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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Eigenschaften. Nahrung. Eigene Beobachtungen. Jagden.
Ueberraschendes hatte, daß uns alle Ruhe verloren ging. Jmmerhin aber waren unsere Kugeln
noch gut genug gerichtet, um die Aufregung der Affen bis zum Entsetzen zu steigern. Ueberaus komisch
sah es aus, wie die ganze Herde nach einem Schuß urplötzlich sich an einem Felsen anklammerte,
als fürchte sie, durch die blose Erschütterung zur Tiefe herabgestürzt zu werden. Wie es schien,
entkamen Alle unversehrt unseren Geschossen. Allein der Schreck mochte ihnen doch wohl einen
Streich gespielt haben; denn es wollte uns dünken, als hätten sie die ihnen sonst eigne Berechnung
diesmal ganz außer Acht gelassen. Beim Umbiegen um die nächste Wendung des Thales trafen wir
die ganze Gesellschaft nicht mehr in der Höhe, sondern in der Tiefe an, eben im Begriff, das Thal zu
überschreiten, um auf den gegenüberliegenden Höhen Schutz zu suchen. Ein guter Theil der Herde
war schon am jenseitigen Ufer angekommen, die Hauptmasse aber noch zurück. Unsere Hunde stutzten
einen Augenblick, als sie das wogende Gewimmel erblickten; dann stürzten sie sich mit jauchzendem
Bellen unter die Bande. Jetzt zeigte sich uns ein Schauspiel, wie man es nur selten zu schauen
bekommt. Sobald die Hunde herbeieilten, stürzten sich von allen Felsen die alten Männchen herab in
das Thal, jenen entgegen, bildeten sofort einen Kreis um die Rüden, brüllten furchtbar, rissen die
zähnestarrenden Mänler weit auf, schlugen mit den Händen grimmig auf den Boden und sahen ihre
Gegner mit so boshaften, wüthend funkelnden Blicken an, daß diese sonst so muthigen, kampflustigen
Thiere entsetzt zurückprallten und ängstlich bei uns Schutz suchen wollten. Selbstverständlich hetzten
wir sie von neuem zum Kampfe, und es gelang uns auch glücklich, ihren Eifer wieder anzufachen. Das
Schauspiel hatte sich jedoch inzwischen verändert: die sich siegreich wähnenden Affen waren unterdeß auf
die erkorene Seite gezogen. Als die Hunde von frischem anstürmten, befanden sich nur wenige in der
Tiefe des Thales, unter ihnen ein etwa halbjähriges Jnnges. Es kreischte laut auf, als es die Hunde
erblickte, flüchtete eilends auf einen Felsblock und wurde hier kunstgerecht von unseren vortrefflichen
Thieren gestellt. Wir schmeichelten uns schon, diesen Affen erwischen zu können: allein es kam anders.
Stolz und würdevoll, ohne sich im geringsten zu beeilen und ohne auf uns zu achten, erschien vom
andern Ufer herüber eins der stärksten Männchen, ging furchtlos den Hunden entgegen, blitzte ihnen
giftige Blicke zu, welche sie vollkommen in Achtung hielten, stieg langsam auf den Felsblock zu dem
Jungen, schmeichelte diesem und trat mit ihm den Rückweg an, dicht an den Hunden vorüber, welche
so verblüfft waren, daß sie ihn mit seinem Schützling ruhig ziehen ließen. Diese muthige That des
Stammvaters der Herde erfüllte uns ebenfalls mit Ehrfurcht, und keiner von uns dachte daran, ihn
in seinem Wege zu stören, obgleich er sich uns nah genug zur Zielscheibe bot. Jn dem Gebüsch,
welches die bereits übergesetzte Herde noch zu durchschreiten hatte, wurden während dem alle nur
denkbaren Töne laut, und einige Mal vermeinten wir so deutlich das Gebrumm des Leoparden zu
vernehmen, daß ich mich schließlich verleiten ließ, diesem Raubthiere nachzuspüren, glaubend, es möchte
durch die Affen aufgestört worden und vielleicht mit ihnen im Kampfe begriffen sein; jedoch waren es
nur die Paviane gewesen, welche die merkwürdigen Töne ausgestoßen hatten.

Am folgenden Tage sollte ich übrigens Gelegenheit erhalten, Affen und Leoparden zusammen
zu sehen; ich verspare mir aber die Erzählung dieses Auftritts bis zur Beschreibung des Leoparden
selbst, weil dieser es war, welcher dabei die hervorragendste Rolle spielte.

Auf späteren Jagden lernte ich die Affen noch besser kennen und dabei die unglaubliche Lebens-
zähigkeit dieser Thiere bewundern. Wenn sie die Kugel nicht unmittelbar aufs Blatt oder in den
Kopf erhielten, gingen sie uns regelmäßig verloren. Sie eilten, auch wenn sie stark verwundet
waren, noch so rüstig davon, daß sie immer entkamen. Schrotschüsse fruchteten gar Nichts. Sie griffen
dann nur nach der verwundeten Stelle, rieben sie mit der Hand und setzten ihren Weg weiter fort,
als ob Nichts geschehen wäre. Schließlich waren wir so kühn geworden, daß wir gar nicht daran
glaubten, bei solchen Jagden irgendwie gefährdet zu sein. Allein auch hierüber sollten wir bald eines
Bessern belehrt werden.

Als ich mit dem Herzog von Koburg-Gotha, seinen fürstlichen Begleitern und der übrigen Reise-
gesellschaft das zweite Mal durch das Thal von Mensa zog, machte uns einer der Abissinier auf

Eigenſchaften. Nahrung. Eigene Beobachtungen. Jagden.
Ueberraſchendes hatte, daß uns alle Ruhe verloren ging. Jmmerhin aber waren unſere Kugeln
noch gut genug gerichtet, um die Aufregung der Affen bis zum Entſetzen zu ſteigern. Ueberaus komiſch
ſah es aus, wie die ganze Herde nach einem Schuß urplötzlich ſich an einem Felſen anklammerte,
als fürchte ſie, durch die bloſe Erſchütterung zur Tiefe herabgeſtürzt zu werden. Wie es ſchien,
entkamen Alle unverſehrt unſeren Geſchoſſen. Allein der Schreck mochte ihnen doch wohl einen
Streich geſpielt haben; denn es wollte uns dünken, als hätten ſie die ihnen ſonſt eigne Berechnung
diesmal ganz außer Acht gelaſſen. Beim Umbiegen um die nächſte Wendung des Thales trafen wir
die ganze Geſellſchaft nicht mehr in der Höhe, ſondern in der Tiefe an, eben im Begriff, das Thal zu
überſchreiten, um auf den gegenüberliegenden Höhen Schutz zu ſuchen. Ein guter Theil der Herde
war ſchon am jenſeitigen Ufer angekommen, die Hauptmaſſe aber noch zurück. Unſere Hunde ſtutzten
einen Augenblick, als ſie das wogende Gewimmel erblickten; dann ſtürzten ſie ſich mit jauchzendem
Bellen unter die Bande. Jetzt zeigte ſich uns ein Schauſpiel, wie man es nur ſelten zu ſchauen
bekommt. Sobald die Hunde herbeieilten, ſtürzten ſich von allen Felſen die alten Männchen herab in
das Thal, jenen entgegen, bildeten ſofort einen Kreis um die Rüden, brüllten furchtbar, riſſen die
zähneſtarrenden Mänler weit auf, ſchlugen mit den Händen grimmig auf den Boden und ſahen ihre
Gegner mit ſo boshaften, wüthend funkelnden Blicken an, daß dieſe ſonſt ſo muthigen, kampfluſtigen
Thiere entſetzt zurückprallten und ängſtlich bei uns Schutz ſuchen wollten. Selbſtverſtändlich hetzten
wir ſie von neuem zum Kampfe, und es gelang uns auch glücklich, ihren Eifer wieder anzufachen. Das
Schauſpiel hatte ſich jedoch inzwiſchen verändert: die ſich ſiegreich wähnenden Affen waren unterdeß auf
die erkorene Seite gezogen. Als die Hunde von friſchem anſtürmten, befanden ſich nur wenige in der
Tiefe des Thales, unter ihnen ein etwa halbjähriges Jnnges. Es kreiſchte laut auf, als es die Hunde
erblickte, flüchtete eilends auf einen Felsblock und wurde hier kunſtgerecht von unſeren vortrefflichen
Thieren geſtellt. Wir ſchmeichelten uns ſchon, dieſen Affen erwiſchen zu können: allein es kam anders.
Stolz und würdevoll, ohne ſich im geringſten zu beeilen und ohne auf uns zu achten, erſchien vom
andern Ufer herüber eins der ſtärkſten Männchen, ging furchtlos den Hunden entgegen, blitzte ihnen
giftige Blicke zu, welche ſie vollkommen in Achtung hielten, ſtieg langſam auf den Felsblock zu dem
Jungen, ſchmeichelte dieſem und trat mit ihm den Rückweg an, dicht an den Hunden vorüber, welche
ſo verblüfft waren, daß ſie ihn mit ſeinem Schützling ruhig ziehen ließen. Dieſe muthige That des
Stammvaters der Herde erfüllte uns ebenfalls mit Ehrfurcht, und keiner von uns dachte daran, ihn
in ſeinem Wege zu ſtören, obgleich er ſich uns nah genug zur Zielſcheibe bot. Jn dem Gebüſch,
welches die bereits übergeſetzte Herde noch zu durchſchreiten hatte, wurden während dem alle nur
denkbaren Töne laut, und einige Mal vermeinten wir ſo deutlich das Gebrumm des Leoparden zu
vernehmen, daß ich mich ſchließlich verleiten ließ, dieſem Raubthiere nachzuſpüren, glaubend, es möchte
durch die Affen aufgeſtört worden und vielleicht mit ihnen im Kampfe begriffen ſein; jedoch waren es
nur die Paviane geweſen, welche die merkwürdigen Töne ausgeſtoßen hatten.

Am folgenden Tage ſollte ich übrigens Gelegenheit erhalten, Affen und Leoparden zuſammen
zu ſehen; ich verſpare mir aber die Erzählung dieſes Auftritts bis zur Beſchreibung des Leoparden
ſelbſt, weil dieſer es war, welcher dabei die hervorragendſte Rolle ſpielte.

Auf ſpäteren Jagden lernte ich die Affen noch beſſer kennen und dabei die unglaubliche Lebens-
zähigkeit dieſer Thiere bewundern. Wenn ſie die Kugel nicht unmittelbar aufs Blatt oder in den
Kopf erhielten, gingen ſie uns regelmäßig verloren. Sie eilten, auch wenn ſie ſtark verwundet
waren, noch ſo rüſtig davon, daß ſie immer entkamen. Schrotſchüſſe fruchteten gar Nichts. Sie griffen
dann nur nach der verwundeten Stelle, rieben ſie mit der Hand und ſetzten ihren Weg weiter fort,
als ob Nichts geſchehen wäre. Schließlich waren wir ſo kühn geworden, daß wir gar nicht daran
glaubten, bei ſolchen Jagden irgendwie gefährdet zu ſein. Allein auch hierüber ſollten wir bald eines
Beſſern belehrt werden.

Als ich mit dem Herzog von Koburg-Gotha, ſeinen fürſtlichen Begleitern und der übrigen Reiſe-
geſellſchaft das zweite Mal durch das Thal von Menſa zog, machte uns einer der Abiſſinier auf

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[79/0135] Eigenſchaften. Nahrung. Eigene Beobachtungen. Jagden. Ueberraſchendes hatte, daß uns alle Ruhe verloren ging. Jmmerhin aber waren unſere Kugeln noch gut genug gerichtet, um die Aufregung der Affen bis zum Entſetzen zu ſteigern. Ueberaus komiſch ſah es aus, wie die ganze Herde nach einem Schuß urplötzlich ſich an einem Felſen anklammerte, als fürchte ſie, durch die bloſe Erſchütterung zur Tiefe herabgeſtürzt zu werden. Wie es ſchien, entkamen Alle unverſehrt unſeren Geſchoſſen. Allein der Schreck mochte ihnen doch wohl einen Streich geſpielt haben; denn es wollte uns dünken, als hätten ſie die ihnen ſonſt eigne Berechnung diesmal ganz außer Acht gelaſſen. Beim Umbiegen um die nächſte Wendung des Thales trafen wir die ganze Geſellſchaft nicht mehr in der Höhe, ſondern in der Tiefe an, eben im Begriff, das Thal zu überſchreiten, um auf den gegenüberliegenden Höhen Schutz zu ſuchen. Ein guter Theil der Herde war ſchon am jenſeitigen Ufer angekommen, die Hauptmaſſe aber noch zurück. Unſere Hunde ſtutzten einen Augenblick, als ſie das wogende Gewimmel erblickten; dann ſtürzten ſie ſich mit jauchzendem Bellen unter die Bande. Jetzt zeigte ſich uns ein Schauſpiel, wie man es nur ſelten zu ſchauen bekommt. Sobald die Hunde herbeieilten, ſtürzten ſich von allen Felſen die alten Männchen herab in das Thal, jenen entgegen, bildeten ſofort einen Kreis um die Rüden, brüllten furchtbar, riſſen die zähneſtarrenden Mänler weit auf, ſchlugen mit den Händen grimmig auf den Boden und ſahen ihre Gegner mit ſo boshaften, wüthend funkelnden Blicken an, daß dieſe ſonſt ſo muthigen, kampfluſtigen Thiere entſetzt zurückprallten und ängſtlich bei uns Schutz ſuchen wollten. Selbſtverſtändlich hetzten wir ſie von neuem zum Kampfe, und es gelang uns auch glücklich, ihren Eifer wieder anzufachen. Das Schauſpiel hatte ſich jedoch inzwiſchen verändert: die ſich ſiegreich wähnenden Affen waren unterdeß auf die erkorene Seite gezogen. Als die Hunde von friſchem anſtürmten, befanden ſich nur wenige in der Tiefe des Thales, unter ihnen ein etwa halbjähriges Jnnges. Es kreiſchte laut auf, als es die Hunde erblickte, flüchtete eilends auf einen Felsblock und wurde hier kunſtgerecht von unſeren vortrefflichen Thieren geſtellt. Wir ſchmeichelten uns ſchon, dieſen Affen erwiſchen zu können: allein es kam anders. Stolz und würdevoll, ohne ſich im geringſten zu beeilen und ohne auf uns zu achten, erſchien vom andern Ufer herüber eins der ſtärkſten Männchen, ging furchtlos den Hunden entgegen, blitzte ihnen giftige Blicke zu, welche ſie vollkommen in Achtung hielten, ſtieg langſam auf den Felsblock zu dem Jungen, ſchmeichelte dieſem und trat mit ihm den Rückweg an, dicht an den Hunden vorüber, welche ſo verblüfft waren, daß ſie ihn mit ſeinem Schützling ruhig ziehen ließen. Dieſe muthige That des Stammvaters der Herde erfüllte uns ebenfalls mit Ehrfurcht, und keiner von uns dachte daran, ihn in ſeinem Wege zu ſtören, obgleich er ſich uns nah genug zur Zielſcheibe bot. Jn dem Gebüſch, welches die bereits übergeſetzte Herde noch zu durchſchreiten hatte, wurden während dem alle nur denkbaren Töne laut, und einige Mal vermeinten wir ſo deutlich das Gebrumm des Leoparden zu vernehmen, daß ich mich ſchließlich verleiten ließ, dieſem Raubthiere nachzuſpüren, glaubend, es möchte durch die Affen aufgeſtört worden und vielleicht mit ihnen im Kampfe begriffen ſein; jedoch waren es nur die Paviane geweſen, welche die merkwürdigen Töne ausgeſtoßen hatten. Am folgenden Tage ſollte ich übrigens Gelegenheit erhalten, Affen und Leoparden zuſammen zu ſehen; ich verſpare mir aber die Erzählung dieſes Auftritts bis zur Beſchreibung des Leoparden ſelbſt, weil dieſer es war, welcher dabei die hervorragendſte Rolle ſpielte. Auf ſpäteren Jagden lernte ich die Affen noch beſſer kennen und dabei die unglaubliche Lebens- zähigkeit dieſer Thiere bewundern. Wenn ſie die Kugel nicht unmittelbar aufs Blatt oder in den Kopf erhielten, gingen ſie uns regelmäßig verloren. Sie eilten, auch wenn ſie ſtark verwundet waren, noch ſo rüſtig davon, daß ſie immer entkamen. Schrotſchüſſe fruchteten gar Nichts. Sie griffen dann nur nach der verwundeten Stelle, rieben ſie mit der Hand und ſetzten ihren Weg weiter fort, als ob Nichts geſchehen wäre. Schließlich waren wir ſo kühn geworden, daß wir gar nicht daran glaubten, bei ſolchen Jagden irgendwie gefährdet zu ſein. Allein auch hierüber ſollten wir bald eines Beſſern belehrt werden. Als ich mit dem Herzog von Koburg-Gotha, ſeinen fürſtlichen Begleitern und der übrigen Reiſe- geſellſchaft das zweite Mal durch das Thal von Menſa zog, machte uns einer der Abiſſinier auf

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/135>, abgerufen am 30.04.2024.