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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Löwenjagden in Nord- und Mittelafrika.
diesen Schaden, weil sich der Löwe meist in bestimmten Gegenden aufhält, ziemlich genau feststellen,
indem man zusammenrechnet, welche Verluste er den Duars durch Wegrauben von Pferden, Maul-
thieren und Hammeln das ganze Jahr hindurch zufügt. Der Schaden nun, welchen ein Löwe an-
richtet, beträgt durchschnittlich 6000 Franken im Jahre, für seine Lebensdauer also 210,000 Franken.
Auf die Provinz Constantine kann man mit ziemlicher Gewißheit 50 Löwen rechnen, welche zu
ihrem Verbrauch während ihrer ganzen Lebenszeit die Kleinigkeit von Zehn Millionen fünfmal-
hunderttausend Franken
erfordern! Man berechne nach diesem Maßstabe, welchen Nutzen der
kühne Löwenjäger Jules Gerard auf seinen glücklichen Jagden der Regentschaft Algier gebracht hat.
Dafür wird aber auch dieser Offizier der Spahis von den Arabern und Europäern wie ein Halb-
gott verehrt."

Die Reger am weißen Flusse und die Hottentotten tödten den Löwen mit vergifteten Pfeilen.
Doch müssen diese fürchterlichen Waffen im Jnnern Afrikas noch keineswegs sehr verbreitet und
gekannt sein, da man an vielen Orten so große Mengen von Löwen findet und oft ganze Dörfer
ihretwegen mehr auf den Bäumen, als auf der Erde erbauen muß. -- Die großartigsten Löwenjagden
hat jedenfalls der Schotte Gordon Cumming ausgeführt, welcher fünf Jahre lang Südafrika
durchreiste, blos in der Absicht, um zu jagen. Er war auf das vortrefflichste eingerichtet und
namentlich mit ausgezeichneten Hunden versehen, von denen bei seinen Jagden siebzig Stück umkamen.
Seine Berichte sind sehr anziehend; doch scheint es mir, daß nicht alle vollkommenen Glauben ver-
dienen. Die zuverlässigen Berichte und meine eigenen Erfahrungen im Sudahn stimmen etwa
im Folgenden überein:

Jeder plötzlich im Schlafe erwachte Löwe verliert seine Besonnenheit und flieht vor dem Men-
schen, und wenn er dabei nicht verwundet wird, thut er keinem Etwas zu Leide. Anders verhält es
sich, sobald er sich gefährdet sieht. Dann wird sein Muth gleichsam herausgefordert, und nur vor
einer großen Uebermacht zieht er sich dann zurück, vollkommen ruhig, langsam, Schritt vor Schritt.
Wenn er sehr stark verfolgt wird, beginnt er wohl auch, zu laufen, aber immer nur in Ausnahms-
fällen. Gewöhnlich hält er blos dann Stand, wenn er zur Vertheidigung gedrängt wird. Von diesem
Augenblicke an aber beweist er den unerschütterlichsten Muth, selbst gegen die größte Uebermacht.
Gute, muthige Hunde stellen ihn am ersten, weil sie ihn von allen Seiten umringen und mit heraus-
forderndem Gebell begrüßen. Diejenigen, welche ihm zu nahe auf den Leib kommen, werden durch
einen einzigen Schlag mit der Tatze von seiner Stärke belehrt. Allein viele Hunde sind nicht blos des
Hafen, sondern auch des Löwen Tod, da sie ihn so lange beschäftigen und festmachen, bis die Jäger
herbeikommen, welche ihrerseits dann ein verhältnißmäßig leichtes Spiel haben. Uebrigens ist der
Löwe leichter zu tödten, als manches andere Wild. Trifft ihn z. B. nur eine Kugel in den Bauch,
so stellt sich augenblicklich Erbrechen bei ihm ein, und er ist dann unvermögend zu laufen. Mit einer
ähnlichen Verwundung können Wiederkäuer noch tagelang leben, der Löwe aber geht an ihr zu Grunde.

Ein alter männlicher Löwe vertheidigt regelmäßig die Löwin und auch die Jungen; deshalb
ist es sehr schwer, sich der letzteren zu bemächtigen. Gewöhnlich fängt man die Thiere, solange sie
noch klein und liebenswürdig sind, zu der Zeit, in welcher die Mutter ausgegangen ist, um das Wild,
dem mit Anbruch der Nacht die Jagd gelten soll, zu beobachten. Gelingt der Raub, ohne daß die
Löwin zurückkehrt, so ist gleichwohl noch nicht alle Gefahr verschwunden; denn beide Eltern sollen in
rasender Wuth noch tagelang das Land durchstreifen und nach ihren Kindern suchen.

Jung eingefangene Löwen werden bei verständiger Pflege sehr zahm. Sie erkennen in dem
Menschen ihren Pfleger und gewinnen ihn um so lieber, jemehr er sich mit ihnen beschäftigt. Man
kann sich kaum ein liebenswürdigeres Geschöpf denken, als einen so gezähmten Löwen, welcher nach
kurzer Zeit seine ganze Freiheit, ich möchte sagen, sein Löwenthum, vergessen hat und sich dem Men-
schen mit voller Seele hingiebt. Jch habe eine Löwin zwei Jahre lang gepflegt und ihr liebenswür-
diges Wesen, sowie viele Eigenheiten von ihr bereits ausführlich in der "Gartenlaube" be-
schrieben, weshalb ich hier blos Folgendes kurz erwähnen will:

Brehm, Thierleben. 14

Löwenjagden in Nord- und Mittelafrika.
dieſen Schaden, weil ſich der Löwe meiſt in beſtimmten Gegenden aufhält, ziemlich genau feſtſtellen,
indem man zuſammenrechnet, welche Verluſte er den Duars durch Wegrauben von Pferden, Maul-
thieren und Hammeln das ganze Jahr hindurch zufügt. Der Schaden nun, welchen ein Löwe an-
richtet, beträgt durchſchnittlich 6000 Franken im Jahre, für ſeine Lebensdauer alſo 210,000 Franken.
Auf die Provinz Conſtantine kann man mit ziemlicher Gewißheit 50 Löwen rechnen, welche zu
ihrem Verbrauch während ihrer ganzen Lebenszeit die Kleinigkeit von Zehn Millionen fünfmal-
hunderttauſend Franken
erfordern! Man berechne nach dieſem Maßſtabe, welchen Nutzen der
kühne Löwenjäger Jules Gerard auf ſeinen glücklichen Jagden der Regentſchaft Algier gebracht hat.
Dafür wird aber auch dieſer Offizier der Spahis von den Arabern und Europäern wie ein Halb-
gott verehrt.‟

Die Reger am weißen Fluſſe und die Hottentotten tödten den Löwen mit vergifteten Pfeilen.
Doch müſſen dieſe fürchterlichen Waffen im Jnnern Afrikas noch keineswegs ſehr verbreitet und
gekannt ſein, da man an vielen Orten ſo große Mengen von Löwen findet und oft ganze Dörfer
ihretwegen mehr auf den Bäumen, als auf der Erde erbauen muß. — Die großartigſten Löwenjagden
hat jedenfalls der Schotte Gordon Cumming ausgeführt, welcher fünf Jahre lang Südafrika
durchreiſte, blos in der Abſicht, um zu jagen. Er war auf das vortrefflichſte eingerichtet und
namentlich mit ausgezeichneten Hunden verſehen, von denen bei ſeinen Jagden ſiebzig Stück umkamen.
Seine Berichte ſind ſehr anziehend; doch ſcheint es mir, daß nicht alle vollkommenen Glauben ver-
dienen. Die zuverläſſigen Berichte und meine eigenen Erfahrungen im Sudahn ſtimmen etwa
im Folgenden überein:

Jeder plötzlich im Schlafe erwachte Löwe verliert ſeine Beſonnenheit und flieht vor dem Men-
ſchen, und wenn er dabei nicht verwundet wird, thut er keinem Etwas zu Leide. Anders verhält es
ſich, ſobald er ſich gefährdet ſieht. Dann wird ſein Muth gleichſam herausgefordert, und nur vor
einer großen Uebermacht zieht er ſich dann zurück, vollkommen ruhig, langſam, Schritt vor Schritt.
Wenn er ſehr ſtark verfolgt wird, beginnt er wohl auch, zu laufen, aber immer nur in Ausnahms-
fällen. Gewöhnlich hält er blos dann Stand, wenn er zur Vertheidigung gedrängt wird. Von dieſem
Augenblicke an aber beweiſt er den unerſchütterlichſten Muth, ſelbſt gegen die größte Uebermacht.
Gute, muthige Hunde ſtellen ihn am erſten, weil ſie ihn von allen Seiten umringen und mit heraus-
forderndem Gebell begrüßen. Diejenigen, welche ihm zu nahe auf den Leib kommen, werden durch
einen einzigen Schlag mit der Tatze von ſeiner Stärke belehrt. Allein viele Hunde ſind nicht blos des
Hafen, ſondern auch des Löwen Tod, da ſie ihn ſo lange beſchäftigen und feſtmachen, bis die Jäger
herbeikommen, welche ihrerſeits dann ein verhältnißmäßig leichtes Spiel haben. Uebrigens iſt der
Löwe leichter zu tödten, als manches andere Wild. Trifft ihn z. B. nur eine Kugel in den Bauch,
ſo ſtellt ſich augenblicklich Erbrechen bei ihm ein, und er iſt dann unvermögend zu laufen. Mit einer
ähnlichen Verwundung können Wiederkäuer noch tagelang leben, der Löwe aber geht an ihr zu Grunde.

Ein alter männlicher Löwe vertheidigt regelmäßig die Löwin und auch die Jungen; deshalb
iſt es ſehr ſchwer, ſich der letzteren zu bemächtigen. Gewöhnlich fängt man die Thiere, ſolange ſie
noch klein und liebenswürdig ſind, zu der Zeit, in welcher die Mutter ausgegangen iſt, um das Wild,
dem mit Anbruch der Nacht die Jagd gelten ſoll, zu beobachten. Gelingt der Raub, ohne daß die
Löwin zurückkehrt, ſo iſt gleichwohl noch nicht alle Gefahr verſchwunden; denn beide Eltern ſollen in
raſender Wuth noch tagelang das Land durchſtreifen und nach ihren Kindern ſuchen.

Jung eingefangene Löwen werden bei verſtändiger Pflege ſehr zahm. Sie erkennen in dem
Menſchen ihren Pfleger und gewinnen ihn um ſo lieber, jemehr er ſich mit ihnen beſchäftigt. Man
kann ſich kaum ein liebenswürdigeres Geſchöpf denken, als einen ſo gezähmten Löwen, welcher nach
kurzer Zeit ſeine ganze Freiheit, ich möchte ſagen, ſein Löwenthum, vergeſſen hat und ſich dem Men-
ſchen mit voller Seele hingiebt. Jch habe eine Löwin zwei Jahre lang gepflegt und ihr liebenswür-
diges Weſen, ſowie viele Eigenheiten von ihr bereits ausführlich in der „Gartenlaube‟ be-
ſchrieben, weshalb ich hier blos Folgendes kurz erwähnen will:

Brehm, Thierleben. 14
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[209/0269] Löwenjagden in Nord- und Mittelafrika. dieſen Schaden, weil ſich der Löwe meiſt in beſtimmten Gegenden aufhält, ziemlich genau feſtſtellen, indem man zuſammenrechnet, welche Verluſte er den Duars durch Wegrauben von Pferden, Maul- thieren und Hammeln das ganze Jahr hindurch zufügt. Der Schaden nun, welchen ein Löwe an- richtet, beträgt durchſchnittlich 6000 Franken im Jahre, für ſeine Lebensdauer alſo 210,000 Franken. Auf die Provinz Conſtantine kann man mit ziemlicher Gewißheit 50 Löwen rechnen, welche zu ihrem Verbrauch während ihrer ganzen Lebenszeit die Kleinigkeit von Zehn Millionen fünfmal- hunderttauſend Franken erfordern! Man berechne nach dieſem Maßſtabe, welchen Nutzen der kühne Löwenjäger Jules Gerard auf ſeinen glücklichen Jagden der Regentſchaft Algier gebracht hat. Dafür wird aber auch dieſer Offizier der Spahis von den Arabern und Europäern wie ein Halb- gott verehrt.‟ Die Reger am weißen Fluſſe und die Hottentotten tödten den Löwen mit vergifteten Pfeilen. Doch müſſen dieſe fürchterlichen Waffen im Jnnern Afrikas noch keineswegs ſehr verbreitet und gekannt ſein, da man an vielen Orten ſo große Mengen von Löwen findet und oft ganze Dörfer ihretwegen mehr auf den Bäumen, als auf der Erde erbauen muß. — Die großartigſten Löwenjagden hat jedenfalls der Schotte Gordon Cumming ausgeführt, welcher fünf Jahre lang Südafrika durchreiſte, blos in der Abſicht, um zu jagen. Er war auf das vortrefflichſte eingerichtet und namentlich mit ausgezeichneten Hunden verſehen, von denen bei ſeinen Jagden ſiebzig Stück umkamen. Seine Berichte ſind ſehr anziehend; doch ſcheint es mir, daß nicht alle vollkommenen Glauben ver- dienen. Die zuverläſſigen Berichte und meine eigenen Erfahrungen im Sudahn ſtimmen etwa im Folgenden überein: Jeder plötzlich im Schlafe erwachte Löwe verliert ſeine Beſonnenheit und flieht vor dem Men- ſchen, und wenn er dabei nicht verwundet wird, thut er keinem Etwas zu Leide. Anders verhält es ſich, ſobald er ſich gefährdet ſieht. Dann wird ſein Muth gleichſam herausgefordert, und nur vor einer großen Uebermacht zieht er ſich dann zurück, vollkommen ruhig, langſam, Schritt vor Schritt. Wenn er ſehr ſtark verfolgt wird, beginnt er wohl auch, zu laufen, aber immer nur in Ausnahms- fällen. Gewöhnlich hält er blos dann Stand, wenn er zur Vertheidigung gedrängt wird. Von dieſem Augenblicke an aber beweiſt er den unerſchütterlichſten Muth, ſelbſt gegen die größte Uebermacht. Gute, muthige Hunde ſtellen ihn am erſten, weil ſie ihn von allen Seiten umringen und mit heraus- forderndem Gebell begrüßen. Diejenigen, welche ihm zu nahe auf den Leib kommen, werden durch einen einzigen Schlag mit der Tatze von ſeiner Stärke belehrt. Allein viele Hunde ſind nicht blos des Hafen, ſondern auch des Löwen Tod, da ſie ihn ſo lange beſchäftigen und feſtmachen, bis die Jäger herbeikommen, welche ihrerſeits dann ein verhältnißmäßig leichtes Spiel haben. Uebrigens iſt der Löwe leichter zu tödten, als manches andere Wild. Trifft ihn z. B. nur eine Kugel in den Bauch, ſo ſtellt ſich augenblicklich Erbrechen bei ihm ein, und er iſt dann unvermögend zu laufen. Mit einer ähnlichen Verwundung können Wiederkäuer noch tagelang leben, der Löwe aber geht an ihr zu Grunde. Ein alter männlicher Löwe vertheidigt regelmäßig die Löwin und auch die Jungen; deshalb iſt es ſehr ſchwer, ſich der letzteren zu bemächtigen. Gewöhnlich fängt man die Thiere, ſolange ſie noch klein und liebenswürdig ſind, zu der Zeit, in welcher die Mutter ausgegangen iſt, um das Wild, dem mit Anbruch der Nacht die Jagd gelten ſoll, zu beobachten. Gelingt der Raub, ohne daß die Löwin zurückkehrt, ſo iſt gleichwohl noch nicht alle Gefahr verſchwunden; denn beide Eltern ſollen in raſender Wuth noch tagelang das Land durchſtreifen und nach ihren Kindern ſuchen. Jung eingefangene Löwen werden bei verſtändiger Pflege ſehr zahm. Sie erkennen in dem Menſchen ihren Pfleger und gewinnen ihn um ſo lieber, jemehr er ſich mit ihnen beſchäftigt. Man kann ſich kaum ein liebenswürdigeres Geſchöpf denken, als einen ſo gezähmten Löwen, welcher nach kurzer Zeit ſeine ganze Freiheit, ich möchte ſagen, ſein Löwenthum, vergeſſen hat und ſich dem Men- ſchen mit voller Seele hingiebt. Jch habe eine Löwin zwei Jahre lang gepflegt und ihr liebenswür- diges Weſen, ſowie viele Eigenheiten von ihr bereits ausführlich in der „Gartenlaube‟ be- ſchrieben, weshalb ich hier blos Folgendes kurz erwähnen will: Brehm, Thierleben. 14

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/269>, abgerufen am 23.11.2024.