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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Jaguar.
an den Rand desselben zu setzen, so schwingt er sich an Bord und fällt über die Jäger her. "Jch
war," sagte Rengger, "im Jahre 1819 kurz nach meiner Ankunft in Assuncion Augenzeuge eines
zum Glück blos lächerlichen Auftritts bei einer solchen Jagd. Es kam ein Jaguar vom jenseitigen
Ufer des Stromes dahergeschwommen. Drei Schiffsleute, Ausländer, sprangen, trotz der Warnung
eines Paraguayers, mit einer geladenen Flinte in ihren Nachen und ruderten dem Thiere entgegen.
Jn einer Entfernung von fünf bis sechs Fuß feuerte der vorderste die Flinte auf den Jaguar ab und
verwundete ihn. Dieser aber ergriff, ehe sich's die Schiffer versahen, den Rand des Nachens und stieg
trotz aller Ruder- und Kolbenschläge an Bord. Nun blieb den Schiffsleuten Nichts übrig, als ins
Wasser zu springen und sich ans Land zu retten. Der Jaguar setzte sich im Kahn nieder und ließ sich
wohlgemuth stromabwärts treiben, bis er, von einigen anderen Jägern verfolgt, seinerseits ins Wasser
sprang und das nahe Ufer gewann."

"Das jährliche Anschwellen der Ströme und Flüsse," fährt Rengger fort, "vertreibt die Jaguare
von den Jnseln und den mit Wald bewachsenen Ufern, so daß sie sich zu dieser Zeit mehr den be-
wohnten Gegenden nähern und Schaden unter Menschen und Vieh anrichten. Sind die Ueber-
schwemmungen groß, so ist es nicht selten, einen Jaguar mitten in einer am hohen Ufer gelegenen
Stadt oder in einem Dorfe zu sehen. Jn Villa-Real wurde im Jahre 1819 einer getödtet, in der
Hauptstadt im Jahre 1820 ein anderer, zwei in Villa del Pilar; in Corrientes, Goya, Vajada
wird fast alle vier bis fünf Jahre einer erschossen. Als wir bei hohem Wasserstande im Jahre 1825
in St. Fe landeten, erzählte man uns, daß vor wenigen Tagen ein Franziskanermönch, als er eben
die Frühmesse lesen wollte, unter der Thür der Sakristei von einem Jaguar zerrissen worden sei. Es
geschieht übrigens nicht immer ein Unglück, wenn ein solches Raubthier sich in eine Stadt verirrt;
denn das Gebell der verfolgenden Hunde und der Zulauf von Menschen verwirren dasselbe so sehr,
daß es sich zu verbergen sucht."

Die Wunden, welche der Jaguar beibringt, sind immer höchst gefährlich, nicht nur ihrer Größe,
sondern auch ihrer Art wegen. Weder seine Zähne, noch seine Klanen sind sehr spitz und scharf, und
so muß bei jeder Wunde Quetschung und Zerreißung zugleich stattfinden. Von solchen Verwun-
dungen aber ist in jenen heißen Ländern und bei dem gänzlichen Mangel an ärztlicher Hilfe der Starr-
krampf die gewöhnliche Folge. Was für Wunden ein Jaguar durch einen einzigen Griff mit der Tatze
versetzen kann, mag man aus Folgendem sehen. Ein Jndianer jagt am Ufer des Stromes; er be-
gegnet einem Jaguar, wirft seine Lanze nach ihm, verfehlt ihn und stürzt sich dann kopfüber ins Wasser;
im Augenblicke des Sprunges aber hat ihm das Thier schon eine Tatze auf den Kopf gesetzt und
skalpirt ihm den ganzen obern Theil des Schädels, daß der Hautlappen in den Nacken herabhängt --
und doch besitzt der Jndianer noch Kraft genug, um über den breiten Strom zu schwimmen. Von
einer andern fürchterlichen Verwundung erzählt Schomburgk. Ein Neger war in Begleitung eines
Jndianers und drei seiner Hunde auf die Jagd gegangen. Da trieben die letzteren einen Jaguar aus
seinem Lager auf, jagten ihn auf einen halbentwurzelten Baum und verbellten ihn dort. Der Neger
nähert sich auf achtzehn Schritte, feuert ab, trifft aber nicht tödlich. Mit zwei Sprüngen hat ihn der
Jaguar erreicht und die Tatzen in seine Schultern geschlagen. Jn diesem grausigen Augenblicke
mochte der unglückliche Waidmann unwillkürlich in den Rachen des blutgierigen Raubthieres gefahren
sein; denn, als er wieder zur Besinnung kam, lag die röchelnde Katze und seine Hand neben ihm. Der
Jndianer war ihm zu Hilfe geeilt und hatte dem Jaguar sein langes Waidmesser durch das Herz ge-
stoßen, ohne jedoch verhindern zu können, daß dieser dem schon mit dem Tode kämpfenden Neger noch
das ganze Fleisch der Schultern herabriß.

Den größten Theil des Jahres lebt der Jaguar, nach Reuggers Beobachtungen, allein; in den
Monaten August und September aber, wo die Begattungszeit eintritt, suchen sich beide Geschlechter
auf. "Sie lassen dann öfter, als in jeder andern Jahreszeit, ihr Gebrüll ertönen, welches ein fünf-
bis sechsmal wiederholtes "Hu" ist und wohl eine halbe Stunde weit vernommen wird. Sonst ver-
gehen oft Tage, ohne daß man die Stimme eines Jaguars hört, besonders wenn keine Wetter-

Die Raubthiere. Katzen. — Jaguar.
an den Rand deſſelben zu ſetzen, ſo ſchwingt er ſich an Bord und fällt über die Jäger her. „Jch
war,‟ ſagte Rengger, „im Jahre 1819 kurz nach meiner Ankunft in Aſſuncion Augenzeuge eines
zum Glück blos lächerlichen Auftritts bei einer ſolchen Jagd. Es kam ein Jaguar vom jenſeitigen
Ufer des Stromes dahergeſchwommen. Drei Schiffsleute, Ausländer, ſprangen, trotz der Warnung
eines Paraguayers, mit einer geladenen Flinte in ihren Nachen und ruderten dem Thiere entgegen.
Jn einer Entfernung von fünf bis ſechs Fuß feuerte der vorderſte die Flinte auf den Jaguar ab und
verwundete ihn. Dieſer aber ergriff, ehe ſich’s die Schiffer verſahen, den Rand des Nachens und ſtieg
trotz aller Ruder- und Kolbenſchläge an Bord. Nun blieb den Schiffsleuten Nichts übrig, als ins
Waſſer zu ſpringen und ſich ans Land zu retten. Der Jaguar ſetzte ſich im Kahn nieder und ließ ſich
wohlgemuth ſtromabwärts treiben, bis er, von einigen anderen Jägern verfolgt, ſeinerſeits ins Waſſer
ſprang und das nahe Ufer gewann.‟

„Das jährliche Anſchwellen der Ströme und Flüſſe,‟ fährt Rengger fort, „vertreibt die Jaguare
von den Jnſeln und den mit Wald bewachſenen Ufern, ſo daß ſie ſich zu dieſer Zeit mehr den be-
wohnten Gegenden nähern und Schaden unter Menſchen und Vieh anrichten. Sind die Ueber-
ſchwemmungen groß, ſo iſt es nicht ſelten, einen Jaguar mitten in einer am hohen Ufer gelegenen
Stadt oder in einem Dorfe zu ſehen. Jn Villa-Real wurde im Jahre 1819 einer getödtet, in der
Hauptſtadt im Jahre 1820 ein anderer, zwei in Villa del Pilar; in Corrientes, Goya, Vajada
wird faſt alle vier bis fünf Jahre einer erſchoſſen. Als wir bei hohem Waſſerſtande im Jahre 1825
in St. Fe landeten, erzählte man uns, daß vor wenigen Tagen ein Franziskanermönch, als er eben
die Frühmeſſe leſen wollte, unter der Thür der Sakriſtei von einem Jaguar zerriſſen worden ſei. Es
geſchieht übrigens nicht immer ein Unglück, wenn ein ſolches Raubthier ſich in eine Stadt verirrt;
denn das Gebell der verfolgenden Hunde und der Zulauf von Menſchen verwirren daſſelbe ſo ſehr,
daß es ſich zu verbergen ſucht.‟

Die Wunden, welche der Jaguar beibringt, ſind immer höchſt gefährlich, nicht nur ihrer Größe,
ſondern auch ihrer Art wegen. Weder ſeine Zähne, noch ſeine Klanen ſind ſehr ſpitz und ſcharf, und
ſo muß bei jeder Wunde Quetſchung und Zerreißung zugleich ſtattfinden. Von ſolchen Verwun-
dungen aber iſt in jenen heißen Ländern und bei dem gänzlichen Mangel an ärztlicher Hilfe der Starr-
krampf die gewöhnliche Folge. Was für Wunden ein Jaguar durch einen einzigen Griff mit der Tatze
verſetzen kann, mag man aus Folgendem ſehen. Ein Jndianer jagt am Ufer des Stromes; er be-
gegnet einem Jaguar, wirft ſeine Lanze nach ihm, verfehlt ihn und ſtürzt ſich dann kopfüber ins Waſſer;
im Augenblicke des Sprunges aber hat ihm das Thier ſchon eine Tatze auf den Kopf geſetzt und
ſkalpirt ihm den ganzen obern Theil des Schädels, daß der Hautlappen in den Nacken herabhängt —
und doch beſitzt der Jndianer noch Kraft genug, um über den breiten Strom zu ſchwimmen. Von
einer andern fürchterlichen Verwundung erzählt Schomburgk. Ein Neger war in Begleitung eines
Jndianers und drei ſeiner Hunde auf die Jagd gegangen. Da trieben die letzteren einen Jaguar aus
ſeinem Lager auf, jagten ihn auf einen halbentwurzelten Baum und verbellten ihn dort. Der Neger
nähert ſich auf achtzehn Schritte, feuert ab, trifft aber nicht tödlich. Mit zwei Sprüngen hat ihn der
Jaguar erreicht und die Tatzen in ſeine Schultern geſchlagen. Jn dieſem grauſigen Augenblicke
mochte der unglückliche Waidmann unwillkürlich in den Rachen des blutgierigen Raubthieres gefahren
ſein; denn, als er wieder zur Beſinnung kam, lag die röchelnde Katze und ſeine Hand neben ihm. Der
Jndianer war ihm zu Hilfe geeilt und hatte dem Jaguar ſein langes Waidmeſſer durch das Herz ge-
ſtoßen, ohne jedoch verhindern zu können, daß dieſer dem ſchon mit dem Tode kämpfenden Neger noch
das ganze Fleiſch der Schultern herabriß.

Den größten Theil des Jahres lebt der Jaguar, nach Reuggers Beobachtungen, allein; in den
Monaten Auguſt und September aber, wo die Begattungszeit eintritt, ſuchen ſich beide Geſchlechter
auf. „Sie laſſen dann öfter, als in jeder andern Jahreszeit, ihr Gebrüll ertönen, welches ein fünf-
bis ſechsmal wiederholtes „Hu‟ iſt und wohl eine halbe Stunde weit vernommen wird. Sonſt ver-
gehen oft Tage, ohne daß man die Stimme eines Jaguars hört, beſonders wenn keine Wetter-

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[244/0308] Die Raubthiere. Katzen. — Jaguar. an den Rand deſſelben zu ſetzen, ſo ſchwingt er ſich an Bord und fällt über die Jäger her. „Jch war,‟ ſagte Rengger, „im Jahre 1819 kurz nach meiner Ankunft in Aſſuncion Augenzeuge eines zum Glück blos lächerlichen Auftritts bei einer ſolchen Jagd. Es kam ein Jaguar vom jenſeitigen Ufer des Stromes dahergeſchwommen. Drei Schiffsleute, Ausländer, ſprangen, trotz der Warnung eines Paraguayers, mit einer geladenen Flinte in ihren Nachen und ruderten dem Thiere entgegen. Jn einer Entfernung von fünf bis ſechs Fuß feuerte der vorderſte die Flinte auf den Jaguar ab und verwundete ihn. Dieſer aber ergriff, ehe ſich’s die Schiffer verſahen, den Rand des Nachens und ſtieg trotz aller Ruder- und Kolbenſchläge an Bord. Nun blieb den Schiffsleuten Nichts übrig, als ins Waſſer zu ſpringen und ſich ans Land zu retten. Der Jaguar ſetzte ſich im Kahn nieder und ließ ſich wohlgemuth ſtromabwärts treiben, bis er, von einigen anderen Jägern verfolgt, ſeinerſeits ins Waſſer ſprang und das nahe Ufer gewann.‟ „Das jährliche Anſchwellen der Ströme und Flüſſe,‟ fährt Rengger fort, „vertreibt die Jaguare von den Jnſeln und den mit Wald bewachſenen Ufern, ſo daß ſie ſich zu dieſer Zeit mehr den be- wohnten Gegenden nähern und Schaden unter Menſchen und Vieh anrichten. Sind die Ueber- ſchwemmungen groß, ſo iſt es nicht ſelten, einen Jaguar mitten in einer am hohen Ufer gelegenen Stadt oder in einem Dorfe zu ſehen. Jn Villa-Real wurde im Jahre 1819 einer getödtet, in der Hauptſtadt im Jahre 1820 ein anderer, zwei in Villa del Pilar; in Corrientes, Goya, Vajada wird faſt alle vier bis fünf Jahre einer erſchoſſen. Als wir bei hohem Waſſerſtande im Jahre 1825 in St. Fe landeten, erzählte man uns, daß vor wenigen Tagen ein Franziskanermönch, als er eben die Frühmeſſe leſen wollte, unter der Thür der Sakriſtei von einem Jaguar zerriſſen worden ſei. Es geſchieht übrigens nicht immer ein Unglück, wenn ein ſolches Raubthier ſich in eine Stadt verirrt; denn das Gebell der verfolgenden Hunde und der Zulauf von Menſchen verwirren daſſelbe ſo ſehr, daß es ſich zu verbergen ſucht.‟ Die Wunden, welche der Jaguar beibringt, ſind immer höchſt gefährlich, nicht nur ihrer Größe, ſondern auch ihrer Art wegen. Weder ſeine Zähne, noch ſeine Klanen ſind ſehr ſpitz und ſcharf, und ſo muß bei jeder Wunde Quetſchung und Zerreißung zugleich ſtattfinden. Von ſolchen Verwun- dungen aber iſt in jenen heißen Ländern und bei dem gänzlichen Mangel an ärztlicher Hilfe der Starr- krampf die gewöhnliche Folge. Was für Wunden ein Jaguar durch einen einzigen Griff mit der Tatze verſetzen kann, mag man aus Folgendem ſehen. Ein Jndianer jagt am Ufer des Stromes; er be- gegnet einem Jaguar, wirft ſeine Lanze nach ihm, verfehlt ihn und ſtürzt ſich dann kopfüber ins Waſſer; im Augenblicke des Sprunges aber hat ihm das Thier ſchon eine Tatze auf den Kopf geſetzt und ſkalpirt ihm den ganzen obern Theil des Schädels, daß der Hautlappen in den Nacken herabhängt — und doch beſitzt der Jndianer noch Kraft genug, um über den breiten Strom zu ſchwimmen. Von einer andern fürchterlichen Verwundung erzählt Schomburgk. Ein Neger war in Begleitung eines Jndianers und drei ſeiner Hunde auf die Jagd gegangen. Da trieben die letzteren einen Jaguar aus ſeinem Lager auf, jagten ihn auf einen halbentwurzelten Baum und verbellten ihn dort. Der Neger nähert ſich auf achtzehn Schritte, feuert ab, trifft aber nicht tödlich. Mit zwei Sprüngen hat ihn der Jaguar erreicht und die Tatzen in ſeine Schultern geſchlagen. Jn dieſem grauſigen Augenblicke mochte der unglückliche Waidmann unwillkürlich in den Rachen des blutgierigen Raubthieres gefahren ſein; denn, als er wieder zur Beſinnung kam, lag die röchelnde Katze und ſeine Hand neben ihm. Der Jndianer war ihm zu Hilfe geeilt und hatte dem Jaguar ſein langes Waidmeſſer durch das Herz ge- ſtoßen, ohne jedoch verhindern zu können, daß dieſer dem ſchon mit dem Tode kämpfenden Neger noch das ganze Fleiſch der Schultern herabriß. Den größten Theil des Jahres lebt der Jaguar, nach Reuggers Beobachtungen, allein; in den Monaten Auguſt und September aber, wo die Begattungszeit eintritt, ſuchen ſich beide Geſchlechter auf. „Sie laſſen dann öfter, als in jeder andern Jahreszeit, ihr Gebrüll ertönen, welches ein fünf- bis ſechsmal wiederholtes „Hu‟ iſt und wohl eine halbe Stunde weit vernommen wird. Sonſt ver- gehen oft Tage, ohne daß man die Stimme eines Jaguars hört, beſonders wenn keine Wetter-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/308>, abgerufen am 21.05.2024.