Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.Die Halbaffen. Langfüßer. -- Der kleine und der gemeine Galago. Der ersten Sippe unserer Familie, den Ohrenaffen (Otolienus), gehört der gemeine Galago Man findet den gemeinen Galago oder Moholi in einem großen Theile von Afrika. Adanson [Abbildung]
Der kleine und der gemeine Galage (Otollenus minor und Otolienus Galago). Eingebornen ist er unter dem Namen Teudj wohlbekannt; sie glauben, daß er ursprünglich ein Affegewesen und nur wegen seiner Schlaffucht so herabgekommen sei. Wir fanden das Thier nur in Mimosenwäldern und zwar in niederen ebensowohl, als in hochstämmigen. Gewöhnlich war ein Pärchen beifammen. Die Thiere schliefen, auf dichten Aesten ganz nahe am Stamme sitzend, wurden aber augenblicklich munter, sobald sie unsere Fußtritte vernahmen. Wenn wir sie aufscheuchten, kletterten sie -- bei Tage -- rasch und gewandt an dem Geäst umher, ergriffen aber niemals die Flucht, sondern blieben immer bald wieder ruhig und vertrauensvoll sitzen und lauschten und spähten durch das dichte Laubwerk nach uns hernieder. Durch die vielen scharfen Stacheln der Mimosen wußten sie sich sehr geschickt zu bewegen und verstanden es auch, recht hübsche Sätze von einem Baum zu machen. Nachts sollen sie, wie man uns sagte, sehr schnell aber vollkommen lautlos ihrer Kerb- thierjagd oder wenigstens ihrer Fruchternte obliegen, und ihre Augen sollen dann schimmern "wie das brennende Feuer". Man sagte, daß die Thiere sehr leicht in Schlingen gefangen, ja, bei Tage von guten Kletterern sogar mit der Hand erhascht werden können; denn der Fänger brauche nur den Ast, Die Halbaffen. Langfüßer. — Der kleine und der gemeine Galago. Der erſten Sippe unſerer Familie, den Ohrenaffen (Otolienus), gehört der gemeine Galago Man findet den gemeinen Galago oder Moholi in einem großen Theile von Afrika. Adanſon [Abbildung]
Der kleine und der gemeine Galage (Otollenus minor und Otolienus Galago). Eingebornen iſt er unter dem Namen Teudj wohlbekannt; ſie glauben, daß er urſprünglich ein Affegeweſen und nur wegen ſeiner Schlaffucht ſo herabgekommen ſei. Wir fanden das Thier nur in Mimoſenwäldern und zwar in niederen ebenſowohl, als in hochſtämmigen. Gewöhnlich war ein Pärchen beifammen. Die Thiere ſchliefen, auf dichten Aeſten ganz nahe am Stamme ſitzend, wurden aber augenblicklich munter, ſobald ſie unſere Fußtritte vernahmen. Wenn wir ſie aufſcheuchten, kletterten ſie — bei Tage — raſch und gewandt an dem Geäſt umher, ergriffen aber niemals die Flucht, ſondern blieben immer bald wieder ruhig und vertrauensvoll ſitzen und lauſchten und ſpähten durch das dichte Laubwerk nach uns hernieder. Durch die vielen ſcharfen Stacheln der Mimoſen wußten ſie ſich ſehr geſchickt zu bewegen und verſtanden es auch, recht hübſche Sätze von einem Baum zu machen. Nachts ſollen ſie, wie man uns ſagte, ſehr ſchnell aber vollkommen lautlos ihrer Kerb- thierjagd oder wenigſtens ihrer Fruchternte obliegen, und ihre Augen ſollen dann ſchimmern „wie das brennende Feuer‟. Man ſagte, daß die Thiere ſehr leicht in Schlingen gefangen, ja, bei Tage von guten Kletterern ſogar mit der Hand erhaſcht werden können; denn der Fänger brauche nur den Aſt, <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0202" n="144"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Halbaffen.</hi> Langfüßer. — <hi rendition="#g">Der kleine</hi> und der <hi rendition="#g">gemeine Galago.</hi></fw><lb/> <p>Der erſten Sippe unſerer Familie, den <hi rendition="#g">Ohrenaffen</hi> (<hi rendition="#aq">Otolienus</hi>), gehört der <hi rendition="#g">gemeine Galago</hi><lb/> (<hi rendition="#aq">Otolienus Galago</hi>) an. Das außerordentlich zierliche Thierchen beſitzt, wie ſeine wenigen Ver-<lb/> wandten, einen gedrungenen Körperbau, mittellange und ziemlich ſtarke Gliedmaßen, einen langen,<lb/> buſchigen Schwanz, große, nackte Ohren und einen Krallennagel an dem Zeigefinger der Hinterhände.<lb/> Jn ſeiner Größe kommt es unſerm <hi rendition="#g">Eichhörnchen</hi> etwa gleich; die Länge ſeines Körpers beträgt<lb/> ſieben, die des Schwanzes neun Zoll. Sein kurzer, aber dichter und ſeidenweicher Pelz iſt auf der<lb/> Oberſeite fahlgrau, am Kopfe und auf dem Rücken ſchwach röthlich, aber an der Jnnenſeite der Glied-<lb/> maßen, ſowie am Bauche gelblich weiß gefärbt; eine ähnliche Färbung zeigen auch die Wangen<lb/> und eine zwiſchen den Augen entſpringende und bis an das Nafenende verlaufende Längsbinde. Die<lb/> Ohren ſind fleiſchfarben.</p><lb/> <p>Man findet den gemeinen <hi rendition="#g">Galago</hi> oder <hi rendition="#g">Moholi</hi> in einem großen Theile von Afrika. <hi rendition="#g">Adanſon</hi><lb/> entdeckte ihn in den Waldungen des Königreichs <hi rendition="#g">Galam</hi> am Senegal; ſpätere Reiſende beobachteten<lb/> ihn in Moſambik, am Vorgebirge der guten Hoffnung und in Sudahn. Hier fand auch ich ihn<lb/> mehrere Male, immer aber nur weſtlich von dem weißen Nil und namentlich in Kordofahn. Den<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der kleine</hi> und <hi rendition="#g">der gemeine Galage</hi> (<hi rendition="#aq">Otollenus minor</hi> und <hi rendition="#aq">Otolienus Galago</hi>).</hi></head></figure><lb/> Eingebornen iſt er unter dem Namen <hi rendition="#g">Teudj</hi> wohlbekannt; ſie glauben, daß er urſprünglich ein Affe<lb/> geweſen und nur wegen ſeiner Schlaffucht ſo herabgekommen ſei. Wir fanden das Thier nur in<lb/> Mimoſenwäldern und zwar in niederen ebenſowohl, als in hochſtämmigen. Gewöhnlich war ein<lb/> Pärchen beifammen. Die Thiere ſchliefen, auf dichten Aeſten ganz nahe am Stamme ſitzend, wurden<lb/> aber augenblicklich munter, ſobald ſie unſere Fußtritte vernahmen. Wenn wir ſie aufſcheuchten,<lb/> kletterten ſie — bei Tage — raſch und gewandt an dem Geäſt umher, ergriffen aber niemals die<lb/> Flucht, ſondern blieben immer bald wieder ruhig und vertrauensvoll ſitzen und lauſchten und ſpähten<lb/> durch das dichte Laubwerk nach uns hernieder. Durch die vielen ſcharfen Stacheln der Mimoſen<lb/> wußten ſie ſich ſehr geſchickt zu bewegen und verſtanden es auch, recht hübſche Sätze von einem Baum<lb/> zu machen. Nachts ſollen ſie, wie man uns ſagte, ſehr ſchnell aber vollkommen lautlos ihrer Kerb-<lb/> thierjagd oder wenigſtens ihrer Fruchternte obliegen, und ihre Augen ſollen dann ſchimmern „wie das<lb/> brennende Feuer‟. Man ſagte, daß die Thiere ſehr leicht in Schlingen gefangen, ja, bei Tage von<lb/> guten Kletterern ſogar mit der Hand erhaſcht werden können; denn der Fänger brauche nur den Aſt,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0202]
Die Halbaffen. Langfüßer. — Der kleine und der gemeine Galago.
Der erſten Sippe unſerer Familie, den Ohrenaffen (Otolienus), gehört der gemeine Galago
(Otolienus Galago) an. Das außerordentlich zierliche Thierchen beſitzt, wie ſeine wenigen Ver-
wandten, einen gedrungenen Körperbau, mittellange und ziemlich ſtarke Gliedmaßen, einen langen,
buſchigen Schwanz, große, nackte Ohren und einen Krallennagel an dem Zeigefinger der Hinterhände.
Jn ſeiner Größe kommt es unſerm Eichhörnchen etwa gleich; die Länge ſeines Körpers beträgt
ſieben, die des Schwanzes neun Zoll. Sein kurzer, aber dichter und ſeidenweicher Pelz iſt auf der
Oberſeite fahlgrau, am Kopfe und auf dem Rücken ſchwach röthlich, aber an der Jnnenſeite der Glied-
maßen, ſowie am Bauche gelblich weiß gefärbt; eine ähnliche Färbung zeigen auch die Wangen
und eine zwiſchen den Augen entſpringende und bis an das Nafenende verlaufende Längsbinde. Die
Ohren ſind fleiſchfarben.
Man findet den gemeinen Galago oder Moholi in einem großen Theile von Afrika. Adanſon
entdeckte ihn in den Waldungen des Königreichs Galam am Senegal; ſpätere Reiſende beobachteten
ihn in Moſambik, am Vorgebirge der guten Hoffnung und in Sudahn. Hier fand auch ich ihn
mehrere Male, immer aber nur weſtlich von dem weißen Nil und namentlich in Kordofahn. Den
[Abbildung Der kleine und der gemeine Galage (Otollenus minor und Otolienus Galago).]
Eingebornen iſt er unter dem Namen Teudj wohlbekannt; ſie glauben, daß er urſprünglich ein Affe
geweſen und nur wegen ſeiner Schlaffucht ſo herabgekommen ſei. Wir fanden das Thier nur in
Mimoſenwäldern und zwar in niederen ebenſowohl, als in hochſtämmigen. Gewöhnlich war ein
Pärchen beifammen. Die Thiere ſchliefen, auf dichten Aeſten ganz nahe am Stamme ſitzend, wurden
aber augenblicklich munter, ſobald ſie unſere Fußtritte vernahmen. Wenn wir ſie aufſcheuchten,
kletterten ſie — bei Tage — raſch und gewandt an dem Geäſt umher, ergriffen aber niemals die
Flucht, ſondern blieben immer bald wieder ruhig und vertrauensvoll ſitzen und lauſchten und ſpähten
durch das dichte Laubwerk nach uns hernieder. Durch die vielen ſcharfen Stacheln der Mimoſen
wußten ſie ſich ſehr geſchickt zu bewegen und verſtanden es auch, recht hübſche Sätze von einem Baum
zu machen. Nachts ſollen ſie, wie man uns ſagte, ſehr ſchnell aber vollkommen lautlos ihrer Kerb-
thierjagd oder wenigſtens ihrer Fruchternte obliegen, und ihre Augen ſollen dann ſchimmern „wie das
brennende Feuer‟. Man ſagte, daß die Thiere ſehr leicht in Schlingen gefangen, ja, bei Tage von
guten Kletterern ſogar mit der Hand erhaſcht werden können; denn der Fänger brauche nur den Aſt,
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