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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Jaguar.
Flucht oder Gegenwehr denkt; gelingt es aber dem Alligator, den Feind im Wasser, seinem eigentlichen
Elemente, zu überfallen, so ist er im Vortheile; gewöhnlich glückt es ihm dann, den Jaguar zu ersäufen,
worauf er ihn frißt. Der Jaguar, seine Ohnmacht im Wasser wohl erkennend, erhebt, wenn er durch
einen Fluß schwimmen will, zuvor am Ufer ein fürchterliches Geheul, um die etwa in der Nähe be-
findlichen Alligatoren zu verscheuchen." Man braucht eben nicht Naturforscher zu sein, um die Abge-
schmacktheit solcher Erzählungen zu erkennen und sie ohne weiteres zu widerlegen. Daß die Unze
übrigens Lurche verzehrt, ist nach den Beobachtungen Humboldts und des Prinzen von Wied nicht
in Zweifel zu ziehen. "Der Jaguar," sagt Ersterer, "der grausamste Feind der Arrua-Schild-
kröte,
folgt dieser an die Gestade, wo sie ihre Eier legt. Er überfällt sie auf dem Sande und, um sie
desto bequemer verzehren zu können, wendet er dieselbe um. Die Schildkröte kann sich nicht wieder
aufrichten, und weil der Jaguar ungleich mehr derselben mordet, als er in einer Nacht frißt, so be-
nutzen die Jndianer öfters seine List zu ihrem Vortheil. Man kann übrigens die Gewandtheit der
Pfote des Tigers nicht genug bewundern, die den gedoppelten Panzer der Schildkröte ausleert, als
wären die Muskularbande mit einem chirurgischen Jnstrumente gelöst worden." "Die rein ausge-
leerten Panzer der Waldschildkröte findet man," so erzählt der Prinz von Wied, "häufig in den
großen Wäldern, und die brasilianischen Jäger wenigstens behaupten, daß es die Unze gethan habe.
-- Oefters waren diese Schalen der Schildkröte ausgeleert, wahrscheinlich mit den Klauen, und dabei
übrigens nicht beschädigt, öfters aber ein Theil des Panzers weggebissen."

"Für einen geübten Jäger," sagt Rengger, "ist es nichts Seltenes, den Jaguar auf seinen Jagden
beobachten zu können, besonders längs der Ströme. Man sieht ihn dann langsam und leisen Schrittes
nach dem Ufer heranschleichen, wo er von Zeit zu Zeit den größeren Halbhufern oder Meer-
schweinchen
und den Fischottern nachstellt. Von Zeit zu Zeit bleibt er wie horchend stehen und
sieht aufmerksam um sich; niemals aber konnte ich bemerken, daß er, durch den Geruch geleitet, mit zur
Erde gestreckte Nase die Spur eines Wildes verfolgt hätte. Hat er z. B. ein Meerschweinchen bemerkt,
so ist es unglaublich, mit welcher Geduld und Umsicht er sich demselben zu nähern sucht. Wie eine
Schlange windet er sich auf dem Boden hin, hält sich dann wieder Minuten lang ruhig, um die
Stelle seines Opfers zu beobachten, und macht oft weite Umwege, um derselben von einer andern
Seite, wo er weniger bemerkt werden kann, beizukommen. Jst es ihm gelungen, sich ungesehen dem
Wilde zu nähern, so pringt er in einem, selten in zwei Sätzen auf dasselbe hin, drückt es zu Boden,
reißt ihm den Hals auf und trägt das noch im Todeskampfe sich sträubende Thier im Munde in das
Dickicht. Oefters aber verräth ihn das Knistern der unter seinem Gewichte brechenden dürren Reiser,
ein Geräusch, auf welches auch die Fischer achten, wenn sie Abends am Ufer des Stromes ihr Nacht-
lager aufschlagen, oder die Meerschweinchen wittern ihn schon von ferne und stürzen sich mit einem
lauten Schrei ins Wasser. Man will aber schon Jaguare gesehen haben, welche hinter den Thieren
her ins Wasser sprangen und sie im Augenblicke des Untertauchens erhaschten. Hat er seinen
Sprung auf das Wild verfehlt, so geht er sogleich und wie beschämt schnellen Schrittes weiter, ohne
sich nur umzusehen. Jm Augenblicke, wo er ein Thier beschleicht, ist seine Aufmerksamkeit sosehr auf
dasselbe gerichtet, daß er nicht achtet, was um ihn her vorgeht und sogar starkes Geräusch nicht wahr-
nimmt. Kann er sich dem Wilde nicht nähern, ohne bemerkt zu werden, so legt er sich im Gebüsch
auf die Lauer. Seine Stellung ist alsdann die einer Katze, welche auf eine Maus paßt, niedergeduckt,
doch zum Sprunge fertig, das Auge unverwandt nach dem Gegenstande seiner Raubgier gerichtet und
nur den ausgestreckten Schwanz hin und wieder bewegend. Aber nicht immer geht der Jaguar dem
Wilde nach, oft versteckt er sich blos in das Röhricht der Sümpfe und am Ufer kleinerer Bäche und
erwartet hier ruhig die zur Tränke gehenden Thiere. Auf Bäumen lauert er niemals, obgleich er
sehr gut klettert."

Jn Viehherden richten die Jaguare oft bedeutenden Schaden an. Sie stellen besonders dem
jungen Hornvieh, den Pferden und Mauleseln nach. Azara behauptet, daß er diese Thiere in ganz
außergewöhnlicher Weise tödte, indem er auf den Hals seiner Beute springe, eine Klaue in den Nacken

Die Raubthiere. Katzen. — Jaguar.
Flucht oder Gegenwehr denkt; gelingt es aber dem Alligator, den Feind im Waſſer, ſeinem eigentlichen
Elemente, zu überfallen, ſo iſt er im Vortheile; gewöhnlich glückt es ihm dann, den Jaguar zu erſäufen,
worauf er ihn frißt. Der Jaguar, ſeine Ohnmacht im Waſſer wohl erkennend, erhebt, wenn er durch
einen Fluß ſchwimmen will, zuvor am Ufer ein fürchterliches Geheul, um die etwa in der Nähe be-
findlichen Alligatoren zu verſcheuchen.‟ Man braucht eben nicht Naturforſcher zu ſein, um die Abge-
ſchmacktheit ſolcher Erzählungen zu erkennen und ſie ohne weiteres zu widerlegen. Daß die Unze
übrigens Lurche verzehrt, iſt nach den Beobachtungen Humboldts und des Prinzen von Wied nicht
in Zweifel zu ziehen. „Der Jaguar,‟ ſagt Erſterer, „der grauſamſte Feind der Arrua-Schild-
kröte,
folgt dieſer an die Geſtade, wo ſie ihre Eier legt. Er überfällt ſie auf dem Sande und, um ſie
deſto bequemer verzehren zu können, wendet er dieſelbe um. Die Schildkröte kann ſich nicht wieder
aufrichten, und weil der Jaguar ungleich mehr derſelben mordet, als er in einer Nacht frißt, ſo be-
nutzen die Jndianer öfters ſeine Liſt zu ihrem Vortheil. Man kann übrigens die Gewandtheit der
Pfote des Tigers nicht genug bewundern, die den gedoppelten Panzer der Schildkröte ausleert, als
wären die Muskularbande mit einem chirurgiſchen Jnſtrumente gelöſt worden.‟ „Die rein ausge-
leerten Panzer der Waldſchildkröte findet man,‟ ſo erzählt der Prinz von Wied, „häufig in den
großen Wäldern, und die braſilianiſchen Jäger wenigſtens behaupten, daß es die Unze gethan habe.
— Oefters waren dieſe Schalen der Schildkröte ausgeleert, wahrſcheinlich mit den Klauen, und dabei
übrigens nicht beſchädigt, öfters aber ein Theil des Panzers weggebiſſen.‟

„Für einen geübten Jäger,‟ ſagt Rengger, „iſt es nichts Seltenes, den Jaguar auf ſeinen Jagden
beobachten zu können, beſonders längs der Ströme. Man ſieht ihn dann langſam und leiſen Schrittes
nach dem Ufer heranſchleichen, wo er von Zeit zu Zeit den größeren Halbhufern oder Meer-
ſchweinchen
und den Fiſchottern nachſtellt. Von Zeit zu Zeit bleibt er wie horchend ſtehen und
ſieht aufmerkſam um ſich; niemals aber konnte ich bemerken, daß er, durch den Geruch geleitet, mit zur
Erde geſtreckte Naſe die Spur eines Wildes verfolgt hätte. Hat er z. B. ein Meerſchweinchen bemerkt,
ſo iſt es unglaublich, mit welcher Geduld und Umſicht er ſich demſelben zu nähern ſucht. Wie eine
Schlange windet er ſich auf dem Boden hin, hält ſich dann wieder Minuten lang ruhig, um die
Stelle ſeines Opfers zu beobachten, und macht oft weite Umwege, um derſelben von einer andern
Seite, wo er weniger bemerkt werden kann, beizukommen. Jſt es ihm gelungen, ſich ungeſehen dem
Wilde zu nähern, ſo pringt er in einem, ſelten in zwei Sätzen auf daſſelbe hin, drückt es zu Boden,
reißt ihm den Hals auf und trägt das noch im Todeskampfe ſich ſträubende Thier im Munde in das
Dickicht. Oefters aber verräth ihn das Kniſtern der unter ſeinem Gewichte brechenden dürren Reiſer,
ein Geräuſch, auf welches auch die Fiſcher achten, wenn ſie Abends am Ufer des Stromes ihr Nacht-
lager aufſchlagen, oder die Meerſchweinchen wittern ihn ſchon von ferne und ſtürzen ſich mit einem
lauten Schrei ins Waſſer. Man will aber ſchon Jaguare geſehen haben, welche hinter den Thieren
her ins Waſſer ſprangen und ſie im Augenblicke des Untertauchens erhaſchten. Hat er ſeinen
Sprung auf das Wild verfehlt, ſo geht er ſogleich und wie beſchämt ſchnellen Schrittes weiter, ohne
ſich nur umzuſehen. Jm Augenblicke, wo er ein Thier beſchleicht, iſt ſeine Aufmerkſamkeit ſoſehr auf
daſſelbe gerichtet, daß er nicht achtet, was um ihn her vorgeht und ſogar ſtarkes Geräuſch nicht wahr-
nimmt. Kann er ſich dem Wilde nicht nähern, ohne bemerkt zu werden, ſo legt er ſich im Gebüſch
auf die Lauer. Seine Stellung iſt alsdann die einer Katze, welche auf eine Maus paßt, niedergeduckt,
doch zum Sprunge fertig, das Auge unverwandt nach dem Gegenſtande ſeiner Raubgier gerichtet und
nur den ausgeſtreckten Schwanz hin und wieder bewegend. Aber nicht immer geht der Jaguar dem
Wilde nach, oft verſteckt er ſich blos in das Röhricht der Sümpfe und am Ufer kleinerer Bäche und
erwartet hier ruhig die zur Tränke gehenden Thiere. Auf Bäumen lauert er niemals, obgleich er
ſehr gut klettert.‟

Jn Viehherden richten die Jaguare oft bedeutenden Schaden an. Sie ſtellen beſonders dem
jungen Hornvieh, den Pferden und Mauleſeln nach. Azara behauptet, daß er dieſe Thiere in ganz
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[240/0304] Die Raubthiere. Katzen. — Jaguar. Flucht oder Gegenwehr denkt; gelingt es aber dem Alligator, den Feind im Waſſer, ſeinem eigentlichen Elemente, zu überfallen, ſo iſt er im Vortheile; gewöhnlich glückt es ihm dann, den Jaguar zu erſäufen, worauf er ihn frißt. Der Jaguar, ſeine Ohnmacht im Waſſer wohl erkennend, erhebt, wenn er durch einen Fluß ſchwimmen will, zuvor am Ufer ein fürchterliches Geheul, um die etwa in der Nähe be- findlichen Alligatoren zu verſcheuchen.‟ Man braucht eben nicht Naturforſcher zu ſein, um die Abge- ſchmacktheit ſolcher Erzählungen zu erkennen und ſie ohne weiteres zu widerlegen. Daß die Unze übrigens Lurche verzehrt, iſt nach den Beobachtungen Humboldts und des Prinzen von Wied nicht in Zweifel zu ziehen. „Der Jaguar,‟ ſagt Erſterer, „der grauſamſte Feind der Arrua-Schild- kröte, folgt dieſer an die Geſtade, wo ſie ihre Eier legt. Er überfällt ſie auf dem Sande und, um ſie deſto bequemer verzehren zu können, wendet er dieſelbe um. Die Schildkröte kann ſich nicht wieder aufrichten, und weil der Jaguar ungleich mehr derſelben mordet, als er in einer Nacht frißt, ſo be- nutzen die Jndianer öfters ſeine Liſt zu ihrem Vortheil. Man kann übrigens die Gewandtheit der Pfote des Tigers nicht genug bewundern, die den gedoppelten Panzer der Schildkröte ausleert, als wären die Muskularbande mit einem chirurgiſchen Jnſtrumente gelöſt worden.‟ „Die rein ausge- leerten Panzer der Waldſchildkröte findet man,‟ ſo erzählt der Prinz von Wied, „häufig in den großen Wäldern, und die braſilianiſchen Jäger wenigſtens behaupten, daß es die Unze gethan habe. — Oefters waren dieſe Schalen der Schildkröte ausgeleert, wahrſcheinlich mit den Klauen, und dabei übrigens nicht beſchädigt, öfters aber ein Theil des Panzers weggebiſſen.‟ „Für einen geübten Jäger,‟ ſagt Rengger, „iſt es nichts Seltenes, den Jaguar auf ſeinen Jagden beobachten zu können, beſonders längs der Ströme. Man ſieht ihn dann langſam und leiſen Schrittes nach dem Ufer heranſchleichen, wo er von Zeit zu Zeit den größeren Halbhufern oder Meer- ſchweinchen und den Fiſchottern nachſtellt. Von Zeit zu Zeit bleibt er wie horchend ſtehen und ſieht aufmerkſam um ſich; niemals aber konnte ich bemerken, daß er, durch den Geruch geleitet, mit zur Erde geſtreckte Naſe die Spur eines Wildes verfolgt hätte. Hat er z. B. ein Meerſchweinchen bemerkt, ſo iſt es unglaublich, mit welcher Geduld und Umſicht er ſich demſelben zu nähern ſucht. Wie eine Schlange windet er ſich auf dem Boden hin, hält ſich dann wieder Minuten lang ruhig, um die Stelle ſeines Opfers zu beobachten, und macht oft weite Umwege, um derſelben von einer andern Seite, wo er weniger bemerkt werden kann, beizukommen. Jſt es ihm gelungen, ſich ungeſehen dem Wilde zu nähern, ſo pringt er in einem, ſelten in zwei Sätzen auf daſſelbe hin, drückt es zu Boden, reißt ihm den Hals auf und trägt das noch im Todeskampfe ſich ſträubende Thier im Munde in das Dickicht. Oefters aber verräth ihn das Kniſtern der unter ſeinem Gewichte brechenden dürren Reiſer, ein Geräuſch, auf welches auch die Fiſcher achten, wenn ſie Abends am Ufer des Stromes ihr Nacht- lager aufſchlagen, oder die Meerſchweinchen wittern ihn ſchon von ferne und ſtürzen ſich mit einem lauten Schrei ins Waſſer. Man will aber ſchon Jaguare geſehen haben, welche hinter den Thieren her ins Waſſer ſprangen und ſie im Augenblicke des Untertauchens erhaſchten. Hat er ſeinen Sprung auf das Wild verfehlt, ſo geht er ſogleich und wie beſchämt ſchnellen Schrittes weiter, ohne ſich nur umzuſehen. Jm Augenblicke, wo er ein Thier beſchleicht, iſt ſeine Aufmerkſamkeit ſoſehr auf daſſelbe gerichtet, daß er nicht achtet, was um ihn her vorgeht und ſogar ſtarkes Geräuſch nicht wahr- nimmt. Kann er ſich dem Wilde nicht nähern, ohne bemerkt zu werden, ſo legt er ſich im Gebüſch auf die Lauer. Seine Stellung iſt alsdann die einer Katze, welche auf eine Maus paßt, niedergeduckt, doch zum Sprunge fertig, das Auge unverwandt nach dem Gegenſtande ſeiner Raubgier gerichtet und nur den ausgeſtreckten Schwanz hin und wieder bewegend. Aber nicht immer geht der Jaguar dem Wilde nach, oft verſteckt er ſich blos in das Röhricht der Sümpfe und am Ufer kleinerer Bäche und erwartet hier ruhig die zur Tränke gehenden Thiere. Auf Bäumen lauert er niemals, obgleich er ſehr gut klettert.‟ Jn Viehherden richten die Jaguare oft bedeutenden Schaden an. Sie ſtellen beſonders dem jungen Hornvieh, den Pferden und Mauleſeln nach. Azara behauptet, daß er dieſe Thiere in ganz außergewöhnlicher Weiſe tödte, indem er auf den Hals ſeiner Beute ſpringe, eine Klaue in den Nacken

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/304>, abgerufen am 17.05.2024.