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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Tarai. Kueruck. Wildkatze.
Kugeln beschäftigen, die man ihm zuwirft, oder sich durch Spielen mit seinem eignen Schwanze
vergnügen. Dabei scheint er sich in seiner großen Beweglichkeit und Geschmeidigkeit zu gefallen und
macht, ohne irgend welche Aufforderung, aus eignem Antriebe die sonderbarsten Sprünge. Sicher
ist aber, daß diese Angaben sich immer nur auf einzelne beziehen; ich meinestheils habe mehrere
gesehen, welche äußerst wild, ja geradezu blind wüthend waren, trotz einer schon ziemlich langen Ge-
fangenschaft. Möglicher Weise werden diejenigen, welche man an Stricke bindet und in gewissem
Grade frei läßt, eher zahm, als die in Käfigen lebenden: diese geben aber auch einem frisch gefangenen
Leoparden an Jngrimm nicht das Geringste nach. Mit rohem Fleische läßt sich der Serwal lange
erhalten, ja man kann ihn sogar an Katzenfutter gewöhnen und ihm namentlich durch Milch einen
großen Genuß verschaffen. Vor Erkältung muß man ihn sehr in Acht nehmen. Einer, der in
unserm Thiergarten lebte und schon so zahm geworden war, daß er alle Beschauer aufs höchste
erfreute, starb wenige Stunden nach Eintritt eines Witterungswechsels, welcher den Wärmemesser
um 15 Grad herabstimmte. Er rührte von Stunde an kein Futter mehr an und war am andern
Morgen eine Leiche. Drei andere Katzen, welche wir besaßen, starben zur selben Zeit, der gleichen
Ursache halber. Des Fell des Serwal kommt in ziemlicher Menge in den Handel und wird als
Pelzwerk benutzt. Jn Europa ist es unter dem Namen "afrikanische Tigerkatze" wohl bekannt.

Der Tarai (Serval viverrinus) erreicht nur die Größe unserer Wildkatze und ist kürzer, als
der Serwal. Seine Färbung ist tief gelblichgrau. Die einzelnen Haare sind an der Wurzel dunkel,
in der Mitte gelblich, an der Spitze schwarz. Die Unterkieferseite ist rein weiß. Längs des Rückens
verlaufen vier Reihen schwarzer Flecken, welche auf der Stirn zu Streifen zusammenfließen. Ueber
die Wangen ziehen sich zwei Streifen, von denen ein Kehlband abgeht. Das Ohr ist hinten schwarz
mit einem hellen Fleck. An den Körperseiten finden sich runde Flecken, an den Beinen Querstreifen,
der Schwanz hat acht bis neun Ringel. Die Körperlänge beträgt höchstens 21/2 Fuß, die des
Schwanzes zehn Zoll.

Das Thier lebt in Jndien, besonders in den Himalayagegenden. -- Die Gefangenen, welche ich
sah, waren wüthende, menschenfeindliche Geschöpfe.

Der Kueruck (Serval minutus) endlich ähnelt unserer Hauskatze, ist aber kleiner und durch
seinen kurzen Schwanz und die kurzen, gerundeten Ohren wohl von ihr unterschieden. Der Pelz ist
oben rothbraungrau, unten weiß. Auf dem Scheitel und Halse finden sich ebenfalls die vier schwarzen
Längsstreifen, welche sich nach hintenzu wieder auflösen. Reben den Augen verläuft ein weißer
Streifen. Die Ohren sind außen braun mit weißen Flecken. Der Schwanz ist dunkel und undeutlich
geringelt. Die Körperlänge beträgt 16 Zoll, die des Schwanzes 18 Zoll. Trotz der geringen Größe
soll der Kueruck eine der wildesten Katzen sein, welche man überhaupt kennt. Gefangene, welche ich
in den Thiergärten von Amsterdam und Rotterdam sah, und andere, welche ich selbst pflegte, wider-
sprachen Dem nicht. Jch gab mir die größte Mühe, sie zu zähmen; doch scheiterten meine Versuche
an der tollen Wuth dieser Katze. Blindwüthend fauchte und zischte sie, sobald man sich ihrem Ge-
fängnisse nahte. Auch der Wärter, welcher seine Thiere sehr gut behandelte, hatte sich nicht mit ihr
befreunden können. Er mußte sich bei dem Füttern sehr sorgfältig in Acht nehmen; denn der Kueruck
hieb nach der Hand, anstatt nach dem Fleische. Sobald man ihn störte, pflegte er sich mit gekrümmtem
Katzenbuckel in eine Ecke zurückzuziehen, sträubte seinen Balg und knurrte und tobte mit wüthenden
Blicken, bis man ihn wieder verließ. Sein Lieblingsaufenthalt war ein starker Baumast in seinem
Käfig. Auf ihm verweilte er, in sehr zusammengekauerter Stellung sitzend, oft stundenlang, ohne sich
zu rühren. Seine Bosheit machte ihn Jederman verhaßt, und fein Tod, welcher ebenfalls nach dem
erwähnten Witterungswechsel erfolgte, verursachte uns ungleich weniger Bedauern, als der Verlust
des ihm verwandten Serwal. Wir hatten schließlich allen Hoffnungen, das wüthende Thier zu
zähmen, vollständig entsagt.

Die Raubthiere. Katzen. — Tarai. Kueruck. Wildkatze.
Kugeln beſchäftigen, die man ihm zuwirft, oder ſich durch Spielen mit ſeinem eignen Schwanze
vergnügen. Dabei ſcheint er ſich in ſeiner großen Beweglichkeit und Geſchmeidigkeit zu gefallen und
macht, ohne irgend welche Aufforderung, aus eignem Antriebe die ſonderbarſten Sprünge. Sicher
iſt aber, daß dieſe Angaben ſich immer nur auf einzelne beziehen; ich meinestheils habe mehrere
geſehen, welche äußerſt wild, ja geradezu blind wüthend waren, trotz einer ſchon ziemlich langen Ge-
fangenſchaft. Möglicher Weiſe werden diejenigen, welche man an Stricke bindet und in gewiſſem
Grade frei läßt, eher zahm, als die in Käfigen lebenden: dieſe geben aber auch einem friſch gefangenen
Leoparden an Jngrimm nicht das Geringſte nach. Mit rohem Fleiſche läßt ſich der Serwal lange
erhalten, ja man kann ihn ſogar an Katzenfutter gewöhnen und ihm namentlich durch Milch einen
großen Genuß verſchaffen. Vor Erkältung muß man ihn ſehr in Acht nehmen. Einer, der in
unſerm Thiergarten lebte und ſchon ſo zahm geworden war, daß er alle Beſchauer aufs höchſte
erfreute, ſtarb wenige Stunden nach Eintritt eines Witterungswechſels, welcher den Wärmemeſſer
um 15 Grad herabſtimmte. Er rührte von Stunde an kein Futter mehr an und war am andern
Morgen eine Leiche. Drei andere Katzen, welche wir beſaßen, ſtarben zur ſelben Zeit, der gleichen
Urſache halber. Des Fell des Serwal kommt in ziemlicher Menge in den Handel und wird als
Pelzwerk benutzt. Jn Europa iſt es unter dem Namen „afrikaniſche Tigerkatze‟ wohl bekannt.

Der Tarai (Serval viverrinus) erreicht nur die Größe unſerer Wildkatze und iſt kürzer, als
der Serwal. Seine Färbung iſt tief gelblichgrau. Die einzelnen Haare ſind an der Wurzel dunkel,
in der Mitte gelblich, an der Spitze ſchwarz. Die Unterkieferſeite iſt rein weiß. Längs des Rückens
verlaufen vier Reihen ſchwarzer Flecken, welche auf der Stirn zu Streifen zuſammenfließen. Ueber
die Wangen ziehen ſich zwei Streifen, von denen ein Kehlband abgeht. Das Ohr iſt hinten ſchwarz
mit einem hellen Fleck. An den Körperſeiten finden ſich runde Flecken, an den Beinen Querſtreifen,
der Schwanz hat acht bis neun Ringel. Die Körperlänge beträgt höchſtens 2½ Fuß, die des
Schwanzes zehn Zoll.

Das Thier lebt in Jndien, beſonders in den Himalayagegenden. — Die Gefangenen, welche ich
ſah, waren wüthende, menſchenfeindliche Geſchöpfe.

Der Kueruck (Serval minutus) endlich ähnelt unſerer Hauskatze, iſt aber kleiner und durch
ſeinen kurzen Schwanz und die kurzen, gerundeten Ohren wohl von ihr unterſchieden. Der Pelz iſt
oben rothbraungrau, unten weiß. Auf dem Scheitel und Halſe finden ſich ebenfalls die vier ſchwarzen
Längsſtreifen, welche ſich nach hintenzu wieder auflöſen. Reben den Augen verläuft ein weißer
Streifen. Die Ohren ſind außen braun mit weißen Flecken. Der Schwanz iſt dunkel und undeutlich
geringelt. Die Körperlänge beträgt 16 Zoll, die des Schwanzes 18 Zoll. Trotz der geringen Größe
ſoll der Kueruck eine der wildeſten Katzen ſein, welche man überhaupt kennt. Gefangene, welche ich
in den Thiergärten von Amſterdam und Rotterdam ſah, und andere, welche ich ſelbſt pflegte, wider-
ſprachen Dem nicht. Jch gab mir die größte Mühe, ſie zu zähmen; doch ſcheiterten meine Verſuche
an der tollen Wuth dieſer Katze. Blindwüthend fauchte und ziſchte ſie, ſobald man ſich ihrem Ge-
fängniſſe nahte. Auch der Wärter, welcher ſeine Thiere ſehr gut behandelte, hatte ſich nicht mit ihr
befreunden können. Er mußte ſich bei dem Füttern ſehr ſorgfältig in Acht nehmen; denn der Kueruck
hieb nach der Hand, anſtatt nach dem Fleiſche. Sobald man ihn ſtörte, pflegte er ſich mit gekrümmtem
Katzenbuckel in eine Ecke zurückzuziehen, ſträubte ſeinen Balg und knurrte und tobte mit wüthenden
Blicken, bis man ihn wieder verließ. Sein Lieblingsaufenthalt war ein ſtarker Baumaſt in ſeinem
Käfig. Auf ihm verweilte er, in ſehr zuſammengekauerter Stellung ſitzend, oft ſtundenlang, ohne ſich
zu rühren. Seine Bosheit machte ihn Jederman verhaßt, und fein Tod, welcher ebenfalls nach dem
erwähnten Witterungswechſel erfolgte, verurſachte uns ungleich weniger Bedauern, als der Verluſt
des ihm verwandten Serwal. Wir hatten ſchließlich allen Hoffnungen, das wüthende Thier zu
zähmen, vollſtändig entſagt.

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[274/0338] Die Raubthiere. Katzen. — Tarai. Kueruck. Wildkatze. Kugeln beſchäftigen, die man ihm zuwirft, oder ſich durch Spielen mit ſeinem eignen Schwanze vergnügen. Dabei ſcheint er ſich in ſeiner großen Beweglichkeit und Geſchmeidigkeit zu gefallen und macht, ohne irgend welche Aufforderung, aus eignem Antriebe die ſonderbarſten Sprünge. Sicher iſt aber, daß dieſe Angaben ſich immer nur auf einzelne beziehen; ich meinestheils habe mehrere geſehen, welche äußerſt wild, ja geradezu blind wüthend waren, trotz einer ſchon ziemlich langen Ge- fangenſchaft. Möglicher Weiſe werden diejenigen, welche man an Stricke bindet und in gewiſſem Grade frei läßt, eher zahm, als die in Käfigen lebenden: dieſe geben aber auch einem friſch gefangenen Leoparden an Jngrimm nicht das Geringſte nach. Mit rohem Fleiſche läßt ſich der Serwal lange erhalten, ja man kann ihn ſogar an Katzenfutter gewöhnen und ihm namentlich durch Milch einen großen Genuß verſchaffen. Vor Erkältung muß man ihn ſehr in Acht nehmen. Einer, der in unſerm Thiergarten lebte und ſchon ſo zahm geworden war, daß er alle Beſchauer aufs höchſte erfreute, ſtarb wenige Stunden nach Eintritt eines Witterungswechſels, welcher den Wärmemeſſer um 15 Grad herabſtimmte. Er rührte von Stunde an kein Futter mehr an und war am andern Morgen eine Leiche. Drei andere Katzen, welche wir beſaßen, ſtarben zur ſelben Zeit, der gleichen Urſache halber. Des Fell des Serwal kommt in ziemlicher Menge in den Handel und wird als Pelzwerk benutzt. Jn Europa iſt es unter dem Namen „afrikaniſche Tigerkatze‟ wohl bekannt. Der Tarai (Serval viverrinus) erreicht nur die Größe unſerer Wildkatze und iſt kürzer, als der Serwal. Seine Färbung iſt tief gelblichgrau. Die einzelnen Haare ſind an der Wurzel dunkel, in der Mitte gelblich, an der Spitze ſchwarz. Die Unterkieferſeite iſt rein weiß. Längs des Rückens verlaufen vier Reihen ſchwarzer Flecken, welche auf der Stirn zu Streifen zuſammenfließen. Ueber die Wangen ziehen ſich zwei Streifen, von denen ein Kehlband abgeht. Das Ohr iſt hinten ſchwarz mit einem hellen Fleck. An den Körperſeiten finden ſich runde Flecken, an den Beinen Querſtreifen, der Schwanz hat acht bis neun Ringel. Die Körperlänge beträgt höchſtens 2½ Fuß, die des Schwanzes zehn Zoll. Das Thier lebt in Jndien, beſonders in den Himalayagegenden. — Die Gefangenen, welche ich ſah, waren wüthende, menſchenfeindliche Geſchöpfe. Der Kueruck (Serval minutus) endlich ähnelt unſerer Hauskatze, iſt aber kleiner und durch ſeinen kurzen Schwanz und die kurzen, gerundeten Ohren wohl von ihr unterſchieden. Der Pelz iſt oben rothbraungrau, unten weiß. Auf dem Scheitel und Halſe finden ſich ebenfalls die vier ſchwarzen Längsſtreifen, welche ſich nach hintenzu wieder auflöſen. Reben den Augen verläuft ein weißer Streifen. Die Ohren ſind außen braun mit weißen Flecken. Der Schwanz iſt dunkel und undeutlich geringelt. Die Körperlänge beträgt 16 Zoll, die des Schwanzes 18 Zoll. Trotz der geringen Größe ſoll der Kueruck eine der wildeſten Katzen ſein, welche man überhaupt kennt. Gefangene, welche ich in den Thiergärten von Amſterdam und Rotterdam ſah, und andere, welche ich ſelbſt pflegte, wider- ſprachen Dem nicht. Jch gab mir die größte Mühe, ſie zu zähmen; doch ſcheiterten meine Verſuche an der tollen Wuth dieſer Katze. Blindwüthend fauchte und ziſchte ſie, ſobald man ſich ihrem Ge- fängniſſe nahte. Auch der Wärter, welcher ſeine Thiere ſehr gut behandelte, hatte ſich nicht mit ihr befreunden können. Er mußte ſich bei dem Füttern ſehr ſorgfältig in Acht nehmen; denn der Kueruck hieb nach der Hand, anſtatt nach dem Fleiſche. Sobald man ihn ſtörte, pflegte er ſich mit gekrümmtem Katzenbuckel in eine Ecke zurückzuziehen, ſträubte ſeinen Balg und knurrte und tobte mit wüthenden Blicken, bis man ihn wieder verließ. Sein Lieblingsaufenthalt war ein ſtarker Baumaſt in ſeinem Käfig. Auf ihm verweilte er, in ſehr zuſammengekauerter Stellung ſitzend, oft ſtundenlang, ohne ſich zu rühren. Seine Bosheit machte ihn Jederman verhaßt, und fein Tod, welcher ebenfalls nach dem erwähnten Witterungswechſel erfolgte, verurſachte uns ungleich weniger Bedauern, als der Verluſt des ihm verwandten Serwal. Wir hatten ſchließlich allen Hoffnungen, das wüthende Thier zu zähmen, vollſtändig entſagt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/338>, abgerufen am 21.05.2024.