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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Hundsköpfe. -- Hamadryas oder Mantelpavian.
gefahrdrohender Annäherung eines Menschen oder eines Raubthieres aber werden die allerverschieden-
sten Töne laut. Am treffendsten kann man das Stimmengewirr einer erregten Pavianherde mit dem
Grunzen und Quieken eines zahlreichen Rudels von Schweinen vergleichen. Dazwischen aber ver-
nimmt man Laute, welche bald an das Brüllen des Leoparden, bald an das dumpfe Brummen eines
Herdenstiers erinnern. Die ganze Gesellschaft brüllt, brummt, bellt, schreit, grunzt und quiekt durch
einander. Alle kampffähigen Männchen rücken auf der Felskante vor und schauen aufmerksam in
das Thal hinab, um die Gefahr abzuschätzen; die Jungen suchen Schutz bei den älteren; die Kleinen
hängen sich an die Brust der Mütter oder klettern auch wohl auf deren Rücken, und nunmehr setzt
sich der ganze Zug in Bewegung und eilt auf allen Vieren laufend und hüpfend dahin.

Vor den Eingebornen fürchtet sich der Hamadryas so gut als gar nicht. Er zieht unbekümmert
um die braunen Leute dicht vor ihnen hin und trinkt aus demselben Bache mit ihnen. Ein Weißer
erregt jedoch schon mancherlei Bedenken, obwohl man nicht gerade behaupten kann, daß die Affen vor
ihm schen entflöhen. Mehr noch, als andere Familienverwandte, zeigen unsere Paviane jene bedächtige
Ruhe, welche niemals um einen Ausweg verlegen ist, die Gefahr mag noch so nah sein. Anders
verhält sich die Sache, wenn die Herde Hunde oder gar Leoparden gewahrt. Dann erheben die
alten Männchen ein furchtbares Gebrüll und Gebrumm, schlagen erzürnt mit der einen Hand auf den
Felsen, fletschen die Zähne und schauen funkelnden Auges auf jene Störenfriede hinab, augenblicklich
bereit, gemeinsam über sie herzufallen.

Die erste Gesellschaft, welche ich sah, ruhte eben von ihrer Frühwanderung aus. Sie saß auf
der Kante eines nach beiden Seiten hin ziemlich steil abfallenden Grates. Jch hatte schon von
weitem die hohen Gestalten der Männchen gesehen, dieselben aber für Felsblöcke gehalten, die auf dem
Kamme lägen; denn mit solchen haben die Affen, so lange sie ruhig sind, die größte Aehnlichkeit. Erst
ein wiederholtes einlautiges Bellen, ungefähr dem hoch ausgestoßenen Laute "Kuck" vergleichbar,
belehrte mich. Aller Köpfe richteten sich nach uns hernieder: nur die Jungen spielten noch unbesorgt
weiter, und einige Weibchen gaben ihr Lieblingsgeschäft nicht auf, sondern suchten noch eifrig den
Pelz eines alten Herrn nach Ungeziefer durch. Wahrscheinlich würde die ganze Gesellschaft in beob-
achtender Haltung geblieben sein, hätten wir nicht zwei muntere und üppige Hunde mit uns geführt,
schöne, schlanke Windspiele, gewohnt, die Hiäne von den Wohnungen abzutreiben, erprobt selbst im
Kampf gegen den Wolf jener Länder. Sie antworteten mit Gebell auf jene Laute, und nun be-
merkten wir einen allgemeinen Aufstand unter der Herde. Es mochte den Affen daran zu liegen
scheinen, einen noch sicherern Aufenthaltsort zu suchen. Sie zogen deshalb bis auf die letzten Posten
längs des Kammes dahin und verschwanden unseren Blicken. Doch sahen wir zu unserer Ueber-
raschung bei der nächsten Biegung des Thales die ganze Herde, diesmal an einer senkrecht erscheinen-
den, sehr hohen Felsenwand, wo sie in einer langen Reihe, in einer mir heut noch unbegreiflichen
Weise, wie an den Felsen klebten. Diese Reihe erschien uns zu lockend, als daß wir sie hätten un-
gestört in ihrer Ruhe lassen können. Die Jagdlust wurde allzumächtig. Von dem Bedanern, welches
jeder Jäger verspürt, wenn er kleine Affen jagt oder jagen will, fühlten wir jetzt keine Regung in uns
aufsteigen; denn die Paviane erschienen uns durchaus nicht als Zerrbilder des Menschen, sondern als
wüthende, grimmige Raubthiere, keiner Schonung werth und zur Jagd ganz geeignet. Leider war die
Wand so hoch, daß an ein sicheres Schießen nicht zu denken war. Wir gedachten also die Gesellschaft
wenigstens aufzustören. Der Knall des ersten Schusses brachte eine unbeschreibliche Wirkung hervor.
Ein rasendes Brüllen, Henlen, Brummen, Bellen und Kreischen antwortete; dann setzte sich die ganze
Kette in Bewegung und wogte an der Felswand dahin mit einer Sicherheit, als ob die Gesellschaft
auf ebenem Boden sich fortbewege, obgleich wir nicht absehen konnten, wie es nur möglich war, festen
Fuß zu fassen. Ein schmales Gesims schien von den Affen als höchst bequemer Weg betrachtet zu
werden. Nur an zwei Stellen, wo sie einmal gegen zehn Fuß in die Tiefe und beinahe eben so
wieder aufsteigen mußten, bewegte sich der Zug langsamer und vorsichtiger. Wir feuerten etwa
sechs Schüsse ab; aber es war uns unmöglich, sicher zu zielen, auch schon weil der Anblick so viel

Die Affen. Hundsköpfe. — Hamadryas oder Mantelpavian.
gefahrdrohender Annäherung eines Menſchen oder eines Raubthieres aber werden die allerverſchieden-
ſten Töne laut. Am treffendſten kann man das Stimmengewirr einer erregten Pavianherde mit dem
Grunzen und Quieken eines zahlreichen Rudels von Schweinen vergleichen. Dazwiſchen aber ver-
nimmt man Laute, welche bald an das Brüllen des Leoparden, bald an das dumpfe Brummen eines
Herdenſtiers erinnern. Die ganze Geſellſchaft brüllt, brummt, bellt, ſchreit, grunzt und quiekt durch
einander. Alle kampffähigen Männchen rücken auf der Felskante vor und ſchauen aufmerkſam in
das Thal hinab, um die Gefahr abzuſchätzen; die Jungen ſuchen Schutz bei den älteren; die Kleinen
hängen ſich an die Bruſt der Mütter oder klettern auch wohl auf deren Rücken, und nunmehr ſetzt
ſich der ganze Zug in Bewegung und eilt auf allen Vieren laufend und hüpfend dahin.

Vor den Eingebornen fürchtet ſich der Hamadryas ſo gut als gar nicht. Er zieht unbekümmert
um die braunen Leute dicht vor ihnen hin und trinkt aus demſelben Bache mit ihnen. Ein Weißer
erregt jedoch ſchon mancherlei Bedenken, obwohl man nicht gerade behaupten kann, daß die Affen vor
ihm ſchen entflöhen. Mehr noch, als andere Familienverwandte, zeigen unſere Paviane jene bedächtige
Ruhe, welche niemals um einen Ausweg verlegen iſt, die Gefahr mag noch ſo nah ſein. Anders
verhält ſich die Sache, wenn die Herde Hunde oder gar Leoparden gewahrt. Dann erheben die
alten Männchen ein furchtbares Gebrüll und Gebrumm, ſchlagen erzürnt mit der einen Hand auf den
Felſen, fletſchen die Zähne und ſchauen funkelnden Auges auf jene Störenfriede hinab, augenblicklich
bereit, gemeinſam über ſie herzufallen.

Die erſte Geſellſchaft, welche ich ſah, ruhte eben von ihrer Frühwanderung aus. Sie ſaß auf
der Kante eines nach beiden Seiten hin ziemlich ſteil abfallenden Grates. Jch hatte ſchon von
weitem die hohen Geſtalten der Männchen geſehen, dieſelben aber für Felsblöcke gehalten, die auf dem
Kamme lägen; denn mit ſolchen haben die Affen, ſo lange ſie ruhig ſind, die größte Aehnlichkeit. Erſt
ein wiederholtes einlautiges Bellen, ungefähr dem hoch ausgeſtoßenen Laute „Kuck‟ vergleichbar,
belehrte mich. Aller Köpfe richteten ſich nach uns hernieder: nur die Jungen ſpielten noch unbeſorgt
weiter, und einige Weibchen gaben ihr Lieblingsgeſchäft nicht auf, ſondern ſuchten noch eifrig den
Pelz eines alten Herrn nach Ungeziefer durch. Wahrſcheinlich würde die ganze Geſellſchaft in beob-
achtender Haltung geblieben ſein, hätten wir nicht zwei muntere und üppige Hunde mit uns geführt,
ſchöne, ſchlanke Windſpiele, gewohnt, die Hiäne von den Wohnungen abzutreiben, erprobt ſelbſt im
Kampf gegen den Wolf jener Länder. Sie antworteten mit Gebell auf jene Laute, und nun be-
merkten wir einen allgemeinen Aufſtand unter der Herde. Es mochte den Affen daran zu liegen
ſcheinen, einen noch ſicherern Aufenthaltsort zu ſuchen. Sie zogen deshalb bis auf die letzten Poſten
längs des Kammes dahin und verſchwanden unſeren Blicken. Doch ſahen wir zu unſerer Ueber-
raſchung bei der nächſten Biegung des Thales die ganze Herde, diesmal an einer ſenkrecht erſcheinen-
den, ſehr hohen Felſenwand, wo ſie in einer langen Reihe, in einer mir heut noch unbegreiflichen
Weiſe, wie an den Felſen klebten. Dieſe Reihe erſchien uns zu lockend, als daß wir ſie hätten un-
geſtört in ihrer Ruhe laſſen können. Die Jagdluſt wurde allzumächtig. Von dem Bedanern, welches
jeder Jäger verſpürt, wenn er kleine Affen jagt oder jagen will, fühlten wir jetzt keine Regung in uns
aufſteigen; denn die Paviane erſchienen uns durchaus nicht als Zerrbilder des Menſchen, ſondern als
wüthende, grimmige Raubthiere, keiner Schonung werth und zur Jagd ganz geeignet. Leider war die
Wand ſo hoch, daß an ein ſicheres Schießen nicht zu denken war. Wir gedachten alſo die Geſellſchaft
wenigſtens aufzuſtören. Der Knall des erſten Schuſſes brachte eine unbeſchreibliche Wirkung hervor.
Ein raſendes Brüllen, Henlen, Brummen, Bellen und Kreiſchen antwortete; dann ſetzte ſich die ganze
Kette in Bewegung und wogte an der Felswand dahin mit einer Sicherheit, als ob die Geſellſchaft
auf ebenem Boden ſich fortbewege, obgleich wir nicht abſehen konnten, wie es nur möglich war, feſten
Fuß zu faſſen. Ein ſchmales Geſims ſchien von den Affen als höchſt bequemer Weg betrachtet zu
werden. Nur an zwei Stellen, wo ſie einmal gegen zehn Fuß in die Tiefe und beinahe eben ſo
wieder aufſteigen mußten, bewegte ſich der Zug langſamer und vorſichtiger. Wir feuerten etwa
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[78/0134] Die Affen. Hundsköpfe. — Hamadryas oder Mantelpavian. gefahrdrohender Annäherung eines Menſchen oder eines Raubthieres aber werden die allerverſchieden- ſten Töne laut. Am treffendſten kann man das Stimmengewirr einer erregten Pavianherde mit dem Grunzen und Quieken eines zahlreichen Rudels von Schweinen vergleichen. Dazwiſchen aber ver- nimmt man Laute, welche bald an das Brüllen des Leoparden, bald an das dumpfe Brummen eines Herdenſtiers erinnern. Die ganze Geſellſchaft brüllt, brummt, bellt, ſchreit, grunzt und quiekt durch einander. Alle kampffähigen Männchen rücken auf der Felskante vor und ſchauen aufmerkſam in das Thal hinab, um die Gefahr abzuſchätzen; die Jungen ſuchen Schutz bei den älteren; die Kleinen hängen ſich an die Bruſt der Mütter oder klettern auch wohl auf deren Rücken, und nunmehr ſetzt ſich der ganze Zug in Bewegung und eilt auf allen Vieren laufend und hüpfend dahin. Vor den Eingebornen fürchtet ſich der Hamadryas ſo gut als gar nicht. Er zieht unbekümmert um die braunen Leute dicht vor ihnen hin und trinkt aus demſelben Bache mit ihnen. Ein Weißer erregt jedoch ſchon mancherlei Bedenken, obwohl man nicht gerade behaupten kann, daß die Affen vor ihm ſchen entflöhen. Mehr noch, als andere Familienverwandte, zeigen unſere Paviane jene bedächtige Ruhe, welche niemals um einen Ausweg verlegen iſt, die Gefahr mag noch ſo nah ſein. Anders verhält ſich die Sache, wenn die Herde Hunde oder gar Leoparden gewahrt. Dann erheben die alten Männchen ein furchtbares Gebrüll und Gebrumm, ſchlagen erzürnt mit der einen Hand auf den Felſen, fletſchen die Zähne und ſchauen funkelnden Auges auf jene Störenfriede hinab, augenblicklich bereit, gemeinſam über ſie herzufallen. Die erſte Geſellſchaft, welche ich ſah, ruhte eben von ihrer Frühwanderung aus. Sie ſaß auf der Kante eines nach beiden Seiten hin ziemlich ſteil abfallenden Grates. Jch hatte ſchon von weitem die hohen Geſtalten der Männchen geſehen, dieſelben aber für Felsblöcke gehalten, die auf dem Kamme lägen; denn mit ſolchen haben die Affen, ſo lange ſie ruhig ſind, die größte Aehnlichkeit. Erſt ein wiederholtes einlautiges Bellen, ungefähr dem hoch ausgeſtoßenen Laute „Kuck‟ vergleichbar, belehrte mich. Aller Köpfe richteten ſich nach uns hernieder: nur die Jungen ſpielten noch unbeſorgt weiter, und einige Weibchen gaben ihr Lieblingsgeſchäft nicht auf, ſondern ſuchten noch eifrig den Pelz eines alten Herrn nach Ungeziefer durch. Wahrſcheinlich würde die ganze Geſellſchaft in beob- achtender Haltung geblieben ſein, hätten wir nicht zwei muntere und üppige Hunde mit uns geführt, ſchöne, ſchlanke Windſpiele, gewohnt, die Hiäne von den Wohnungen abzutreiben, erprobt ſelbſt im Kampf gegen den Wolf jener Länder. Sie antworteten mit Gebell auf jene Laute, und nun be- merkten wir einen allgemeinen Aufſtand unter der Herde. Es mochte den Affen daran zu liegen ſcheinen, einen noch ſicherern Aufenthaltsort zu ſuchen. Sie zogen deshalb bis auf die letzten Poſten längs des Kammes dahin und verſchwanden unſeren Blicken. Doch ſahen wir zu unſerer Ueber- raſchung bei der nächſten Biegung des Thales die ganze Herde, diesmal an einer ſenkrecht erſcheinen- den, ſehr hohen Felſenwand, wo ſie in einer langen Reihe, in einer mir heut noch unbegreiflichen Weiſe, wie an den Felſen klebten. Dieſe Reihe erſchien uns zu lockend, als daß wir ſie hätten un- geſtört in ihrer Ruhe laſſen können. Die Jagdluſt wurde allzumächtig. Von dem Bedanern, welches jeder Jäger verſpürt, wenn er kleine Affen jagt oder jagen will, fühlten wir jetzt keine Regung in uns aufſteigen; denn die Paviane erſchienen uns durchaus nicht als Zerrbilder des Menſchen, ſondern als wüthende, grimmige Raubthiere, keiner Schonung werth und zur Jagd ganz geeignet. Leider war die Wand ſo hoch, daß an ein ſicheres Schießen nicht zu denken war. Wir gedachten alſo die Geſellſchaft wenigſtens aufzuſtören. Der Knall des erſten Schuſſes brachte eine unbeſchreibliche Wirkung hervor. Ein raſendes Brüllen, Henlen, Brummen, Bellen und Kreiſchen antwortete; dann ſetzte ſich die ganze Kette in Bewegung und wogte an der Felswand dahin mit einer Sicherheit, als ob die Geſellſchaft auf ebenem Boden ſich fortbewege, obgleich wir nicht abſehen konnten, wie es nur möglich war, feſten Fuß zu faſſen. Ein ſchmales Geſims ſchien von den Affen als höchſt bequemer Weg betrachtet zu werden. Nur an zwei Stellen, wo ſie einmal gegen zehn Fuß in die Tiefe und beinahe eben ſo wieder aufſteigen mußten, bewegte ſich der Zug langſamer und vorſichtiger. Wir feuerten etwa ſechs Schüſſe ab; aber es war uns unmöglich, ſicher zu zielen, auch ſchon weil der Anblick ſo viel

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/134>, abgerufen am 30.04.2024.