Raub ausgeht. Unter Ari versteht man einen erwachsenen Löwen, da das Wort von einer Wurzel herrührt, welche glühen oder brennen bedeutet, weshalb also der Löwe als der Feurige, Glühende oder Grimmige zu betrachten ist. Eigentlich lautet das Wort Arieh oder Arjeh, darunter versteht man jedoch gewöhnlich blos einen in Erz gegossenen und vergoldeten Löwen. Schachal, der fünfte Name, bedeutet der Brüller; Schachaz der Hohe, Stolze oder sich Erhebende; Oten einen erwachsenen Löwen; Labi eine Löwin; Zobba, dasselbe Wort, welches auch im Arabischen gebraucht wird, Würger der Herden; und Lajisch endlich den in schauerlicher Wüste Lebenden. Die Bibel lehrt uns auch, daß früher die Löwen in Palästina vorkamen, namentlich am Libanon; an anderen Orten waren sie sogar häufig.
Die Griechen und Römer erzählen sehr ausführlich von ihnen und berichten dabei eine Masse von Märchen mit. So sollen die Knochen des Löwen so hart sein, daß sie Feuer geben. Er soll die kleinen Thiere verachten, die Weiber schonen u. s. w. Die starke und grausame Löwin soll nur ein einziges Junges in ihrem ganzen Leben werfen, weil dasselbe mit seinen scharfen Krallen den Tragsack zerreiße, genau wie es der Viper auch gehe. Aristoteles weiß bereits, daß die Löwin keine Mähne hat, sondern nur der Löwe; er weiß auch, daß sie mehrmals Junge wirft, daß die jungen Löwen sehr klein sind und erst im zweiten Monat gehen können. Die alte Behauptung, daß der Löwe das Feuer fürchte, widerlegt er. Außerdem berichtet er von des Löwen großem Muthe, von seinem Gedächtniß und dergleichen. Ja er weiß sogar, daß es zwei Arten Löwen giebt: kürzere mit krauserer Mähne, welche die furchtsameren, und längere mit dichterer Mähne, welche die stärkeren sind. Plinius sagt, daß die jungen Löwen anfänglich unförmliche Fleischklumpen seien, nicht größer, als ein Wiefel, daß sie sich nach zwei Monaten kaum rühren könnten und erst nach dem sechsten gehen lernten. Sie söffen selten, fräßen nur einen Tag um den andern und könnten dann wohl drei Tage fasten. Sie ver- schlängen Alles ganz; könnte es der Magen nicht fassen, so zögen sie es wieder mit den Klauen aus dem Rachen, um nöthigenfalls entfliehen zu können. Unter allen reißenden Thieren sei der Löwe allein gnädig gegen Bittende. Er verschone Die, welche sich vor ihm niederwerfen, und ließe seinen Grimm mehr gegen die Männer, als gegen die Weiber aus, gegen die Kinder nur beim ärgsten Hunger. Jn Libyen glaubte man, daß er das Bitten verstehe; denn eine gefangene Frau erzählte, sie sei von vielen Löwen angefallen worden, habe sie aber alle durch Zureden befänftigt und immer gesagt, daß sie nur eine Frau wäre, flüchtig und krank, eine Bittende vor dem Großmüthigsten, über alle übrigen Thiere Befehlenden, eine Beute, welche seines Ruhmes nicht würdig wäre: da habe sie der Löwe gehen lassen.
Den ersten Löwenkampf gab der Aedil Scävola, einen zweiten der Dictator Sylla. Dieser hatte schon hundert Löwen, Pompejus ließ aber sechshundert und Julius Cäser wenigstens vier- hundert kämpfen. Der Fang war früher eine böse Arbeit und geschah meistens in Gruben. Unter Claudius aber entdeckte ein Hirt durch Zufall ein leichtes Mittel, den Löwen zu fangen. Er warf ihm seinen Rock über den Kopf, und der Löwe wurde hierdurch so verblüfft, daß er sich ruhig fangen ließ. Jm Circus wurde dieses Mittel dann oft angewendet. M. Antonius fuhr nach der pharsa- lischen Schlacht mit einer Schauspielerin durch die Stadt in einem Wagen, welchen Löwen zogen. Hanno, der uns schon bekannte Karthager, war der Erste, welcher einen gezähmten Löwen mit seinen Händen regierte. Er wurde deshalb jedoch aus seinem Vaterlande vertrieben, weil man glaubte, daß Derjenige, welcher sich mit der Zähmung eines Löwen abgebe, sich auch die Menschen zu unterwerfen strebe! Hadrian tödtete im Circus oft hundert Löwen auf einmal. Marcus Aurelius ließ ihrer hundert mit Pfeilen erschießen. Auf diese Weise wurden die Löwen so vermindert, daß man die Einzeljagden in Afrika verbot, um immer hinlänglich viele für den Circus zu haben. Doch erst mit der Erfindung des Feuergewehres schlug dem königlichen Thiere die Stunde des Verderbens, und von jenem Tage an ist er auch mehr und mehr zurückgedrängt worden. --
Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, daß die Löwen, welche im Süden und Westen Afrikas oder in Asien wohnen, von dem Löwen der Berberei artlich verschieden sind, wenn auch die
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Gezähmte Löwen. Sagen und Geſchichtliches.
Raub ausgeht. Unter Ari verſteht man einen erwachſenen Löwen, da das Wort von einer Wurzel herrührt, welche glühen oder brennen bedeutet, weshalb alſo der Löwe als der Feurige, Glühende oder Grimmige zu betrachten iſt. Eigentlich lautet das Wort Arieh oder Arjeh, darunter verſteht man jedoch gewöhnlich blos einen in Erz gegoſſenen und vergoldeten Löwen. Schachal, der fünfte Name, bedeutet der Brüller; Schachaz der Hohe, Stolze oder ſich Erhebende; Oten einen erwachſenen Löwen; Labi eine Löwin; Zobbâ, daſſelbe Wort, welches auch im Arabiſchen gebraucht wird, Würger der Herden; und Lajiſch endlich den in ſchauerlicher Wüſte Lebenden. Die Bibel lehrt uns auch, daß früher die Löwen in Paläſtina vorkamen, namentlich am Libanon; an anderen Orten waren ſie ſogar häufig.
Die Griechen und Römer erzählen ſehr ausführlich von ihnen und berichten dabei eine Maſſe von Märchen mit. So ſollen die Knochen des Löwen ſo hart ſein, daß ſie Feuer geben. Er ſoll die kleinen Thiere verachten, die Weiber ſchonen u. ſ. w. Die ſtarke und grauſame Löwin ſoll nur ein einziges Junges in ihrem ganzen Leben werfen, weil daſſelbe mit ſeinen ſcharfen Krallen den Tragſack zerreiße, genau wie es der Viper auch gehe. Ariſtoteles weiß bereits, daß die Löwin keine Mähne hat, ſondern nur der Löwe; er weiß auch, daß ſie mehrmals Junge wirft, daß die jungen Löwen ſehr klein ſind und erſt im zweiten Monat gehen können. Die alte Behauptung, daß der Löwe das Feuer fürchte, widerlegt er. Außerdem berichtet er von des Löwen großem Muthe, von ſeinem Gedächtniß und dergleichen. Ja er weiß ſogar, daß es zwei Arten Löwen giebt: kürzere mit krauſerer Mähne, welche die furchtſameren, und längere mit dichterer Mähne, welche die ſtärkeren ſind. Plinius ſagt, daß die jungen Löwen anfänglich unförmliche Fleiſchklumpen ſeien, nicht größer, als ein Wiefel, daß ſie ſich nach zwei Monaten kaum rühren könnten und erſt nach dem ſechſten gehen lernten. Sie ſöffen ſelten, fräßen nur einen Tag um den andern und könnten dann wohl drei Tage faſten. Sie ver- ſchlängen Alles ganz; könnte es der Magen nicht faſſen, ſo zögen ſie es wieder mit den Klauen aus dem Rachen, um nöthigenfalls entfliehen zu können. Unter allen reißenden Thieren ſei der Löwe allein gnädig gegen Bittende. Er verſchone Die, welche ſich vor ihm niederwerfen, und ließe ſeinen Grimm mehr gegen die Männer, als gegen die Weiber aus, gegen die Kinder nur beim ärgſten Hunger. Jn Libyen glaubte man, daß er das Bitten verſtehe; denn eine gefangene Frau erzählte, ſie ſei von vielen Löwen angefallen worden, habe ſie aber alle durch Zureden befänftigt und immer geſagt, daß ſie nur eine Frau wäre, flüchtig und krank, eine Bittende vor dem Großmüthigſten, über alle übrigen Thiere Befehlenden, eine Beute, welche ſeines Ruhmes nicht würdig wäre: da habe ſie der Löwe gehen laſſen.
Den erſten Löwenkampf gab der Aedil Scävola, einen zweiten der Dictator Sylla. Dieſer hatte ſchon hundert Löwen, Pompejus ließ aber ſechshundert und Julius Cäſer wenigſtens vier- hundert kämpfen. Der Fang war früher eine böſe Arbeit und geſchah meiſtens in Gruben. Unter Claudius aber entdeckte ein Hirt durch Zufall ein leichtes Mittel, den Löwen zu fangen. Er warf ihm ſeinen Rock über den Kopf, und der Löwe wurde hierdurch ſo verblüfft, daß er ſich ruhig fangen ließ. Jm Circus wurde dieſes Mittel dann oft angewendet. M. Antonius fuhr nach der pharſa- liſchen Schlacht mit einer Schauſpielerin durch die Stadt in einem Wagen, welchen Löwen zogen. Hanno, der uns ſchon bekannte Karthager, war der Erſte, welcher einen gezähmten Löwen mit ſeinen Händen regierte. Er wurde deshalb jedoch aus ſeinem Vaterlande vertrieben, weil man glaubte, daß Derjenige, welcher ſich mit der Zähmung eines Löwen abgebe, ſich auch die Menſchen zu unterwerfen ſtrebe! Hadrian tödtete im Circus oft hundert Löwen auf einmal. Marcus Aurelius ließ ihrer hundert mit Pfeilen erſchießen. Auf dieſe Weiſe wurden die Löwen ſo vermindert, daß man die Einzeljagden in Afrika verbot, um immer hinlänglich viele für den Circus zu haben. Doch erſt mit der Erfindung des Feuergewehres ſchlug dem königlichen Thiere die Stunde des Verderbens, und von jenem Tage an iſt er auch mehr und mehr zurückgedrängt worden. —
Es iſt durchaus nicht unwahrſcheinlich, daß die Löwen, welche im Süden und Weſten Afrikas oder in Aſien wohnen, von dem Löwen der Berberei artlich verſchieden ſind, wenn auch die
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Gezähmte Löwen. Sagen und Geſchichtliches.
Raub ausgeht. Unter Ari verſteht man einen erwachſenen Löwen, da das Wort von einer Wurzel
herrührt, welche glühen oder brennen bedeutet, weshalb alſo der Löwe als der Feurige, Glühende oder
Grimmige zu betrachten iſt. Eigentlich lautet das Wort Arieh oder Arjeh, darunter verſteht man
jedoch gewöhnlich blos einen in Erz gegoſſenen und vergoldeten Löwen. Schachal, der fünfte Name,
bedeutet der Brüller; Schachaz der Hohe, Stolze oder ſich Erhebende; Oten einen erwachſenen
Löwen; Labi eine Löwin; Zobbâ, daſſelbe Wort, welches auch im Arabiſchen gebraucht wird,
Würger der Herden; und Lajiſch endlich den in ſchauerlicher Wüſte Lebenden. Die Bibel lehrt uns
auch, daß früher die Löwen in Paläſtina vorkamen, namentlich am Libanon; an anderen Orten
waren ſie ſogar häufig.
Die Griechen und Römer erzählen ſehr ausführlich von ihnen und berichten dabei eine Maſſe von
Märchen mit. So ſollen die Knochen des Löwen ſo hart ſein, daß ſie Feuer geben. Er ſoll die
kleinen Thiere verachten, die Weiber ſchonen u. ſ. w. Die ſtarke und grauſame Löwin ſoll nur ein
einziges Junges in ihrem ganzen Leben werfen, weil daſſelbe mit ſeinen ſcharfen Krallen den Tragſack
zerreiße, genau wie es der Viper auch gehe. Ariſtoteles weiß bereits, daß die Löwin keine Mähne
hat, ſondern nur der Löwe; er weiß auch, daß ſie mehrmals Junge wirft, daß die jungen Löwen ſehr
klein ſind und erſt im zweiten Monat gehen können. Die alte Behauptung, daß der Löwe das Feuer
fürchte, widerlegt er. Außerdem berichtet er von des Löwen großem Muthe, von ſeinem Gedächtniß
und dergleichen. Ja er weiß ſogar, daß es zwei Arten Löwen giebt: kürzere mit krauſerer Mähne,
welche die furchtſameren, und längere mit dichterer Mähne, welche die ſtärkeren ſind. Plinius ſagt,
daß die jungen Löwen anfänglich unförmliche Fleiſchklumpen ſeien, nicht größer, als ein Wiefel, daß
ſie ſich nach zwei Monaten kaum rühren könnten und erſt nach dem ſechſten gehen lernten. Sie ſöffen
ſelten, fräßen nur einen Tag um den andern und könnten dann wohl drei Tage faſten. Sie ver-
ſchlängen Alles ganz; könnte es der Magen nicht faſſen, ſo zögen ſie es wieder mit den Klauen aus
dem Rachen, um nöthigenfalls entfliehen zu können. Unter allen reißenden Thieren ſei der Löwe
allein gnädig gegen Bittende. Er verſchone Die, welche ſich vor ihm niederwerfen, und ließe ſeinen
Grimm mehr gegen die Männer, als gegen die Weiber aus, gegen die Kinder nur beim ärgſten
Hunger. Jn Libyen glaubte man, daß er das Bitten verſtehe; denn eine gefangene Frau erzählte, ſie
ſei von vielen Löwen angefallen worden, habe ſie aber alle durch Zureden befänftigt und immer geſagt,
daß ſie nur eine Frau wäre, flüchtig und krank, eine Bittende vor dem Großmüthigſten, über alle
übrigen Thiere Befehlenden, eine Beute, welche ſeines Ruhmes nicht würdig wäre: da habe ſie der
Löwe gehen laſſen.
Den erſten Löwenkampf gab der Aedil Scävola, einen zweiten der Dictator Sylla. Dieſer
hatte ſchon hundert Löwen, Pompejus ließ aber ſechshundert und Julius Cäſer wenigſtens vier-
hundert kämpfen. Der Fang war früher eine böſe Arbeit und geſchah meiſtens in Gruben. Unter
Claudius aber entdeckte ein Hirt durch Zufall ein leichtes Mittel, den Löwen zu fangen. Er warf
ihm ſeinen Rock über den Kopf, und der Löwe wurde hierdurch ſo verblüfft, daß er ſich ruhig fangen
ließ. Jm Circus wurde dieſes Mittel dann oft angewendet. M. Antonius fuhr nach der pharſa-
liſchen Schlacht mit einer Schauſpielerin durch die Stadt in einem Wagen, welchen Löwen zogen.
Hanno, der uns ſchon bekannte Karthager, war der Erſte, welcher einen gezähmten Löwen mit ſeinen
Händen regierte. Er wurde deshalb jedoch aus ſeinem Vaterlande vertrieben, weil man glaubte, daß
Derjenige, welcher ſich mit der Zähmung eines Löwen abgebe, ſich auch die Menſchen zu unterwerfen
ſtrebe! Hadrian tödtete im Circus oft hundert Löwen auf einmal. Marcus Aurelius ließ ihrer
hundert mit Pfeilen erſchießen. Auf dieſe Weiſe wurden die Löwen ſo vermindert, daß man die
Einzeljagden in Afrika verbot, um immer hinlänglich viele für den Circus zu haben. Doch erſt
mit der Erfindung des Feuergewehres ſchlug dem königlichen Thiere die Stunde des Verderbens, und
von jenem Tage an iſt er auch mehr und mehr zurückgedrängt worden. —
Es iſt durchaus nicht unwahrſcheinlich, daß die Löwen, welche im Süden und Weſten Afrikas
oder in Aſien wohnen, von dem Löwen der Berberei artlich verſchieden ſind, wenn auch die
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/271>, abgerufen am 23.11.2024.
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