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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Leopard.
befürchten. Man braucht blos das Gesicht eines Leoparden anzusehen: die Falschheit und Hinterlist
spricht ihm aus den Augen. Jn den Käsigen zeigen sich die jung gefangenen Leoparden gutmüthig und
geduldig. Sie empfangen gern Liebkosungen von bekannten Personen, schnurren dabei wie die Katzen
oder schmiegen sich wohl auch in schlangenartigen Windungen an ihre Wärter an und reiben sich an
dem Käfig, was immer als ein Zeichen ihres Wohlbehagens anzusehen ist. Der Panther unseres
Thiergartens ist ein überaus zahmes und gemüthliches Thier. Er springt seinen Bekannten freudig
entgegen, langt mit der Tatze nach ihnen, um sie zu sich heranzuziehen, läßt sich streicheln und lieb-
kosen und leckt mit großer Zartheit die ihm gereichte Hand -- ganz wie ein wohlerzogener Hund.
Niemals denkt er daran, von seinen Klauen Gebrauch zu machen: seine gefährlichen Tatzen bleiben
in der Hand seines Freundes immer weich und sammtig. Daß Leoparden ebenso zahm werden
können, unterliegt keinem Zweifel. -- Bei besonders guter Laune springt der Leopard in eigenthüm-
lich künstlichen Sätzen, welche gewöhnlich zwei durch einander geschlungene Kreise bilden, unaufhörlich
im Käfig auf und ab und zwar so schnell, daß das Auge seinen Biegungen kaum folgen kann. Mit
Hunden gewöhnt er sich bald zusammen und gewinnt dieselben auch so lieb, daß er mit ihnen spielt
und selbst die Nahrung mit ihnen theilt. Mit seines Gleichen verträgt er sich recht gut; er hat sich
auch schon mehrere Male in Europa fortgepflanzt.

Ganz anders, als im Käfig, zeigt sich der Leopard, sobald er nur einigermaßen Freiheit bekommt.
Jch besaß ein sehr schönes, aber noch nicht ordentlich ausgewachsenes Männchen einige Zeit lang
lebendig, konnte es aber niemals zu einem nur erträglichen Verhältnisse zwischen mir und ihm
bringen. Sobald ich mich dem Käfig näherte, drückte er mir durch Grinsen und Zähnefletschen, wohl
auch durch ein heiseres Fauchen seine Unzufriedenheit aus, und wenn ich mich ihm nur einen Zoll
weiter als gewöhnlich näherte, durfte ich sicher darauf rechnen, daß er mit einer seiner Tatzen nach
mir schlug, natürlich regelmäßig dann, wenn ich es mir am wenigsten versah. Jch hatte ihn, wie
alle die Raubthiere, welche ich bei mir führte, noch im Käfig an eine lange Kette fesseln lassen, und
so durfte ich mir schon das Vergnügen machen, ihn zuweilen aus dem Käsig herauszulassen. Sobald
er auf den Hof trat, begann er förmlich zu rasen, sprang wie toll empor, dehnte sich, zog Gesichter,
fauchte und warf die wildesten Blicke nach allen Seiten. Dabei ging er Jedem, welcher sich ihm
näherte, sofort zu Leibe und geberdete sich so sprechend, daß wir wohl wußten, er würde uns nieder-
reißen, wenn er uns erlangen könnte. Jemehr ich die Kette durch einen angebundenen Strick ver-
längerte, um so toller wurden all seine Bewegungen, um so mehr steigerte sich seine Wuth. Die
ganze Wildheit des freilebenden Thieres, welche jetzt lange gewaltsam unterdrückt worden war, schien
durchzubrechen, der Blutdurst regte sich und seine Augen drohten der ganzen übrigen Thiergesellschaft
Tod und Verderben. Gurgelnd flogen die Affen an den Wänden, Stöcken und Säulen empor;
ängstlich meckerten die Ziegen; wie toll rannten die Strauße in ihrem Käfig auf und nieder;
grollend blickte der Löwe auf den rasenden Roland. Dieser versuchte auf alle nur mögliche Weise
freizukommen, und mehrmals wurde es uns angst und bange bei diesen Beobachtungsproben. Das
Allerschwierigste war es, unser Thier jedesmal wieder in seinen Käfig zurückzubringen. Aus freien
Stücken ging er nicht hinein, und gezwungen konnte er kaum werden. Das Einfachste wäre gewesen,
ihn an dem Stricke, bezüglich der Kette, wieder in den Käfig zu ziehen; allein dieser stand so, daß
man in den Bereich seiner Sprünge hätte kommen müssen, wenn man die Kette erreichen wollte.
Drohungen vermochten gar Nichts über ihn; wenn wir ihm die Peitsche vorhielten, zeigte er uns
dagegen seine Tatzen; wenn wir ihn anschrien, fauchte er; wenn wir auf ihn losgingen, legte er sich
zum Sprunge zurecht. Es galt jetzt, seinen Trotz zu brechen, ohne ihn dabei zu mißhandeln; denn
er war nicht mein Eigenthum und ich mußte ihn natürlich schonen. Jch wagte nicht einmal, mich der
aus dem Felle des Nilpferdes geschnittenen Peitsche zu bedienen, welche bei den anderen Thieren ge-
wöhnlich vollkommen ausreichte; ich wagte es auch im Grunde nicht, weil mir die Peitsche nicht lang
genug erschien und ich doch das Thier bis zu dem Käfig treiben mußte. Deshalb nahm ich einen
neuen Stallbesen und befestigte diesen an einer langen, dünnen Stange; damit bekam er seine Prügel:

Die Raubthiere. Katzen. — Leopard.
befürchten. Man braucht blos das Geſicht eines Leoparden anzuſehen: die Falſchheit und Hinterliſt
ſpricht ihm aus den Augen. Jn den Käſigen zeigen ſich die jung gefangenen Leoparden gutmüthig und
geduldig. Sie empfangen gern Liebkoſungen von bekannten Perſonen, ſchnurren dabei wie die Katzen
oder ſchmiegen ſich wohl auch in ſchlangenartigen Windungen an ihre Wärter an und reiben ſich an
dem Käfig, was immer als ein Zeichen ihres Wohlbehagens anzuſehen iſt. Der Panther unſeres
Thiergartens iſt ein überaus zahmes und gemüthliches Thier. Er ſpringt ſeinen Bekannten freudig
entgegen, langt mit der Tatze nach ihnen, um ſie zu ſich heranzuziehen, läßt ſich ſtreicheln und lieb-
koſen und leckt mit großer Zartheit die ihm gereichte Hand — ganz wie ein wohlerzogener Hund.
Niemals denkt er daran, von ſeinen Klauen Gebrauch zu machen: ſeine gefährlichen Tatzen bleiben
in der Hand ſeines Freundes immer weich und ſammtig. Daß Leoparden ebenſo zahm werden
können, unterliegt keinem Zweifel. — Bei beſonders guter Laune ſpringt der Leopard in eigenthüm-
lich künſtlichen Sätzen, welche gewöhnlich zwei durch einander geſchlungene Kreiſe bilden, unaufhörlich
im Käfig auf und ab und zwar ſo ſchnell, daß das Auge ſeinen Biegungen kaum folgen kann. Mit
Hunden gewöhnt er ſich bald zuſammen und gewinnt dieſelben auch ſo lieb, daß er mit ihnen ſpielt
und ſelbſt die Nahrung mit ihnen theilt. Mit ſeines Gleichen verträgt er ſich recht gut; er hat ſich
auch ſchon mehrere Male in Europa fortgepflanzt.

Ganz anders, als im Käfig, zeigt ſich der Leopard, ſobald er nur einigermaßen Freiheit bekommt.
Jch beſaß ein ſehr ſchönes, aber noch nicht ordentlich ausgewachſenes Männchen einige Zeit lang
lebendig, konnte es aber niemals zu einem nur erträglichen Verhältniſſe zwiſchen mir und ihm
bringen. Sobald ich mich dem Käfig näherte, drückte er mir durch Grinſen und Zähnefletſchen, wohl
auch durch ein heiſeres Fauchen ſeine Unzufriedenheit aus, und wenn ich mich ihm nur einen Zoll
weiter als gewöhnlich näherte, durfte ich ſicher darauf rechnen, daß er mit einer ſeiner Tatzen nach
mir ſchlug, natürlich regelmäßig dann, wenn ich es mir am wenigſten verſah. Jch hatte ihn, wie
alle die Raubthiere, welche ich bei mir führte, noch im Käfig an eine lange Kette feſſeln laſſen, und
ſo durfte ich mir ſchon das Vergnügen machen, ihn zuweilen aus dem Käſig herauszulaſſen. Sobald
er auf den Hof trat, begann er förmlich zu raſen, ſprang wie toll empor, dehnte ſich, zog Geſichter,
fauchte und warf die wildeſten Blicke nach allen Seiten. Dabei ging er Jedem, welcher ſich ihm
näherte, ſofort zu Leibe und geberdete ſich ſo ſprechend, daß wir wohl wußten, er würde uns nieder-
reißen, wenn er uns erlangen könnte. Jemehr ich die Kette durch einen angebundenen Strick ver-
längerte, um ſo toller wurden all ſeine Bewegungen, um ſo mehr ſteigerte ſich ſeine Wuth. Die
ganze Wildheit des freilebenden Thieres, welche jetzt lange gewaltſam unterdrückt worden war, ſchien
durchzubrechen, der Blutdurſt regte ſich und ſeine Augen drohten der ganzen übrigen Thiergeſellſchaft
Tod und Verderben. Gurgelnd flogen die Affen an den Wänden, Stöcken und Säulen empor;
ängſtlich meckerten die Ziegen; wie toll rannten die Strauße in ihrem Käfig auf und nieder;
grollend blickte der Löwe auf den raſenden Roland. Dieſer verſuchte auf alle nur mögliche Weiſe
freizukommen, und mehrmals wurde es uns angſt und bange bei dieſen Beobachtungsproben. Das
Allerſchwierigſte war es, unſer Thier jedesmal wieder in ſeinen Käfig zurückzubringen. Aus freien
Stücken ging er nicht hinein, und gezwungen konnte er kaum werden. Das Einfachſte wäre geweſen,
ihn an dem Stricke, bezüglich der Kette, wieder in den Käfig zu ziehen; allein dieſer ſtand ſo, daß
man in den Bereich ſeiner Sprünge hätte kommen müſſen, wenn man die Kette erreichen wollte.
Drohungen vermochten gar Nichts über ihn; wenn wir ihm die Peitſche vorhielten, zeigte er uns
dagegen ſeine Tatzen; wenn wir ihn anſchrien, fauchte er; wenn wir auf ihn losgingen, legte er ſich
zum Sprunge zurecht. Es galt jetzt, ſeinen Trotz zu brechen, ohne ihn dabei zu mißhandeln; denn
er war nicht mein Eigenthum und ich mußte ihn natürlich ſchonen. Jch wagte nicht einmal, mich der
aus dem Felle des Nilpferdes geſchnittenen Peitſche zu bedienen, welche bei den anderen Thieren ge-
wöhnlich vollkommen ausreichte; ich wagte es auch im Grunde nicht, weil mir die Peitſche nicht lang
genug erſchien und ich doch das Thier bis zu dem Käfig treiben mußte. Deshalb nahm ich einen
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[268/0332] Die Raubthiere. Katzen. — Leopard. befürchten. Man braucht blos das Geſicht eines Leoparden anzuſehen: die Falſchheit und Hinterliſt ſpricht ihm aus den Augen. Jn den Käſigen zeigen ſich die jung gefangenen Leoparden gutmüthig und geduldig. Sie empfangen gern Liebkoſungen von bekannten Perſonen, ſchnurren dabei wie die Katzen oder ſchmiegen ſich wohl auch in ſchlangenartigen Windungen an ihre Wärter an und reiben ſich an dem Käfig, was immer als ein Zeichen ihres Wohlbehagens anzuſehen iſt. Der Panther unſeres Thiergartens iſt ein überaus zahmes und gemüthliches Thier. Er ſpringt ſeinen Bekannten freudig entgegen, langt mit der Tatze nach ihnen, um ſie zu ſich heranzuziehen, läßt ſich ſtreicheln und lieb- koſen und leckt mit großer Zartheit die ihm gereichte Hand — ganz wie ein wohlerzogener Hund. Niemals denkt er daran, von ſeinen Klauen Gebrauch zu machen: ſeine gefährlichen Tatzen bleiben in der Hand ſeines Freundes immer weich und ſammtig. Daß Leoparden ebenſo zahm werden können, unterliegt keinem Zweifel. — Bei beſonders guter Laune ſpringt der Leopard in eigenthüm- lich künſtlichen Sätzen, welche gewöhnlich zwei durch einander geſchlungene Kreiſe bilden, unaufhörlich im Käfig auf und ab und zwar ſo ſchnell, daß das Auge ſeinen Biegungen kaum folgen kann. Mit Hunden gewöhnt er ſich bald zuſammen und gewinnt dieſelben auch ſo lieb, daß er mit ihnen ſpielt und ſelbſt die Nahrung mit ihnen theilt. Mit ſeines Gleichen verträgt er ſich recht gut; er hat ſich auch ſchon mehrere Male in Europa fortgepflanzt. Ganz anders, als im Käfig, zeigt ſich der Leopard, ſobald er nur einigermaßen Freiheit bekommt. Jch beſaß ein ſehr ſchönes, aber noch nicht ordentlich ausgewachſenes Männchen einige Zeit lang lebendig, konnte es aber niemals zu einem nur erträglichen Verhältniſſe zwiſchen mir und ihm bringen. Sobald ich mich dem Käfig näherte, drückte er mir durch Grinſen und Zähnefletſchen, wohl auch durch ein heiſeres Fauchen ſeine Unzufriedenheit aus, und wenn ich mich ihm nur einen Zoll weiter als gewöhnlich näherte, durfte ich ſicher darauf rechnen, daß er mit einer ſeiner Tatzen nach mir ſchlug, natürlich regelmäßig dann, wenn ich es mir am wenigſten verſah. Jch hatte ihn, wie alle die Raubthiere, welche ich bei mir führte, noch im Käfig an eine lange Kette feſſeln laſſen, und ſo durfte ich mir ſchon das Vergnügen machen, ihn zuweilen aus dem Käſig herauszulaſſen. Sobald er auf den Hof trat, begann er förmlich zu raſen, ſprang wie toll empor, dehnte ſich, zog Geſichter, fauchte und warf die wildeſten Blicke nach allen Seiten. Dabei ging er Jedem, welcher ſich ihm näherte, ſofort zu Leibe und geberdete ſich ſo ſprechend, daß wir wohl wußten, er würde uns nieder- reißen, wenn er uns erlangen könnte. Jemehr ich die Kette durch einen angebundenen Strick ver- längerte, um ſo toller wurden all ſeine Bewegungen, um ſo mehr ſteigerte ſich ſeine Wuth. Die ganze Wildheit des freilebenden Thieres, welche jetzt lange gewaltſam unterdrückt worden war, ſchien durchzubrechen, der Blutdurſt regte ſich und ſeine Augen drohten der ganzen übrigen Thiergeſellſchaft Tod und Verderben. Gurgelnd flogen die Affen an den Wänden, Stöcken und Säulen empor; ängſtlich meckerten die Ziegen; wie toll rannten die Strauße in ihrem Käfig auf und nieder; grollend blickte der Löwe auf den raſenden Roland. Dieſer verſuchte auf alle nur mögliche Weiſe freizukommen, und mehrmals wurde es uns angſt und bange bei dieſen Beobachtungsproben. Das Allerſchwierigſte war es, unſer Thier jedesmal wieder in ſeinen Käfig zurückzubringen. Aus freien Stücken ging er nicht hinein, und gezwungen konnte er kaum werden. Das Einfachſte wäre geweſen, ihn an dem Stricke, bezüglich der Kette, wieder in den Käfig zu ziehen; allein dieſer ſtand ſo, daß man in den Bereich ſeiner Sprünge hätte kommen müſſen, wenn man die Kette erreichen wollte. Drohungen vermochten gar Nichts über ihn; wenn wir ihm die Peitſche vorhielten, zeigte er uns dagegen ſeine Tatzen; wenn wir ihn anſchrien, fauchte er; wenn wir auf ihn losgingen, legte er ſich zum Sprunge zurecht. Es galt jetzt, ſeinen Trotz zu brechen, ohne ihn dabei zu mißhandeln; denn er war nicht mein Eigenthum und ich mußte ihn natürlich ſchonen. Jch wagte nicht einmal, mich der aus dem Felle des Nilpferdes geſchnittenen Peitſche zu bedienen, welche bei den anderen Thieren ge- wöhnlich vollkommen ausreichte; ich wagte es auch im Grunde nicht, weil mir die Peitſche nicht lang genug erſchien und ich doch das Thier bis zu dem Käfig treiben mußte. Deshalb nahm ich einen neuen Stallbeſen und befeſtigte dieſen an einer langen, dünnen Stange; damit bekam er ſeine Prügel:

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/332>, abgerufen am 22.11.2024.