihn, während er sich wendet, beim Kragen und
beißt ihn todt. Hat sich ein Hamster in einer Ecke festgesetzt, so ist es dem Fuchs unmöglich, ihm
beizukommen; er weiß ihn aber doch zu kriegen, denn er neckt ihn so lange, bis er vor Bosheit einen
Sprung thut, und packt ihn im Augenblick, wo er vom Sprunge niederfällt. -- Einst, da er kaum
die Hälfte seiner Größe erreicht hatte und noch nie ins Freie gekommen war, benutzte ich die Gelegen-
heit, wo bei einem Feste wohl achtzig Menschen versammelt waren, und setzte ihn zur Schau auf den
drei Fuß breiten Rand eines runden, kleinen Teiches. Die ganze Gesellschaft versammelte sich sogleich
rings um das den Teich umgebende Geländer, und der Fuchs schlich nun, betroffen über den un-
bekannten Platz und den Anblick der vielen Menschen, behutsam um den Teich herum, und während
er die Ohren bald anlegte, bald aufrichtete, bemerkte man in seinem kummervollen Blicke deutlich die
Spuren ernsten Nachdenkens über seine gefährliche Lage. Er suchte, wo gerade Niemand stand, Aus-
wege durch das Geländer, fand aber keinen. Dann fiel es ihm ein, daß er gewiß in der Mitte am
sichersten sein würde, und weil er nicht wußte, daß man im Wasser sinkt, so that er vom Ufer, das
etwa einen Fuß hoch war, einen großen Satz nach der Mitte zu, erschrak aber nicht wenig, wie er
plötzlich untersank, suchte sich indeß doch gleich durch Schwimmen solange zu halten, bis ich ihn her-
vorzog, worauf er sich den Pelz tüchtig ausschüttelte. -- Einstmals fand er Gelegenheit, bei Nacht
und Nebel seinen Stall zu verlassen, ging in den Wald spazieren, gelangte am folgenden Tage nach
Reinhardsbrunn, ließ sich aber dort ganz gemüthlich von Leuten anlocken, aufnehmen und zu mir
zurückbringen. -- Das zweite Mal, wo er ohne Erlaubniß spazieren gegangen, traf er mich zufällig
im Walde wieder und sprang voller Seligkeit an mir empor, so daß ich ihn aufnehmen konnte. --
Das dritte Mal suchte ich ihn in Begleitung von sechzehn Knaben in den Jbenhainer Berggärten.
Als wir in Masse kamen, hatte er keine Lust, sich einfangen zu lassen, saß mit bedenklicher Miene an
einem Zaun und sah uns mit Mißtrauen an. Jch ging ihm von unten her langsam entgegen, redete
ihm freundlich zu; er ging ebenso langsam rückwärts bis zur obern Ecke des Zauns, wo ich ihn zu
erwischen hoffte. Dort hielt ich ihm die Hand entgegen, bückte mich, ihn aufzunehmen, aber wupp! da
sprang er mit einem Satze über meinen Kopf hin, riß aus, blieb aber auf etwa funfzig Schritt stehen
und sah mich an. Jetzt schickte ich alle die Knaben in weitere Ferne, parlamentirte und hatte ihn bald
auf dem Arme. -- Als ich ihm zum erstenmal ein Halsband umthat, machte er vor Aerger drei Ellen
hohe Sprünge, und als ich ihn nun gar anlegte, wimmerte, wand und krümmte er sich ganz ver-
zweiflungsvoll, als wenn er das schrecklichste Bauchweh hätte, und wollte Tage lang weder essen noch
trinken. -- Als ich einmal einen recht großen Kater in seinen Stall warf, war er wie rasend,
fauchte, grunzte, sträubte alle Haare, machte ungeheure Sprünge und zeigte sich feig. Gegen mich
aber bewies er sich desto tapferer; denn als ich einmal seine Geduld erschöpft hatte, gab er mir einen
Biß in die Hand, ich ihm eine Ohrfeige, er mir wieder einen Biß und ich ihm wieder eine Ohrfeige;
beim dritten Bisse packte ich ihn am Halsband und hieb ihn jämmerlich mit einem Stöckchen durch;
er wurde aber desto rasender, war ganz außer sich vor Wuth und wollte immer auf mich losbeißen.
Das ist das einzige Mal gewesen, wo er mich oder sonst Jemand absichtlich gebissen hat, obgleich
Jahre lang täglich mit ihm Leute spielten und manche ihn neckten." --

Reinecke steckt jahraus, jahrein im Waldbann und ist vogelfrei; für ihn giebt es keine Zeit
der Hegung, keine Schonung. Man schießt, fängt, vergiftet ihn, gräbt ihn aus seinem sichern Bau
und schlägt ihn mit dem gemeinen Knüppel nieder, hetzt ihn zu Tode, holt ihn mit Schraubenziehern
aus der Erde beraus, kurz, sucht ihn zu vernichten, wo immer nur möglich und zu jeder Zeit. Wäre

Mutterliebe. Zähmung.
leiſe geſchlichen und legte ſich lauernd nieder. Der Hamſter faucht, fletſcht die Zähne und fährt
grimmig auf ihn los. Er weicht aus, ſpringt mit den geſchmeidigſten Wendungen rings um den
Hamſter herum oder hoch über ihn weg und zwickt ihn bald mit den Pfoten, bald mit den Zähnen.
Der Hamſter muß ſich unaufhörlich nach ihm wenden und drehen und wirft ſich endlich, wie er Das
ſatt kriegt, auf den Rücken und ſucht mit Krallen und Zähnen zugleich zu fechten. Nun weiß aber
der Fuchs, daß ſich der Hamſter auf dem Rücken nicht drehen kann; er geht daher in engem Kreiſe
um ihn herum, zwingt ihn dadurch aufzuſtehen, packt ihn, während er ſich wendet, beim Kragen und
beißt ihn todt. Hat ſich ein Hamſter in einer Ecke feſtgeſetzt, ſo iſt es dem Fuchs unmöglich, ihm
beizukommen; er weiß ihn aber doch zu kriegen, denn er neckt ihn ſo lange, bis er vor Bosheit einen
Sprung thut, und packt ihn im Augenblick, wo er vom Sprunge niederfällt. — Einſt, da er kaum
die Hälfte ſeiner Größe erreicht hatte und noch nie ins Freie gekommen war, benutzte ich die Gelegen-
heit, wo bei einem Feſte wohl achtzig Menſchen verſammelt waren, und ſetzte ihn zur Schau auf den
drei Fuß breiten Rand eines runden, kleinen Teiches. Die ganze Geſellſchaft verſammelte ſich ſogleich
rings um das den Teich umgebende Geländer, und der Fuchs ſchlich nun, betroffen über den un-
bekannten Platz und den Anblick der vielen Menſchen, behutſam um den Teich herum, und während
er die Ohren bald anlegte, bald aufrichtete, bemerkte man in ſeinem kummervollen Blicke deutlich die
Spuren ernſten Nachdenkens über ſeine gefährliche Lage. Er ſuchte, wo gerade Niemand ſtand, Aus-
wege durch das Geländer, fand aber keinen. Dann fiel es ihm ein, daß er gewiß in der Mitte am
ſicherſten ſein würde, und weil er nicht wußte, daß man im Waſſer ſinkt, ſo that er vom Ufer, das
etwa einen Fuß hoch war, einen großen Satz nach der Mitte zu, erſchrak aber nicht wenig, wie er
plötzlich unterſank, ſuchte ſich indeß doch gleich durch Schwimmen ſolange zu halten, bis ich ihn her-
vorzog, worauf er ſich den Pelz tüchtig ausſchüttelte. — Einſtmals fand er Gelegenheit, bei Nacht
und Nebel ſeinen Stall zu verlaſſen, ging in den Wald ſpazieren, gelangte am folgenden Tage nach
Reinhardsbrunn, ließ ſich aber dort ganz gemüthlich von Leuten anlocken, aufnehmen und zu mir
zurückbringen. — Das zweite Mal, wo er ohne Erlaubniß ſpazieren gegangen, traf er mich zufällig
im Walde wieder und ſprang voller Seligkeit an mir empor, ſo daß ich ihn aufnehmen konnte. —
Das dritte Mal ſuchte ich ihn in Begleitung von ſechzehn Knaben in den Jbenhainer Berggärten.
Als wir in Maſſe kamen, hatte er keine Luſt, ſich einfangen zu laſſen, ſaß mit bedenklicher Miene an
einem Zaun und ſah uns mit Mißtrauen an. Jch ging ihm von unten her langſam entgegen, redete
ihm freundlich zu; er ging ebenſo langſam rückwärts bis zur obern Ecke des Zauns, wo ich ihn zu
erwiſchen hoffte. Dort hielt ich ihm die Hand entgegen, bückte mich, ihn aufzunehmen, aber wupp! da
ſprang er mit einem Satze über meinen Kopf hin, riß aus, blieb aber auf etwa funfzig Schritt ſtehen
und ſah mich an. Jetzt ſchickte ich alle die Knaben in weitere Ferne, parlamentirte und hatte ihn bald
auf dem Arme. — Als ich ihm zum erſtenmal ein Halsband umthat, machte er vor Aerger drei Ellen
hohe Sprünge, und als ich ihn nun gar anlegte, wimmerte, wand und krümmte er ſich ganz ver-
zweiflungsvoll, als wenn er das ſchrecklichſte Bauchweh hätte, und wollte Tage lang weder eſſen noch
trinken. — Als ich einmal einen recht großen Kater in ſeinen Stall warf, war er wie raſend,
fauchte, grunzte, ſträubte alle Haare, machte ungeheure Sprünge und zeigte ſich feig. Gegen mich
aber bewies er ſich deſto tapferer; denn als ich einmal ſeine Geduld erſchöpft hatte, gab er mir einen
Biß in die Hand, ich ihm eine Ohrfeige, er mir wieder einen Biß und ich ihm wieder eine Ohrfeige;
beim dritten Biſſe packte ich ihn am Halsband und hieb ihn jämmerlich mit einem Stöckchen durch;
er wurde aber deſto raſender, war ganz außer ſich vor Wuth und wollte immer auf mich losbeißen.
Das iſt das einzige Mal geweſen, wo er mich oder ſonſt Jemand abſichtlich gebiſſen hat, obgleich
Jahre lang täglich mit ihm Leute ſpielten und manche ihn neckten.‟ —

Reinecke ſteckt jahraus, jahrein im Waldbann und iſt vogelfrei; für ihn giebt es keine Zeit
der Hegung, keine Schonung. Man ſchießt, fängt, vergiftet ihn, gräbt ihn aus ſeinem ſichern Bau
und ſchlägt ihn mit dem gemeinen Knüppel nieder, hetzt ihn zu Tode, holt ihn mit Schraubenziehern
aus der Erde beraus, kurz, ſucht ihn zu vernichten, wo immer nur möglich und zu jeder Zeit. Wäre

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[427/0495] Mutterliebe. Zähmung. leiſe geſchlichen und legte ſich lauernd nieder. Der Hamſter faucht, fletſcht die Zähne und fährt grimmig auf ihn los. Er weicht aus, ſpringt mit den geſchmeidigſten Wendungen rings um den Hamſter herum oder hoch über ihn weg und zwickt ihn bald mit den Pfoten, bald mit den Zähnen. Der Hamſter muß ſich unaufhörlich nach ihm wenden und drehen und wirft ſich endlich, wie er Das ſatt kriegt, auf den Rücken und ſucht mit Krallen und Zähnen zugleich zu fechten. Nun weiß aber der Fuchs, daß ſich der Hamſter auf dem Rücken nicht drehen kann; er geht daher in engem Kreiſe um ihn herum, zwingt ihn dadurch aufzuſtehen, packt ihn, während er ſich wendet, beim Kragen und beißt ihn todt. Hat ſich ein Hamſter in einer Ecke feſtgeſetzt, ſo iſt es dem Fuchs unmöglich, ihm beizukommen; er weiß ihn aber doch zu kriegen, denn er neckt ihn ſo lange, bis er vor Bosheit einen Sprung thut, und packt ihn im Augenblick, wo er vom Sprunge niederfällt. — Einſt, da er kaum die Hälfte ſeiner Größe erreicht hatte und noch nie ins Freie gekommen war, benutzte ich die Gelegen- heit, wo bei einem Feſte wohl achtzig Menſchen verſammelt waren, und ſetzte ihn zur Schau auf den drei Fuß breiten Rand eines runden, kleinen Teiches. Die ganze Geſellſchaft verſammelte ſich ſogleich rings um das den Teich umgebende Geländer, und der Fuchs ſchlich nun, betroffen über den un- bekannten Platz und den Anblick der vielen Menſchen, behutſam um den Teich herum, und während er die Ohren bald anlegte, bald aufrichtete, bemerkte man in ſeinem kummervollen Blicke deutlich die Spuren ernſten Nachdenkens über ſeine gefährliche Lage. Er ſuchte, wo gerade Niemand ſtand, Aus- wege durch das Geländer, fand aber keinen. Dann fiel es ihm ein, daß er gewiß in der Mitte am ſicherſten ſein würde, und weil er nicht wußte, daß man im Waſſer ſinkt, ſo that er vom Ufer, das etwa einen Fuß hoch war, einen großen Satz nach der Mitte zu, erſchrak aber nicht wenig, wie er plötzlich unterſank, ſuchte ſich indeß doch gleich durch Schwimmen ſolange zu halten, bis ich ihn her- vorzog, worauf er ſich den Pelz tüchtig ausſchüttelte. — Einſtmals fand er Gelegenheit, bei Nacht und Nebel ſeinen Stall zu verlaſſen, ging in den Wald ſpazieren, gelangte am folgenden Tage nach Reinhardsbrunn, ließ ſich aber dort ganz gemüthlich von Leuten anlocken, aufnehmen und zu mir zurückbringen. — Das zweite Mal, wo er ohne Erlaubniß ſpazieren gegangen, traf er mich zufällig im Walde wieder und ſprang voller Seligkeit an mir empor, ſo daß ich ihn aufnehmen konnte. — Das dritte Mal ſuchte ich ihn in Begleitung von ſechzehn Knaben in den Jbenhainer Berggärten. Als wir in Maſſe kamen, hatte er keine Luſt, ſich einfangen zu laſſen, ſaß mit bedenklicher Miene an einem Zaun und ſah uns mit Mißtrauen an. Jch ging ihm von unten her langſam entgegen, redete ihm freundlich zu; er ging ebenſo langſam rückwärts bis zur obern Ecke des Zauns, wo ich ihn zu erwiſchen hoffte. Dort hielt ich ihm die Hand entgegen, bückte mich, ihn aufzunehmen, aber wupp! da ſprang er mit einem Satze über meinen Kopf hin, riß aus, blieb aber auf etwa funfzig Schritt ſtehen und ſah mich an. Jetzt ſchickte ich alle die Knaben in weitere Ferne, parlamentirte und hatte ihn bald auf dem Arme. — Als ich ihm zum erſtenmal ein Halsband umthat, machte er vor Aerger drei Ellen hohe Sprünge, und als ich ihn nun gar anlegte, wimmerte, wand und krümmte er ſich ganz ver- zweiflungsvoll, als wenn er das ſchrecklichſte Bauchweh hätte, und wollte Tage lang weder eſſen noch trinken. — Als ich einmal einen recht großen Kater in ſeinen Stall warf, war er wie raſend, fauchte, grunzte, ſträubte alle Haare, machte ungeheure Sprünge und zeigte ſich feig. Gegen mich aber bewies er ſich deſto tapferer; denn als ich einmal ſeine Geduld erſchöpft hatte, gab er mir einen Biß in die Hand, ich ihm eine Ohrfeige, er mir wieder einen Biß und ich ihm wieder eine Ohrfeige; beim dritten Biſſe packte ich ihn am Halsband und hieb ihn jämmerlich mit einem Stöckchen durch; er wurde aber deſto raſender, war ganz außer ſich vor Wuth und wollte immer auf mich losbeißen. Das iſt das einzige Mal geweſen, wo er mich oder ſonſt Jemand abſichtlich gebiſſen hat, obgleich Jahre lang täglich mit ihm Leute ſpielten und manche ihn neckten.‟ — Reinecke ſteckt jahraus, jahrein im Waldbann und iſt vogelfrei; für ihn giebt es keine Zeit der Hegung, keine Schonung. Man ſchießt, fängt, vergiftet ihn, gräbt ihn aus ſeinem ſichern Bau und ſchlägt ihn mit dem gemeinen Knüppel nieder, hetzt ihn zu Tode, holt ihn mit Schraubenziehern aus der Erde beraus, kurz, ſucht ihn zu vernichten, wo immer nur möglich und zu jeder Zeit. Wäre

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/495>, abgerufen am 22.11.2024.