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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Flatterthiere. Flughunde.
herrscht eine außerordentlich große Formverschiedenheit, trotz der Aehnlichkeit im Ganzen, und deshalb
ist die Eintheilung der Flatterthiere und die Bestimmung derselben selbst für Forscher sehr schwierig.
Uns genügt es vollkommen, wenn wir einige der eigenthümlichsten Formen betrachten.



Die erste Familie wird gebildet durch die fruchtfressenden Fledermäuse (Pteropus).

Alle zu dieser Familie gehörigen Thiere bewohnen ausschließlich die wärmeren Gegenden der
alten Welt, namentlich den Osten Afrikas und den Süden Asiens. Jhrer Größe wegen sind sie seit
den ältesten Zeiten als wahre Ungeheuer verschrien worden. Sie, die harmlosen und gemüthlichen
Thiere, hat man als scheußliche Harpien und furchtbare Vampire angesehen; unter ihnen suchte man
die greulichen Wesen der Einbildung, welche sich auf den Menschen während des Schlafs setzen und
ihm das Herzblut aussaugen sollten; in ihnen sah man die zur ewigen Verdammniß verurtheilten
Geister Verworfener, welche durch ihren Biß ganz unschuldige Menschen ebenfalls wieder zu Ver-
worfenen verwandeln könnten. Kurz, der blühendste Aberglaube beschäftigte sich nach Kräften mit
diesen Säugethieren, welche weiter Nichts verschuldet haben, als etwas eigenthümlich gebildet zu sein,
und in ihrer Ordnung einige kleine und eben wegen ihrer geringen Größe ziemlich unschädliche Mit-
glieder zu besitzen, die sich des Frevels der Blutaussaugung allerdings schuldig machen.

Die Naturwissenschaft kann die abergläubischen Leute -- denn heute noch giebt es gerade genug
Unwissende, welche in der Natur vollkommen fremd sind und in unseren Thieren scheußliche Vampire
zu sehen glauben -- besser über die fruchtfressenden Fledermäuse oder Flughunde belehren. Die-
selben haben so ziemlich die Fledermausgestalt, aber eine viel bedeutendere Größe und einen ganz
anders gebildeten Kopf. Der ist nämlich ein wirklich gemüthlicher Hunde- oder Fuchskopf, und des-
wegen haben die Thiere den Namen von Flughunden oder fliegenden Füchsen erhalten. Die Flatter-
haut ist der anderer Fledermäuse ganz ähnlich und deshalb auch die Gliederung der Arme und
Beine. Außer dem Daumen hat aber noch der Zeigefinger den krallenförmigen Nagel. Der Nase
fehlt der Hautausatz stets, und die Ohren sind niemals mit einer Klappe versehen. Hierdurch kenn-
zeichnen sie sich also leicht von den übrigen Fledermäusen.

Die Flughunde bewohnen am liebsten dunkle Waldungen und bedecken bei Tage oft in unzähl-
barer Menge die Bäume; denn sie ziehen sich weniger in Spalten, Löcher, Höhlen, unter Baum-
rinden zurück, sondern hängen frei, reihenweise an den Aesten, Kopf und Leib mit den Flügeln um-
hüllt. Jn hohlen Bäumen findet man sie wohl auch und zwar zuweilen in einer Anzahl von mehreren
hundert Stück. Jn den düstern Urwäldern fliegen sie manchmal auch bei Tage umher: ihr eigentliches
Leben beginnt aber, wie das aller Flatterthiere, erst mit der Dämmerung. Ein scharfes Gesicht und
eine vortreffliche Spürnase lassen sie bald die Bäume ausfindig machen, welche gerade saftige und
reife Früchte besitzen, und zu diesen kommen sie nun zwar einzeln, sammeln sich aber bald in großen
Scharen und sind im Stande, einen solchen Baum vollkommen kahl zu fressen. Jn Weinbergen
erscheinen sie ebenfalls nicht selten in bedeutender Anzahl, und dann richten sie sehr großen Schaden
an; denn sie wissen sehr wohl, was gut schmeckt, und nehmen blos die reifen und süßen Früchte: die
anderen überlassen sie den übrigen Fruchtfressern. Zuweilen unternehmen sie in dicht gedrängten
Scharen weitere Wanderungen, ja man traut ihnen zu, daß sie von einer Jnsel auf die andere fliegen,
und in Wahrheit läßt sich wohl Nichts gegen diese Ansicht sagen. Die Früchte saugen sie mehr aus,
als sie dieselben fressen, und einige sollen sogar mit dem Safte der Blumen vorlieb nehmen. Man
sagt, daß sie den Faserstoff der Früchte auszuspeien pflegen, doch ist es ausgemacht, daß sie manche
Früchte auch gänzlich auffressen. Süße und duftige Früchte werden von ihnen allen anderen ent-
schieden vorgezogen, und deshalb sind Bananen, Pandangs, Pfirsiche, Misteln, wohlschmeckende Beeren,
zumal Trauben ihre Lieblingsnahrung. Wenn sie einmal in einem Fruchtgarten eingefallen sind,
fressen sie die ganze Nacht hindurch und machen dabei ein Geräusch, daß man sie schon aus weiter
Entfernung vernehmen kann. Man muß bestimmte Bäume in Gegenden, wo die Flughunde häufig

Die Flatterthiere. Flughunde.
herrſcht eine außerordentlich große Formverſchiedenheit, trotz der Aehnlichkeit im Ganzen, und deshalb
iſt die Eintheilung der Flatterthiere und die Beſtimmung derſelben ſelbſt für Forſcher ſehr ſchwierig.
Uns genügt es vollkommen, wenn wir einige der eigenthümlichſten Formen betrachten.



Die erſte Familie wird gebildet durch die fruchtfreſſenden Fledermäuſe (Pteropus).

Alle zu dieſer Familie gehörigen Thiere bewohnen ausſchließlich die wärmeren Gegenden der
alten Welt, namentlich den Oſten Afrikas und den Süden Aſiens. Jhrer Größe wegen ſind ſie ſeit
den älteſten Zeiten als wahre Ungeheuer verſchrien worden. Sie, die harmloſen und gemüthlichen
Thiere, hat man als ſcheußliche Harpien und furchtbare Vampire angeſehen; unter ihnen ſuchte man
die greulichen Weſen der Einbildung, welche ſich auf den Menſchen während des Schlafs ſetzen und
ihm das Herzblut ausſaugen ſollten; in ihnen ſah man die zur ewigen Verdammniß verurtheilten
Geiſter Verworfener, welche durch ihren Biß ganz unſchuldige Menſchen ebenfalls wieder zu Ver-
worfenen verwandeln könnten. Kurz, der blühendſte Aberglaube beſchäftigte ſich nach Kräften mit
dieſen Säugethieren, welche weiter Nichts verſchuldet haben, als etwas eigenthümlich gebildet zu ſein,
und in ihrer Ordnung einige kleine und eben wegen ihrer geringen Größe ziemlich unſchädliche Mit-
glieder zu beſitzen, die ſich des Frevels der Blutausſaugung allerdings ſchuldig machen.

Die Naturwiſſenſchaft kann die abergläubiſchen Leute — denn heute noch giebt es gerade genug
Unwiſſende, welche in der Natur vollkommen fremd ſind und in unſeren Thieren ſcheußliche Vampire
zu ſehen glauben — beſſer über die fruchtfreſſenden Fledermäuſe oder Flughunde belehren. Die-
ſelben haben ſo ziemlich die Fledermausgeſtalt, aber eine viel bedeutendere Größe und einen ganz
anders gebildeten Kopf. Der iſt nämlich ein wirklich gemüthlicher Hunde- oder Fuchskopf, und des-
wegen haben die Thiere den Namen von Flughunden oder fliegenden Füchſen erhalten. Die Flatter-
haut iſt der anderer Fledermäuſe ganz ähnlich und deshalb auch die Gliederung der Arme und
Beine. Außer dem Daumen hat aber noch der Zeigefinger den krallenförmigen Nagel. Der Naſe
fehlt der Hautauſatz ſtets, und die Ohren ſind niemals mit einer Klappe verſehen. Hierdurch kenn-
zeichnen ſie ſich alſo leicht von den übrigen Fledermäuſen.

Die Flughunde bewohnen am liebſten dunkle Waldungen und bedecken bei Tage oft in unzähl-
barer Menge die Bäume; denn ſie ziehen ſich weniger in Spalten, Löcher, Höhlen, unter Baum-
rinden zurück, ſondern hängen frei, reihenweiſe an den Aeſten, Kopf und Leib mit den Flügeln um-
hüllt. Jn hohlen Bäumen findet man ſie wohl auch und zwar zuweilen in einer Anzahl von mehreren
hundert Stück. Jn den düſtern Urwäldern fliegen ſie manchmal auch bei Tage umher: ihr eigentliches
Leben beginnt aber, wie das aller Flatterthiere, erſt mit der Dämmerung. Ein ſcharfes Geſicht und
eine vortreffliche Spürnaſe laſſen ſie bald die Bäume ausfindig machen, welche gerade ſaftige und
reife Früchte beſitzen, und zu dieſen kommen ſie nun zwar einzeln, ſammeln ſich aber bald in großen
Scharen und ſind im Stande, einen ſolchen Baum vollkommen kahl zu freſſen. Jn Weinbergen
erſcheinen ſie ebenfalls nicht ſelten in bedeutender Anzahl, und dann richten ſie ſehr großen Schaden
an; denn ſie wiſſen ſehr wohl, was gut ſchmeckt, und nehmen blos die reifen und ſüßen Früchte: die
anderen überlaſſen ſie den übrigen Fruchtfreſſern. Zuweilen unternehmen ſie in dicht gedrängten
Scharen weitere Wanderungen, ja man traut ihnen zu, daß ſie von einer Jnſel auf die andere fliegen,
und in Wahrheit läßt ſich wohl Nichts gegen dieſe Anſicht ſagen. Die Früchte ſaugen ſie mehr aus,
als ſie dieſelben freſſen, und einige ſollen ſogar mit dem Safte der Blumen vorlieb nehmen. Man
ſagt, daß ſie den Faſerſtoff der Früchte auszuſpeien pflegen, doch iſt es ausgemacht, daß ſie manche
Früchte auch gänzlich auffreſſen. Süße und duftige Früchte werden von ihnen allen anderen ent-
ſchieden vorgezogen, und deshalb ſind Bananen, Pandangs, Pfirſiche, Miſteln, wohlſchmeckende Beeren,
zumal Trauben ihre Lieblingsnahrung. Wenn ſie einmal in einem Fruchtgarten eingefallen ſind,
freſſen ſie die ganze Nacht hindurch und machen dabei ein Geräuſch, daß man ſie ſchon aus weiter
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[162/0220] Die Flatterthiere. Flughunde. herrſcht eine außerordentlich große Formverſchiedenheit, trotz der Aehnlichkeit im Ganzen, und deshalb iſt die Eintheilung der Flatterthiere und die Beſtimmung derſelben ſelbſt für Forſcher ſehr ſchwierig. Uns genügt es vollkommen, wenn wir einige der eigenthümlichſten Formen betrachten. Die erſte Familie wird gebildet durch die fruchtfreſſenden Fledermäuſe (Pteropus). Alle zu dieſer Familie gehörigen Thiere bewohnen ausſchließlich die wärmeren Gegenden der alten Welt, namentlich den Oſten Afrikas und den Süden Aſiens. Jhrer Größe wegen ſind ſie ſeit den älteſten Zeiten als wahre Ungeheuer verſchrien worden. Sie, die harmloſen und gemüthlichen Thiere, hat man als ſcheußliche Harpien und furchtbare Vampire angeſehen; unter ihnen ſuchte man die greulichen Weſen der Einbildung, welche ſich auf den Menſchen während des Schlafs ſetzen und ihm das Herzblut ausſaugen ſollten; in ihnen ſah man die zur ewigen Verdammniß verurtheilten Geiſter Verworfener, welche durch ihren Biß ganz unſchuldige Menſchen ebenfalls wieder zu Ver- worfenen verwandeln könnten. Kurz, der blühendſte Aberglaube beſchäftigte ſich nach Kräften mit dieſen Säugethieren, welche weiter Nichts verſchuldet haben, als etwas eigenthümlich gebildet zu ſein, und in ihrer Ordnung einige kleine und eben wegen ihrer geringen Größe ziemlich unſchädliche Mit- glieder zu beſitzen, die ſich des Frevels der Blutausſaugung allerdings ſchuldig machen. Die Naturwiſſenſchaft kann die abergläubiſchen Leute — denn heute noch giebt es gerade genug Unwiſſende, welche in der Natur vollkommen fremd ſind und in unſeren Thieren ſcheußliche Vampire zu ſehen glauben — beſſer über die fruchtfreſſenden Fledermäuſe oder Flughunde belehren. Die- ſelben haben ſo ziemlich die Fledermausgeſtalt, aber eine viel bedeutendere Größe und einen ganz anders gebildeten Kopf. Der iſt nämlich ein wirklich gemüthlicher Hunde- oder Fuchskopf, und des- wegen haben die Thiere den Namen von Flughunden oder fliegenden Füchſen erhalten. Die Flatter- haut iſt der anderer Fledermäuſe ganz ähnlich und deshalb auch die Gliederung der Arme und Beine. Außer dem Daumen hat aber noch der Zeigefinger den krallenförmigen Nagel. Der Naſe fehlt der Hautauſatz ſtets, und die Ohren ſind niemals mit einer Klappe verſehen. Hierdurch kenn- zeichnen ſie ſich alſo leicht von den übrigen Fledermäuſen. Die Flughunde bewohnen am liebſten dunkle Waldungen und bedecken bei Tage oft in unzähl- barer Menge die Bäume; denn ſie ziehen ſich weniger in Spalten, Löcher, Höhlen, unter Baum- rinden zurück, ſondern hängen frei, reihenweiſe an den Aeſten, Kopf und Leib mit den Flügeln um- hüllt. Jn hohlen Bäumen findet man ſie wohl auch und zwar zuweilen in einer Anzahl von mehreren hundert Stück. Jn den düſtern Urwäldern fliegen ſie manchmal auch bei Tage umher: ihr eigentliches Leben beginnt aber, wie das aller Flatterthiere, erſt mit der Dämmerung. Ein ſcharfes Geſicht und eine vortreffliche Spürnaſe laſſen ſie bald die Bäume ausfindig machen, welche gerade ſaftige und reife Früchte beſitzen, und zu dieſen kommen ſie nun zwar einzeln, ſammeln ſich aber bald in großen Scharen und ſind im Stande, einen ſolchen Baum vollkommen kahl zu freſſen. Jn Weinbergen erſcheinen ſie ebenfalls nicht ſelten in bedeutender Anzahl, und dann richten ſie ſehr großen Schaden an; denn ſie wiſſen ſehr wohl, was gut ſchmeckt, und nehmen blos die reifen und ſüßen Früchte: die anderen überlaſſen ſie den übrigen Fruchtfreſſern. Zuweilen unternehmen ſie in dicht gedrängten Scharen weitere Wanderungen, ja man traut ihnen zu, daß ſie von einer Jnſel auf die andere fliegen, und in Wahrheit läßt ſich wohl Nichts gegen dieſe Anſicht ſagen. Die Früchte ſaugen ſie mehr aus, als ſie dieſelben freſſen, und einige ſollen ſogar mit dem Safte der Blumen vorlieb nehmen. Man ſagt, daß ſie den Faſerſtoff der Früchte auszuſpeien pflegen, doch iſt es ausgemacht, daß ſie manche Früchte auch gänzlich auffreſſen. Süße und duftige Früchte werden von ihnen allen anderen ent- ſchieden vorgezogen, und deshalb ſind Bananen, Pandangs, Pfirſiche, Miſteln, wohlſchmeckende Beeren, zumal Trauben ihre Lieblingsnahrung. Wenn ſie einmal in einem Fruchtgarten eingefallen ſind, freſſen ſie die ganze Nacht hindurch und machen dabei ein Geräuſch, daß man ſie ſchon aus weiter Entfernung vernehmen kann. Man muß beſtimmte Bäume in Gegenden, wo die Flughunde häufig

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/220>, abgerufen am 24.11.2024.