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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Fortpflanzung. Gefangenleben.
veränderung eintritt. Hat aber der Nordwind mehrere Wochen geweht, dann kündigen die Jaguare
durch ihr oft halbe Nächte fortdauerndes Gebrüll den baldigen Eintritt des Südwindes an. Die
Paraguayer, welche bei Aenderung des Wetters viel an Gichtschmerzen leiden, glauben, daß Dies
auch bei dem Jaguar dasselbe sei und sein Geschrei durch ähnliche Schmerzen erpreßt werde."

"Treffen sich zur Begattungszeit mehrere Männchen bei einem Weibchen, so ensteht hier und da
ein Kampf zwischen ihnen, obwohl sich der schwächere Theil gewöhnlich von selbst zurückzieht. Die
Begattung geschieht unter fortwährendem eigenen Geschrei und wahrscheinlich nach längerem Sträuben
des Weibchens, indem man an der Stelle, wo sich zwei Jaguare begattet haben, immer das Gras
und das niedere Gebüsch einige hundert Fuß ins Gevierte theils zur Erde gedrückt, theils ausgerauft
findet. Die beiden Geschlechter bleiben nicht lange beisammen, höchstens vier bis fünf Wochen, und
trennen sich dann wieder. Während dieser Zeit sind sie für den Menschen sehr gefährlich. Obschon
sie nicht mit einander auf den Raub ausgehen, bleiben sie sich doch den ganzen Tag über nahe und
helfen sich in der Gefahr. So wurde einer der besten Jäger in Entrerios durch ein aus dem
Busche hervorspringendes Männchen zerrissen im Augenblicke, wo er am Saume des Waldes das
Weibchen niederstieß."

"Die Tragzeit des Jaguars kenne ich nicht bestimmt; jedoch nach der Begattungszeit und der
Zeit, in welcher man schon Junge findet, mag sie von 3 bis 31/2 Monate sein. Das Weibchen wirft
gewöhnlich zwei der Sage nach blinde Junge, selten drei, und zwar im undurchdringlichsten Dickicht
des Waldes oder in einer Grube unter einem halbentwurzelten Baume. Die Mutter entferut sich in
den ersten Tagen nie weit von ihren Jungen und schleppt sie, sobald sie dieselben nicht sicher glaubt,
im Maule in ein anderes Lager. Ueberhaupt scheint ihre Mutterliebe sehr groß zu sein, und sie ver-
theidigt die Jungen mit einer Art von Wuth und soll stundenweit den Räuber derselben brüllend
verfolgen. Nach ungefähr sechs Wochen wird sie schon von der jungen Brut auf ihren Streifereien
begleitet. Anfangs bleibt diese im Dickicht versteckt, während die Mutter jagt, später aber legt sie sich
in Gesellschaft mit ihr auf die Lauer. Sind die Jungen zu der Größe eines gewöhnlichen Hühner-
hundes herangewachsen, so werden sie von ihrer Mutter verlassen, bleiben aber oft noch einige Zeit
bei einander." --

Jn Paraguay und längs des Parana zieht man nicht selten junge Jaguare in Häusern auf.
Dazu müssen sie aber als Säuglinge eingefangen sein, sonst sind sie nicht mehr zu bändigen. Jn der
Färbung unterscheiden sich ganz junge Thiere von den alten; doch schon im siebenten Monate sind sie
denselben gleich. Rengger zog seine Jaguare mit Milch und gekochtem Fleisch auf. Pflanzenkost ver-
tragen sie nicht lange, rohes Fleisch aber macht sie bald bösartig. Sie spielen mit jungen Hunden
und Katzen, besonders gern aber mit hölzernen Kugeln. Jhre Bewegungen sind leicht und lebhaft.
Sie lernen ihren Wärter sehr gut kennen, suchen ihn sogar auf und bezeugen bei seinem Wiedersehen
ihre Freude. Jeder Gegenstand, welcher sich bewegt, zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sogleich
ducken sie sich nieder, bewegen ihren Schwanz und machen sich zum Sprunge fertig. Wenn sie Hunger
und Durst oder Langeweile haben, lassen sie einen eigenen miauenden Ton hören, doch blos, solange
sie noch jung sind; denn von den Alten vernimmt man ihn nicht mehr. Beim Fressen knurren sie,
besonders wenn sich Jemand ihnen nähert; Dies muß man aber auch nicht thun, um das Thier nicht
wild zu machen. Niemals hört man sie in der Gefangenschaft brüllen. An Wasser darf man sie nicht
Mangel leiden lassen. Zum Fressen legen sie sich nieder, halten mit beiden Tatzen das Fleisch, biegen
den Kopf auf die Seite, um auch die Backenzähne gebrauchen zu können, und kauen nach und nach
Stücken davon ab. Nicht starke Knochen fressen sie, von großen dagegen blos die Gelenke. Nach der
Mahlzeit legt sich der zahme Jaguar gern in den Schatten und schläft, und hat er sich satt gefressen,
so erzürnt er sich nicht so leicht, und man kann dann mit ihm spielen; auch Hausthiere und Haus-
geflügel, welches ihm sonst nicht nahen darf, kann dann unbeschadet an ihm vorbeigehen. Man hält
die gefangenen Jaguare niemals in einem Käfig, sondern blos an einem ledernen Seil im Haushofe
oder auch vor dem Hause unter einem Pomeranzenbaum. Nie fällt es ihnen ein, am Seile zu

Fortpflanzung. Gefangenleben.
veränderung eintritt. Hat aber der Nordwind mehrere Wochen geweht, dann kündigen die Jaguare
durch ihr oft halbe Nächte fortdauerndes Gebrüll den baldigen Eintritt des Südwindes an. Die
Paraguayer, welche bei Aenderung des Wetters viel an Gichtſchmerzen leiden, glauben, daß Dies
auch bei dem Jaguar daſſelbe ſei und ſein Geſchrei durch ähnliche Schmerzen erpreßt werde.‟

„Treffen ſich zur Begattungszeit mehrere Männchen bei einem Weibchen, ſo enſteht hier und da
ein Kampf zwiſchen ihnen, obwohl ſich der ſchwächere Theil gewöhnlich von ſelbſt zurückzieht. Die
Begattung geſchieht unter fortwährendem eigenen Geſchrei und wahrſcheinlich nach längerem Sträuben
des Weibchens, indem man an der Stelle, wo ſich zwei Jaguare begattet haben, immer das Gras
und das niedere Gebüſch einige hundert Fuß ins Gevierte theils zur Erde gedrückt, theils ausgerauft
findet. Die beiden Geſchlechter bleiben nicht lange beiſammen, höchſtens vier bis fünf Wochen, und
trennen ſich dann wieder. Während dieſer Zeit ſind ſie für den Menſchen ſehr gefährlich. Obſchon
ſie nicht mit einander auf den Raub ausgehen, bleiben ſie ſich doch den ganzen Tag über nahe und
helfen ſich in der Gefahr. So wurde einer der beſten Jäger in Entrerios durch ein aus dem
Buſche hervorſpringendes Männchen zerriſſen im Augenblicke, wo er am Saume des Waldes das
Weibchen niederſtieß.‟

„Die Tragzeit des Jaguars kenne ich nicht beſtimmt; jedoch nach der Begattungszeit und der
Zeit, in welcher man ſchon Junge findet, mag ſie von 3 bis 3½ Monate ſein. Das Weibchen wirft
gewöhnlich zwei der Sage nach blinde Junge, ſelten drei, und zwar im undurchdringlichſten Dickicht
des Waldes oder in einer Grube unter einem halbentwurzelten Baume. Die Mutter entferut ſich in
den erſten Tagen nie weit von ihren Jungen und ſchleppt ſie, ſobald ſie dieſelben nicht ſicher glaubt,
im Maule in ein anderes Lager. Ueberhaupt ſcheint ihre Mutterliebe ſehr groß zu ſein, und ſie ver-
theidigt die Jungen mit einer Art von Wuth und ſoll ſtundenweit den Räuber derſelben brüllend
verfolgen. Nach ungefähr ſechs Wochen wird ſie ſchon von der jungen Brut auf ihren Streifereien
begleitet. Anfangs bleibt dieſe im Dickicht verſteckt, während die Mutter jagt, ſpäter aber legt ſie ſich
in Geſellſchaft mit ihr auf die Lauer. Sind die Jungen zu der Größe eines gewöhnlichen Hühner-
hundes herangewachſen, ſo werden ſie von ihrer Mutter verlaſſen, bleiben aber oft noch einige Zeit
bei einander.‟ —

Jn Paraguay und längs des Parana zieht man nicht ſelten junge Jaguare in Häuſern auf.
Dazu müſſen ſie aber als Säuglinge eingefangen ſein, ſonſt ſind ſie nicht mehr zu bändigen. Jn der
Färbung unterſcheiden ſich ganz junge Thiere von den alten; doch ſchon im ſiebenten Monate ſind ſie
denſelben gleich. Rengger zog ſeine Jaguare mit Milch und gekochtem Fleiſch auf. Pflanzenkoſt ver-
tragen ſie nicht lange, rohes Fleiſch aber macht ſie bald bösartig. Sie ſpielen mit jungen Hunden
und Katzen, beſonders gern aber mit hölzernen Kugeln. Jhre Bewegungen ſind leicht und lebhaft.
Sie lernen ihren Wärter ſehr gut kennen, ſuchen ihn ſogar auf und bezeugen bei ſeinem Wiederſehen
ihre Freude. Jeder Gegenſtand, welcher ſich bewegt, zieht ihre Aufmerkſamkeit auf ſich. Sogleich
ducken ſie ſich nieder, bewegen ihren Schwanz und machen ſich zum Sprunge fertig. Wenn ſie Hunger
und Durſt oder Langeweile haben, laſſen ſie einen eigenen miauenden Ton hören, doch blos, ſolange
ſie noch jung ſind; denn von den Alten vernimmt man ihn nicht mehr. Beim Freſſen knurren ſie,
beſonders wenn ſich Jemand ihnen nähert; Dies muß man aber auch nicht thun, um das Thier nicht
wild zu machen. Niemals hört man ſie in der Gefangenſchaft brüllen. An Waſſer darf man ſie nicht
Mangel leiden laſſen. Zum Freſſen legen ſie ſich nieder, halten mit beiden Tatzen das Fleiſch, biegen
den Kopf auf die Seite, um auch die Backenzähne gebrauchen zu können, und kauen nach und nach
Stücken davon ab. Nicht ſtarke Knochen freſſen ſie, von großen dagegen blos die Gelenke. Nach der
Mahlzeit legt ſich der zahme Jaguar gern in den Schatten und ſchläft, und hat er ſich ſatt gefreſſen,
ſo erzürnt er ſich nicht ſo leicht, und man kann dann mit ihm ſpielen; auch Hausthiere und Haus-
geflügel, welches ihm ſonſt nicht nahen darf, kann dann unbeſchadet an ihm vorbeigehen. Man hält
die gefangenen Jaguare niemals in einem Käfig, ſondern blos an einem ledernen Seil im Haushofe
oder auch vor dem Hauſe unter einem Pomeranzenbaum. Nie fällt es ihnen ein, am Seile zu

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[245/0309] Fortpflanzung. Gefangenleben. veränderung eintritt. Hat aber der Nordwind mehrere Wochen geweht, dann kündigen die Jaguare durch ihr oft halbe Nächte fortdauerndes Gebrüll den baldigen Eintritt des Südwindes an. Die Paraguayer, welche bei Aenderung des Wetters viel an Gichtſchmerzen leiden, glauben, daß Dies auch bei dem Jaguar daſſelbe ſei und ſein Geſchrei durch ähnliche Schmerzen erpreßt werde.‟ „Treffen ſich zur Begattungszeit mehrere Männchen bei einem Weibchen, ſo enſteht hier und da ein Kampf zwiſchen ihnen, obwohl ſich der ſchwächere Theil gewöhnlich von ſelbſt zurückzieht. Die Begattung geſchieht unter fortwährendem eigenen Geſchrei und wahrſcheinlich nach längerem Sträuben des Weibchens, indem man an der Stelle, wo ſich zwei Jaguare begattet haben, immer das Gras und das niedere Gebüſch einige hundert Fuß ins Gevierte theils zur Erde gedrückt, theils ausgerauft findet. Die beiden Geſchlechter bleiben nicht lange beiſammen, höchſtens vier bis fünf Wochen, und trennen ſich dann wieder. Während dieſer Zeit ſind ſie für den Menſchen ſehr gefährlich. Obſchon ſie nicht mit einander auf den Raub ausgehen, bleiben ſie ſich doch den ganzen Tag über nahe und helfen ſich in der Gefahr. So wurde einer der beſten Jäger in Entrerios durch ein aus dem Buſche hervorſpringendes Männchen zerriſſen im Augenblicke, wo er am Saume des Waldes das Weibchen niederſtieß.‟ „Die Tragzeit des Jaguars kenne ich nicht beſtimmt; jedoch nach der Begattungszeit und der Zeit, in welcher man ſchon Junge findet, mag ſie von 3 bis 3½ Monate ſein. Das Weibchen wirft gewöhnlich zwei der Sage nach blinde Junge, ſelten drei, und zwar im undurchdringlichſten Dickicht des Waldes oder in einer Grube unter einem halbentwurzelten Baume. Die Mutter entferut ſich in den erſten Tagen nie weit von ihren Jungen und ſchleppt ſie, ſobald ſie dieſelben nicht ſicher glaubt, im Maule in ein anderes Lager. Ueberhaupt ſcheint ihre Mutterliebe ſehr groß zu ſein, und ſie ver- theidigt die Jungen mit einer Art von Wuth und ſoll ſtundenweit den Räuber derſelben brüllend verfolgen. Nach ungefähr ſechs Wochen wird ſie ſchon von der jungen Brut auf ihren Streifereien begleitet. Anfangs bleibt dieſe im Dickicht verſteckt, während die Mutter jagt, ſpäter aber legt ſie ſich in Geſellſchaft mit ihr auf die Lauer. Sind die Jungen zu der Größe eines gewöhnlichen Hühner- hundes herangewachſen, ſo werden ſie von ihrer Mutter verlaſſen, bleiben aber oft noch einige Zeit bei einander.‟ — Jn Paraguay und längs des Parana zieht man nicht ſelten junge Jaguare in Häuſern auf. Dazu müſſen ſie aber als Säuglinge eingefangen ſein, ſonſt ſind ſie nicht mehr zu bändigen. Jn der Färbung unterſcheiden ſich ganz junge Thiere von den alten; doch ſchon im ſiebenten Monate ſind ſie denſelben gleich. Rengger zog ſeine Jaguare mit Milch und gekochtem Fleiſch auf. Pflanzenkoſt ver- tragen ſie nicht lange, rohes Fleiſch aber macht ſie bald bösartig. Sie ſpielen mit jungen Hunden und Katzen, beſonders gern aber mit hölzernen Kugeln. Jhre Bewegungen ſind leicht und lebhaft. Sie lernen ihren Wärter ſehr gut kennen, ſuchen ihn ſogar auf und bezeugen bei ſeinem Wiederſehen ihre Freude. Jeder Gegenſtand, welcher ſich bewegt, zieht ihre Aufmerkſamkeit auf ſich. Sogleich ducken ſie ſich nieder, bewegen ihren Schwanz und machen ſich zum Sprunge fertig. Wenn ſie Hunger und Durſt oder Langeweile haben, laſſen ſie einen eigenen miauenden Ton hören, doch blos, ſolange ſie noch jung ſind; denn von den Alten vernimmt man ihn nicht mehr. Beim Freſſen knurren ſie, beſonders wenn ſich Jemand ihnen nähert; Dies muß man aber auch nicht thun, um das Thier nicht wild zu machen. Niemals hört man ſie in der Gefangenſchaft brüllen. An Waſſer darf man ſie nicht Mangel leiden laſſen. Zum Freſſen legen ſie ſich nieder, halten mit beiden Tatzen das Fleiſch, biegen den Kopf auf die Seite, um auch die Backenzähne gebrauchen zu können, und kauen nach und nach Stücken davon ab. Nicht ſtarke Knochen freſſen ſie, von großen dagegen blos die Gelenke. Nach der Mahlzeit legt ſich der zahme Jaguar gern in den Schatten und ſchläft, und hat er ſich ſatt gefreſſen, ſo erzürnt er ſich nicht ſo leicht, und man kann dann mit ihm ſpielen; auch Hausthiere und Haus- geflügel, welches ihm ſonſt nicht nahen darf, kann dann unbeſchadet an ihm vorbeigehen. Man hält die gefangenen Jaguare niemals in einem Käfig, ſondern blos an einem ledernen Seil im Haushofe oder auch vor dem Hauſe unter einem Pomeranzenbaum. Nie fällt es ihnen ein, am Seile zu

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/309>, abgerufen am 22.11.2024.