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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Nahrung. Frei- und Gefangenleben. Nutzen.
sind, durch Netze oder Geflechte schützen; anders kann man sich vor ihren Räubereien nicht verwahren,
da sie ja mit Leichtigkeit über alle Umzäunungen, die anderen Thieren Hindernisse sein könnten, hin-
wegfliegen. Durch Schüsse und dergleichen lassen sie sich nicht vertreiben. Sie fliegen dann höchstens
von einem Baume auf den anderen und setzen dort ihre Mahlzeit fort.

Bei Tage sind sie sehr furchtsam und ergreifen augenblicklich die Flucht, sobald sie etwas Ver-
dächtiges bemerken. Ein Raubvogel bringt sie in die größte Aufregung und ein heftiger Donner-
schlag oder ein Schuß geradezu in Verzweiflung. Sie stürzen dann ohne weiteres von oben zur Erde
herab, und hier rennt nun eine schwarze oder graue oder braune Schar im tollsten Eifer aus einander,
klettert an allen erhabenen Gegenständen, selbst an Pferden und Menschen gewandt in die Höhe, ohne
sich beirren zu lassen, hängt sich fest, breitet die Flügel, thut einige Schläge und fliegt dahin, um
sich ein anderweitiges Versteck zu suchen. Jhr Flug ist rasch und lebhaft des Nachts, aber nicht
eben hoch; bei Tage jedoch treibt sie ihre Furchtsamkeit öfters in eine Höhe von mehreren hundert
Fuß empor. Sie können nur von erhabenen Gegenständen abfliegen, niemals von der Erde, sind
aber ganz geschickt auf dieser und laufen wie die Ratten umher, klettern auch vorzüglich an Baum-
stämmen und Aesten bis in die höchsten Wipfel hinauf. Sie schreien viel und zwar, wenn sie
ruhig an einem Baume sitzen, ganz eigenthümlich zischend und kreischend, zuweilen auch ähnlich
wie die Gänfe.

Das Weibchen bringt einmal im Jahre ein oder zwei Junge zur Welt, welche sich an den
Brüsten festhalten und von ihr, wie Gleiches auch bei anderen Fledermäusen geschieht, im Fluge
herumgetragen werden. Die Jungen sollen von den Müttern sehr geliebt werden.

Jn der Gefangenschaft werden sie schon nach wenigen Tagen zahm und gewöhnen sich leicht an
die Personen, welche sie pflegen, zeigen sogar eine gewisse Anhänglichkeit für sie. Sie nehmen ihnen
bald das Futter aus der Hand und versuchen weder zu beißen, noch zu kratzen. Anders ist es, wenn
man sie flügellahm geschossen hat oder sie plötzlich fängt; dann wehren sie sich und beißen ziemlich derb.
Man nährt sie in der Gefangenschaft mit gekochtem Reis, Brod und Zuckerrohr und kann sie lange
erhalten. Besonders gern trinken sie Zuckerwasser mit Reis. Wenn man ihnen Speisen und Getränke
in der hohlen Hand vorhält, gewöhnt man sie bald daran, diese wie ein Hund zu belecken. Bei Tage
sind sie meist ruhig, Abends aber geht ihr Leben an, und sie lärmen dann tüchtig im Käfig herum.

Der Nutzen, welchen diese Flatterthiere bringen, mag den Schaden so ziemlich aufheben. Sie
werden gegessen, und man behauptet, daß das Fleisch trotz seines unangenehmen Bisamgeruchs wohl-
schmeckend und dem Kaninchen- oder Feldhühnerfleische ähnlich sein soll. Namentlich werden die
jungen Thiere gerühmt, welche erst ein Alter von fünf Monaten erreicht haben. Selbst ihren Pelz
soll man benutzen können.

Es ist sehr anziehend und unterhaltend, die Ansichten der verschiedenen Völker über unsere
Thiere kennen zu lernen. Schon Herodot spricht von großen Fledermäusen in Arabien, welche auf
der in Sümpfen wachsenden Pflanze Casia sich aufhalten, sehr stark sind und fürchterlich schwirren.
Die Leute, welche die Casia sammeln, bedecken ihren ganzen Leib und das Gesicht bis auf die Augen
mit Leder, um sie hierdurch von ihren Gesichtern abzuhalten, und dann erst können sie Ernte halten.
Strabo erzählt blos, daß es in Mesopotamien, in der Nähe des Euphrat, eine ungeheure Menge
Fledermäuse gäbe, welche viel größer wären, als an anderen Orten. Er berichtet auch, daß sie ge-
fangen und gegessen würden. Der Schwede Köping behauptet, daß die Flatterhunde des Nachts in
ganzen Herden hervorkämen, sehr viel Palmensaft söffen, davon ganz betrunken würden und dann
wie todt auf den Boden fielen. Er selbst habe einen solchen gefangen und an die Wand genagelt.
Er habe aber die Nägel benagt und sie so rund gemacht, als wenn man sie befeilt hätte. Jeder un-
kundige, gebildete Europäer, namentlich die weibliche Hälfte unsers Volks, erblickt in den Thieren,
sobald sie dieselben zu Gesicht bekommen, augenblicklich die entsetzlichen Vampire und fürchtet sich
fast vor den Ungeheuern. Die Hindus dagegen sehen in ihnen heilige Wesen. Als sich Hügel bei
Nurpur befand und Abends durch die Straßen ging, sah er über sich ein Thier fliegen, schoß mit

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Nahrung. Frei- und Gefangenleben. Nutzen.
ſind, durch Netze oder Geflechte ſchützen; anders kann man ſich vor ihren Räubereien nicht verwahren,
da ſie ja mit Leichtigkeit über alle Umzäunungen, die anderen Thieren Hinderniſſe ſein könnten, hin-
wegfliegen. Durch Schüſſe und dergleichen laſſen ſie ſich nicht vertreiben. Sie fliegen dann höchſtens
von einem Baume auf den anderen und ſetzen dort ihre Mahlzeit fort.

Bei Tage ſind ſie ſehr furchtſam und ergreifen augenblicklich die Flucht, ſobald ſie etwas Ver-
dächtiges bemerken. Ein Raubvogel bringt ſie in die größte Aufregung und ein heftiger Donner-
ſchlag oder ein Schuß geradezu in Verzweiflung. Sie ſtürzen dann ohne weiteres von oben zur Erde
herab, und hier rennt nun eine ſchwarze oder graue oder braune Schar im tollſten Eifer aus einander,
klettert an allen erhabenen Gegenſtänden, ſelbſt an Pferden und Menſchen gewandt in die Höhe, ohne
ſich beirren zu laſſen, hängt ſich feſt, breitet die Flügel, thut einige Schläge und fliegt dahin, um
ſich ein anderweitiges Verſteck zu ſuchen. Jhr Flug iſt raſch und lebhaft des Nachts, aber nicht
eben hoch; bei Tage jedoch treibt ſie ihre Furchtſamkeit öfters in eine Höhe von mehreren hundert
Fuß empor. Sie können nur von erhabenen Gegenſtänden abfliegen, niemals von der Erde, ſind
aber ganz geſchickt auf dieſer und laufen wie die Ratten umher, klettern auch vorzüglich an Baum-
ſtämmen und Aeſten bis in die höchſten Wipfel hinauf. Sie ſchreien viel und zwar, wenn ſie
ruhig an einem Baume ſitzen, ganz eigenthümlich ziſchend und kreiſchend, zuweilen auch ähnlich
wie die Gänfe.

Das Weibchen bringt einmal im Jahre ein oder zwei Junge zur Welt, welche ſich an den
Brüſten feſthalten und von ihr, wie Gleiches auch bei anderen Fledermäuſen geſchieht, im Fluge
herumgetragen werden. Die Jungen ſollen von den Müttern ſehr geliebt werden.

Jn der Gefangenſchaft werden ſie ſchon nach wenigen Tagen zahm und gewöhnen ſich leicht an
die Perſonen, welche ſie pflegen, zeigen ſogar eine gewiſſe Anhänglichkeit für ſie. Sie nehmen ihnen
bald das Futter aus der Hand und verſuchen weder zu beißen, noch zu kratzen. Anders iſt es, wenn
man ſie flügellahm geſchoſſen hat oder ſie plötzlich fängt; dann wehren ſie ſich und beißen ziemlich derb.
Man nährt ſie in der Gefangenſchaft mit gekochtem Reis, Brod und Zuckerrohr und kann ſie lange
erhalten. Beſonders gern trinken ſie Zuckerwaſſer mit Reis. Wenn man ihnen Speiſen und Getränke
in der hohlen Hand vorhält, gewöhnt man ſie bald daran, dieſe wie ein Hund zu belecken. Bei Tage
ſind ſie meiſt ruhig, Abends aber geht ihr Leben an, und ſie lärmen dann tüchtig im Käfig herum.

Der Nutzen, welchen dieſe Flatterthiere bringen, mag den Schaden ſo ziemlich aufheben. Sie
werden gegeſſen, und man behauptet, daß das Fleiſch trotz ſeines unangenehmen Biſamgeruchs wohl-
ſchmeckend und dem Kaninchen- oder Feldhühnerfleiſche ähnlich ſein ſoll. Namentlich werden die
jungen Thiere gerühmt, welche erſt ein Alter von fünf Monaten erreicht haben. Selbſt ihren Pelz
ſoll man benutzen können.

Es iſt ſehr anziehend und unterhaltend, die Anſichten der verſchiedenen Völker über unſere
Thiere kennen zu lernen. Schon Herodot ſpricht von großen Fledermäuſen in Arabien, welche auf
der in Sümpfen wachſenden Pflanze Caſia ſich aufhalten, ſehr ſtark ſind und fürchterlich ſchwirren.
Die Leute, welche die Caſia ſammeln, bedecken ihren ganzen Leib und das Geſicht bis auf die Augen
mit Leder, um ſie hierdurch von ihren Geſichtern abzuhalten, und dann erſt können ſie Ernte halten.
Strabo erzählt blos, daß es in Meſopotamien, in der Nähe des Euphrat, eine ungeheure Menge
Fledermäuſe gäbe, welche viel größer wären, als an anderen Orten. Er berichtet auch, daß ſie ge-
fangen und gegeſſen würden. Der Schwede Köping behauptet, daß die Flatterhunde des Nachts in
ganzen Herden hervorkämen, ſehr viel Palmenſaft ſöffen, davon ganz betrunken würden und dann
wie todt auf den Boden fielen. Er ſelbſt habe einen ſolchen gefangen und an die Wand genagelt.
Er habe aber die Nägel benagt und ſie ſo rund gemacht, als wenn man ſie befeilt hätte. Jeder un-
kundige, gebildete Europäer, namentlich die weibliche Hälfte unſers Volks, erblickt in den Thieren,
ſobald ſie dieſelben zu Geſicht bekommen, augenblicklich die entſetzlichen Vampire und fürchtet ſich
faſt vor den Ungeheuern. Die Hindus dagegen ſehen in ihnen heilige Weſen. Als ſich Hügel bei
Nurpur befand und Abends durch die Straßen ging, ſah er über ſich ein Thier fliegen, ſchoß mit

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[163/0221] Nahrung. Frei- und Gefangenleben. Nutzen. ſind, durch Netze oder Geflechte ſchützen; anders kann man ſich vor ihren Räubereien nicht verwahren, da ſie ja mit Leichtigkeit über alle Umzäunungen, die anderen Thieren Hinderniſſe ſein könnten, hin- wegfliegen. Durch Schüſſe und dergleichen laſſen ſie ſich nicht vertreiben. Sie fliegen dann höchſtens von einem Baume auf den anderen und ſetzen dort ihre Mahlzeit fort. Bei Tage ſind ſie ſehr furchtſam und ergreifen augenblicklich die Flucht, ſobald ſie etwas Ver- dächtiges bemerken. Ein Raubvogel bringt ſie in die größte Aufregung und ein heftiger Donner- ſchlag oder ein Schuß geradezu in Verzweiflung. Sie ſtürzen dann ohne weiteres von oben zur Erde herab, und hier rennt nun eine ſchwarze oder graue oder braune Schar im tollſten Eifer aus einander, klettert an allen erhabenen Gegenſtänden, ſelbſt an Pferden und Menſchen gewandt in die Höhe, ohne ſich beirren zu laſſen, hängt ſich feſt, breitet die Flügel, thut einige Schläge und fliegt dahin, um ſich ein anderweitiges Verſteck zu ſuchen. Jhr Flug iſt raſch und lebhaft des Nachts, aber nicht eben hoch; bei Tage jedoch treibt ſie ihre Furchtſamkeit öfters in eine Höhe von mehreren hundert Fuß empor. Sie können nur von erhabenen Gegenſtänden abfliegen, niemals von der Erde, ſind aber ganz geſchickt auf dieſer und laufen wie die Ratten umher, klettern auch vorzüglich an Baum- ſtämmen und Aeſten bis in die höchſten Wipfel hinauf. Sie ſchreien viel und zwar, wenn ſie ruhig an einem Baume ſitzen, ganz eigenthümlich ziſchend und kreiſchend, zuweilen auch ähnlich wie die Gänfe. Das Weibchen bringt einmal im Jahre ein oder zwei Junge zur Welt, welche ſich an den Brüſten feſthalten und von ihr, wie Gleiches auch bei anderen Fledermäuſen geſchieht, im Fluge herumgetragen werden. Die Jungen ſollen von den Müttern ſehr geliebt werden. Jn der Gefangenſchaft werden ſie ſchon nach wenigen Tagen zahm und gewöhnen ſich leicht an die Perſonen, welche ſie pflegen, zeigen ſogar eine gewiſſe Anhänglichkeit für ſie. Sie nehmen ihnen bald das Futter aus der Hand und verſuchen weder zu beißen, noch zu kratzen. Anders iſt es, wenn man ſie flügellahm geſchoſſen hat oder ſie plötzlich fängt; dann wehren ſie ſich und beißen ziemlich derb. Man nährt ſie in der Gefangenſchaft mit gekochtem Reis, Brod und Zuckerrohr und kann ſie lange erhalten. Beſonders gern trinken ſie Zuckerwaſſer mit Reis. Wenn man ihnen Speiſen und Getränke in der hohlen Hand vorhält, gewöhnt man ſie bald daran, dieſe wie ein Hund zu belecken. Bei Tage ſind ſie meiſt ruhig, Abends aber geht ihr Leben an, und ſie lärmen dann tüchtig im Käfig herum. Der Nutzen, welchen dieſe Flatterthiere bringen, mag den Schaden ſo ziemlich aufheben. Sie werden gegeſſen, und man behauptet, daß das Fleiſch trotz ſeines unangenehmen Biſamgeruchs wohl- ſchmeckend und dem Kaninchen- oder Feldhühnerfleiſche ähnlich ſein ſoll. Namentlich werden die jungen Thiere gerühmt, welche erſt ein Alter von fünf Monaten erreicht haben. Selbſt ihren Pelz ſoll man benutzen können. Es iſt ſehr anziehend und unterhaltend, die Anſichten der verſchiedenen Völker über unſere Thiere kennen zu lernen. Schon Herodot ſpricht von großen Fledermäuſen in Arabien, welche auf der in Sümpfen wachſenden Pflanze Caſia ſich aufhalten, ſehr ſtark ſind und fürchterlich ſchwirren. Die Leute, welche die Caſia ſammeln, bedecken ihren ganzen Leib und das Geſicht bis auf die Augen mit Leder, um ſie hierdurch von ihren Geſichtern abzuhalten, und dann erſt können ſie Ernte halten. Strabo erzählt blos, daß es in Meſopotamien, in der Nähe des Euphrat, eine ungeheure Menge Fledermäuſe gäbe, welche viel größer wären, als an anderen Orten. Er berichtet auch, daß ſie ge- fangen und gegeſſen würden. Der Schwede Köping behauptet, daß die Flatterhunde des Nachts in ganzen Herden hervorkämen, ſehr viel Palmenſaft ſöffen, davon ganz betrunken würden und dann wie todt auf den Boden fielen. Er ſelbſt habe einen ſolchen gefangen und an die Wand genagelt. Er habe aber die Nägel benagt und ſie ſo rund gemacht, als wenn man ſie befeilt hätte. Jeder un- kundige, gebildete Europäer, namentlich die weibliche Hälfte unſers Volks, erblickt in den Thieren, ſobald ſie dieſelben zu Geſicht bekommen, augenblicklich die entſetzlichen Vampire und fürchtet ſich faſt vor den Ungeheuern. Die Hindus dagegen ſehen in ihnen heilige Weſen. Als ſich Hügel bei Nurpur befand und Abends durch die Straßen ging, ſah er über ſich ein Thier fliegen, ſchoß mit 11*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/221>, abgerufen am 24.11.2024.