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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Jagdweise des Jaguar. Bettler an seiner Tafel.
oder an das Gehörn setze, mit der andern die Spitze der Schnauze packe und den Kopf jetzt so schnell
herumdrehe, daß er dem Thiere in einem Augenblicke das Genick breche. Rengger hat Dies nie be-
obachtet und auch bei todten Thieren keine Spur davon auffinden können. "Jm Gegentheil habe ich
immer bemerkt," fährt er fort, "daß der Jaguar seiner Beute, wenn sie in einem großen Thiere besteht,
den Hals aufreißt oder, wenn sie nur ein kleines Thier ist, durch einen Biß im Nacken tödtet. Stiere
und Ochsen greift er selten und nur in der Noth an; sie gehen muthvoll auf ihn los und verscheuchen
ihn. Jn Paraguay hört man zuweilen sonderbare Erzählungen von solchen Kämpfen, und mehrmals
sollen Menschen durch den Muth eines Stieres gerettet worden sein. Die Kühe sogar vertheidigen ihr
Junges mit Vortheil gegen den schlimmen Feind, werden aber dabei immer schwer verwundet. Daß
sie bei dessen Annäherung sich in einen Kreis stellten und die Jungen in die Mitte nähmen, wie hier
und da erzählt wird, ist ein Märchen; die ganze Herde zieht sich im Gegentheil sogleich ins offene Feld
zurück, wenn ihr ein Jaguar naht, und blos die Stiere und Ochsen bleiben unter Gebrüll, mit ihren
Hörnern und Füßen die Erde aufwerfend, kampflustig in der Nähe des Feindes. Pferde und Maulesel
werden ihm zur leichten Beute, wenn sie sich den Wäldern nähern. Die ersteren suchen sich noch hier
und da durch die Flucht zu retten, die Maulesel aber werden durch den blosen Anblick des Thieres so
geschreckt, daß sie ohne Bewegung bleiben oder gar zu Boden stürzen, ehe sie noch angefallen werden.
Dagegen haben sie einen weit feinern Geruch, als die Pferde, wittern den Feind bei günstigem Wetter
von weitem und setzen sich somit weniger der Gefahr aus. Blos Hengste sollen sich durch Beißen
und Schlagen gegen den Jaguar vertheidigen, wenn sie nicht schon durch den ersten Sprung zu Boden
geworfen werden."

Der Jaguar erhascht seine Beute ebensowohl im Wasser, wie auf dem Lande. Man hat viel
gefabelt über die Art und Weise, wie er sich Fische zu verschaffen weiß. So soll er z. B. diese Thiere
durch den Schaum seines Speichels oder, indem er mit seinem Schwanze auf die Oberfläche des
Wassers schlägt, an sich heranlocken. "Ein verständiger Jäger aber," sagt Rengger, "dem ich manche
gute Beobachtungen und manchen guten Rath für meine Reisen verdanke, belehrte mich eines Bessern,
und eigne Beobachtungen bestätigten mir später die Wahrheit seiner Aussage. Als ich an einem
schwülen Sommerabend von der Entenjagd in meinem Nachen nach Hause fuhr, bemerkte mein Be-
gleiter, ein Jndianer, am Ufer des Stromes einen Jaguar. Wir näherten uns demselben und ver-
steckten uns hinter die überhängenden Weidenbäume, um sein Treiben zu beobachten. Zusammen-
gekauert saß er an einem Vorsprunge des Ufers, wo das Wasser einen etwas schnellern Lauf hatte,
dem gewöhnlichen Aufenthalt eines Raubfisches, welcher im Lande "Dorado" heißt. Unverwandt
richtete er seinen Blick aufs Wasser, indem er sich hin und wieder vorwärts bog, wie wenn er in die
Tiefe spähen wollte. Etwa nach einer Viertelstunde sah ich ihn plötzlich mit der Pfote einen Schlag
ins Wasser geben und einen großen Fisch ans Land werfen. Er fischt also ganz auf gleiche Art, wie
die Hauskatze."

Hat der Jaguar ein kleines Thier erlegt, so zehrt er dasselbe mit Haut und Knochen sogleich auf;
von großer Beute aber, wie von Pferden, Rindern und dergl. frißt er blos einen Theil, ohne Vor-
liebe für dieses oder jenes Stück des Körpers zu zeigen; nur die Eingeweide berührt er alsdann nicht.
Nach der Mahlzeit zieht er sich in den Wald zurück, entfernt sich aber in der Regel nicht weiter, als
eine Viertelstunde von der Stelle, wo er fraß, und überläßt sich dann dem Schlafe. Des Abends
oder des andern Morgens kehrt er zu seiner Beute zurück, zehrt zum zweiten Male davon und über-
läßt dann den Rest den Geiern. Diese machen ihm, wie Humboldt beobachtete, auch schon während
seiner Mahlzeiten seine Beute streitig. "Unweit San Fernando," berichtet dieser ausgezeichnete
Reisende, "sahen wir den größten Jaguar, der uns auf unserer ganzen Reise vorkam. Das Thier
lag im Schatten hingestreckt und stützte eine seiner Tatzen auf ein eben erlegtes Wasserschwein.
Eine Menge Geier hatten sich um diesen amerikanischen Thierkönig versammelt, um, wenn derselbe
Etwas von seiner Mahlzeit übrig ließe, solches zu verzehren. Sie näherten sich dem Jaguar wohl
bis auf zwei Fuß; aber die mindeste Bewegung desselben schreckte sie stets wieder zurück. Das

Brehm. Thierleben. 16

Jagdweiſe des Jaguar. Bettler an ſeiner Tafel.
oder an das Gehörn ſetze, mit der andern die Spitze der Schnauze packe und den Kopf jetzt ſo ſchnell
herumdrehe, daß er dem Thiere in einem Augenblicke das Genick breche. Rengger hat Dies nie be-
obachtet und auch bei todten Thieren keine Spur davon auffinden können. „Jm Gegentheil habe ich
immer bemerkt,‟ fährt er fort, „daß der Jaguar ſeiner Beute, wenn ſie in einem großen Thiere beſteht,
den Hals aufreißt oder, wenn ſie nur ein kleines Thier iſt, durch einen Biß im Nacken tödtet. Stiere
und Ochſen greift er ſelten und nur in der Noth an; ſie gehen muthvoll auf ihn los und verſcheuchen
ihn. Jn Paraguay hört man zuweilen ſonderbare Erzählungen von ſolchen Kämpfen, und mehrmals
ſollen Menſchen durch den Muth eines Stieres gerettet worden ſein. Die Kühe ſogar vertheidigen ihr
Junges mit Vortheil gegen den ſchlimmen Feind, werden aber dabei immer ſchwer verwundet. Daß
ſie bei deſſen Annäherung ſich in einen Kreis ſtellten und die Jungen in die Mitte nähmen, wie hier
und da erzählt wird, iſt ein Märchen; die ganze Herde zieht ſich im Gegentheil ſogleich ins offene Feld
zurück, wenn ihr ein Jaguar naht, und blos die Stiere und Ochſen bleiben unter Gebrüll, mit ihren
Hörnern und Füßen die Erde aufwerfend, kampfluſtig in der Nähe des Feindes. Pferde und Mauleſel
werden ihm zur leichten Beute, wenn ſie ſich den Wäldern nähern. Die erſteren ſuchen ſich noch hier
und da durch die Flucht zu retten, die Mauleſel aber werden durch den bloſen Anblick des Thieres ſo
geſchreckt, daß ſie ohne Bewegung bleiben oder gar zu Boden ſtürzen, ehe ſie noch angefallen werden.
Dagegen haben ſie einen weit feinern Geruch, als die Pferde, wittern den Feind bei günſtigem Wetter
von weitem und ſetzen ſich ſomit weniger der Gefahr aus. Blos Hengſte ſollen ſich durch Beißen
und Schlagen gegen den Jaguar vertheidigen, wenn ſie nicht ſchon durch den erſten Sprung zu Boden
geworfen werden.‟

Der Jaguar erhaſcht ſeine Beute ebenſowohl im Waſſer, wie auf dem Lande. Man hat viel
gefabelt über die Art und Weiſe, wie er ſich Fiſche zu verſchaffen weiß. So ſoll er z. B. dieſe Thiere
durch den Schaum ſeines Speichels oder, indem er mit ſeinem Schwanze auf die Oberfläche des
Waſſers ſchlägt, an ſich heranlocken. „Ein verſtändiger Jäger aber,‟ ſagt Rengger, „dem ich manche
gute Beobachtungen und manchen guten Rath für meine Reiſen verdanke, belehrte mich eines Beſſern,
und eigne Beobachtungen beſtätigten mir ſpäter die Wahrheit ſeiner Ausſage. Als ich an einem
ſchwülen Sommerabend von der Entenjagd in meinem Nachen nach Hauſe fuhr, bemerkte mein Be-
gleiter, ein Jndianer, am Ufer des Stromes einen Jaguar. Wir näherten uns demſelben und ver-
ſteckten uns hinter die überhängenden Weidenbäume, um ſein Treiben zu beobachten. Zuſammen-
gekauert ſaß er an einem Vorſprunge des Ufers, wo das Waſſer einen etwas ſchnellern Lauf hatte,
dem gewöhnlichen Aufenthalt eines Raubfiſches, welcher im Lande „Dorado‟ heißt. Unverwandt
richtete er ſeinen Blick aufs Waſſer, indem er ſich hin und wieder vorwärts bog, wie wenn er in die
Tiefe ſpähen wollte. Etwa nach einer Viertelſtunde ſah ich ihn plötzlich mit der Pfote einen Schlag
ins Waſſer geben und einen großen Fiſch ans Land werfen. Er fiſcht alſo ganz auf gleiche Art, wie
die Hauskatze.‟

Hat der Jaguar ein kleines Thier erlegt, ſo zehrt er daſſelbe mit Haut und Knochen ſogleich auf;
von großer Beute aber, wie von Pferden, Rindern und dergl. frißt er blos einen Theil, ohne Vor-
liebe für dieſes oder jenes Stück des Körpers zu zeigen; nur die Eingeweide berührt er alsdann nicht.
Nach der Mahlzeit zieht er ſich in den Wald zurück, entfernt ſich aber in der Regel nicht weiter, als
eine Viertelſtunde von der Stelle, wo er fraß, und überläßt ſich dann dem Schlafe. Des Abends
oder des andern Morgens kehrt er zu ſeiner Beute zurück, zehrt zum zweiten Male davon und über-
läßt dann den Reſt den Geiern. Dieſe machen ihm, wie Humboldt beobachtete, auch ſchon während
ſeiner Mahlzeiten ſeine Beute ſtreitig. „Unweit San Fernando,‟ berichtet dieſer ausgezeichnete
Reiſende, „ſahen wir den größten Jaguar, der uns auf unſerer ganzen Reiſe vorkam. Das Thier
lag im Schatten hingeſtreckt und ſtützte eine ſeiner Tatzen auf ein eben erlegtes Waſſerſchwein.
Eine Menge Geier hatten ſich um dieſen amerikaniſchen Thierkönig verſammelt, um, wenn derſelbe
Etwas von ſeiner Mahlzeit übrig ließe, ſolches zu verzehren. Sie näherten ſich dem Jaguar wohl
bis auf zwei Fuß; aber die mindeſte Bewegung deſſelben ſchreckte ſie ſtets wieder zurück. Das

Brehm. Thierleben. 16
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[241/0305] Jagdweiſe des Jaguar. Bettler an ſeiner Tafel. oder an das Gehörn ſetze, mit der andern die Spitze der Schnauze packe und den Kopf jetzt ſo ſchnell herumdrehe, daß er dem Thiere in einem Augenblicke das Genick breche. Rengger hat Dies nie be- obachtet und auch bei todten Thieren keine Spur davon auffinden können. „Jm Gegentheil habe ich immer bemerkt,‟ fährt er fort, „daß der Jaguar ſeiner Beute, wenn ſie in einem großen Thiere beſteht, den Hals aufreißt oder, wenn ſie nur ein kleines Thier iſt, durch einen Biß im Nacken tödtet. Stiere und Ochſen greift er ſelten und nur in der Noth an; ſie gehen muthvoll auf ihn los und verſcheuchen ihn. Jn Paraguay hört man zuweilen ſonderbare Erzählungen von ſolchen Kämpfen, und mehrmals ſollen Menſchen durch den Muth eines Stieres gerettet worden ſein. Die Kühe ſogar vertheidigen ihr Junges mit Vortheil gegen den ſchlimmen Feind, werden aber dabei immer ſchwer verwundet. Daß ſie bei deſſen Annäherung ſich in einen Kreis ſtellten und die Jungen in die Mitte nähmen, wie hier und da erzählt wird, iſt ein Märchen; die ganze Herde zieht ſich im Gegentheil ſogleich ins offene Feld zurück, wenn ihr ein Jaguar naht, und blos die Stiere und Ochſen bleiben unter Gebrüll, mit ihren Hörnern und Füßen die Erde aufwerfend, kampfluſtig in der Nähe des Feindes. Pferde und Mauleſel werden ihm zur leichten Beute, wenn ſie ſich den Wäldern nähern. Die erſteren ſuchen ſich noch hier und da durch die Flucht zu retten, die Mauleſel aber werden durch den bloſen Anblick des Thieres ſo geſchreckt, daß ſie ohne Bewegung bleiben oder gar zu Boden ſtürzen, ehe ſie noch angefallen werden. Dagegen haben ſie einen weit feinern Geruch, als die Pferde, wittern den Feind bei günſtigem Wetter von weitem und ſetzen ſich ſomit weniger der Gefahr aus. Blos Hengſte ſollen ſich durch Beißen und Schlagen gegen den Jaguar vertheidigen, wenn ſie nicht ſchon durch den erſten Sprung zu Boden geworfen werden.‟ Der Jaguar erhaſcht ſeine Beute ebenſowohl im Waſſer, wie auf dem Lande. Man hat viel gefabelt über die Art und Weiſe, wie er ſich Fiſche zu verſchaffen weiß. So ſoll er z. B. dieſe Thiere durch den Schaum ſeines Speichels oder, indem er mit ſeinem Schwanze auf die Oberfläche des Waſſers ſchlägt, an ſich heranlocken. „Ein verſtändiger Jäger aber,‟ ſagt Rengger, „dem ich manche gute Beobachtungen und manchen guten Rath für meine Reiſen verdanke, belehrte mich eines Beſſern, und eigne Beobachtungen beſtätigten mir ſpäter die Wahrheit ſeiner Ausſage. Als ich an einem ſchwülen Sommerabend von der Entenjagd in meinem Nachen nach Hauſe fuhr, bemerkte mein Be- gleiter, ein Jndianer, am Ufer des Stromes einen Jaguar. Wir näherten uns demſelben und ver- ſteckten uns hinter die überhängenden Weidenbäume, um ſein Treiben zu beobachten. Zuſammen- gekauert ſaß er an einem Vorſprunge des Ufers, wo das Waſſer einen etwas ſchnellern Lauf hatte, dem gewöhnlichen Aufenthalt eines Raubfiſches, welcher im Lande „Dorado‟ heißt. Unverwandt richtete er ſeinen Blick aufs Waſſer, indem er ſich hin und wieder vorwärts bog, wie wenn er in die Tiefe ſpähen wollte. Etwa nach einer Viertelſtunde ſah ich ihn plötzlich mit der Pfote einen Schlag ins Waſſer geben und einen großen Fiſch ans Land werfen. Er fiſcht alſo ganz auf gleiche Art, wie die Hauskatze.‟ Hat der Jaguar ein kleines Thier erlegt, ſo zehrt er daſſelbe mit Haut und Knochen ſogleich auf; von großer Beute aber, wie von Pferden, Rindern und dergl. frißt er blos einen Theil, ohne Vor- liebe für dieſes oder jenes Stück des Körpers zu zeigen; nur die Eingeweide berührt er alsdann nicht. Nach der Mahlzeit zieht er ſich in den Wald zurück, entfernt ſich aber in der Regel nicht weiter, als eine Viertelſtunde von der Stelle, wo er fraß, und überläßt ſich dann dem Schlafe. Des Abends oder des andern Morgens kehrt er zu ſeiner Beute zurück, zehrt zum zweiten Male davon und über- läßt dann den Reſt den Geiern. Dieſe machen ihm, wie Humboldt beobachtete, auch ſchon während ſeiner Mahlzeiten ſeine Beute ſtreitig. „Unweit San Fernando,‟ berichtet dieſer ausgezeichnete Reiſende, „ſahen wir den größten Jaguar, der uns auf unſerer ganzen Reiſe vorkam. Das Thier lag im Schatten hingeſtreckt und ſtützte eine ſeiner Tatzen auf ein eben erlegtes Waſſerſchwein. Eine Menge Geier hatten ſich um dieſen amerikaniſchen Thierkönig verſammelt, um, wenn derſelbe Etwas von ſeiner Mahlzeit übrig ließe, ſolches zu verzehren. Sie näherten ſich dem Jaguar wohl bis auf zwei Fuß; aber die mindeſte Bewegung deſſelben ſchreckte ſie ſtets wieder zurück. Das Brehm. Thierleben. 16

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/305>, abgerufen am 17.05.2024.