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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Paviane oder Hundsköpfe.
Lippen sind sehr beweglich, die Ohren klein, die Augen hoch überwölbt und in ihrem Ausdrucke das
treueste Spiegelbild des ganzen Affen selbst -- listig und tückisch ohne Gleichen. Alle Gliedmaßen
sind kurz und stark, die Hände fünfzehig; der Schwanz ist bald kurz, bald lang, bald glatthaarig,
bald gequastet, die Gesäßschwielen sind wahrhaft abschreckend groß und gewöhnlich äußerst lebhaft
gefärbt. Die Behaarung ist lang und locker, verlängert sich bei einigen Arten am Kopf, Hals und
Schultern zu einer reichen Mähne, und hat gewöhnlich unbestimmte Erd- oder Felsenfarben, wie
Grau, Graugrünlichgelb, Bräunlichgrün etc.

Das Vaterland der Hundsköpfe ist Afrika und die hart an diesen Erdtheil grenzenden Länder
Asiens, namentlich das glückliche Arabien, Jemen und Hadramaut. Den persischen Meer-
busen und den Tigris scheinen sie in Asien nicht zu überschreiten. Afrika muß unbedingt als derjenige
Erdtheil angesehen werden, der ihnen die wahre Heimat bietet. Verschiedene Gegenden besitzen ihre
eigenthümlichen Arten, welche übrigens weit verbreitet und deshalb mehreren Ländern gemein sind.
So leben im Osten und namentlich um Abissinien herum drei, in der Kapgegend zwei und in West-
afrika ebenfalls zwei Arten. Blos eine einzige Art, der Gelada (Cynocephalus Gelada), ist erst in
der Neuzeit entdeckt worden, die übrigen waren schon den alten Egyptern und durch sie den Griechen
und Römern wohl bekannt.

Die Paviane sind echte Felsenaffen und bewohnen die Hochgebirge oder wenigstens die höheren
Gebirgsgegenden Afrikas. Jn Wäldern trifft man sie nicht; sie meiden die Bäume und ersteigen sie
nur selten, etwa im Falle der Noth. Jm Gebirg gehen sie bis zu zehn- und zwölftausend Fuß über
die Meereshöhe, ja selbst bis zur Schneegrenze hinauf; doch scheinen sie niedere Gegenden zwischen
vier bis sechstausend Fuß den Hochgebirgen vorzuziehen. Schon die ältesten Reisenden erwähnen, daß
die Gebirge ihre wahre Heimat sind. So erzählt Barthema von Bologna, welcher im Jahre 1503
Arabien durchreiste, daß er auf dem Wege von der Stadt Zibit, eine halbe Tagereise vom rothen
Meere, auf einem fürchterlichen Gebirge mehr als zehntausend Affen gesehen habe, welche dem Löwen
nicht nur an Aussehen, sondern auch an Stärke gleichkämen, so daß man auf jeuer Straße allein nicht
reisen könne, sondern eine Gesellschaft von mindestens hundert Menschen bilden müsse, um sie abzu-
wehren. Auch die meisten anderen Reisenden, welche uns über jene Gegenden berichteten, sind darin
einstimmig, daß die Paviane Gebirgsthiere seien, und es ist deshalb um so mehr zu verwundern,
daß manche neuere Forscher ihnen ohne weiteres von ihrem Zimmer aus die Urwaldungen zum
Wohnorte anweisen.

Dieser Lebensweise der Paviane auf Gebirgen entspricht auch ihre Nahrung. Sie besteht haupt-
sächlich aus Zwiebeln, Knollengewächsen, Gräsern, Kraut, Pflanzenfrüchten, welche auf der Erde
oder wenigstens nur in geringer Höhe über derselben wachsen oder von den Bäumen abgefallen sind,
Kerbthieren, Spinnen, Schnecken, Vogeleiern etc. Eine Pflanze Afrikas, welche diese Affen be-
sonders lieben, hat gerade deshalb ihren Namen "Babuina" nach einer Art unserer Sippe erhalten.
Jn den Anpflanzungen, zumal in den Weinbergen, richten sie den allergrößten Schaden an; ja, man
behauptet, daß sie ihre Raubzüge förmlich geordnet und überlegt unternähmen. Sie sollen oft noch
eine gute Menge Früchte wegnehmen und auf die höchsten Gipfel der Berge schleppen, um dort für
ungünstigere Zeiten Vorräthe anzusammeln. Daß sie Schildwachen anstellen, ist sicher; als über-
trieben aber müssen Erzählungen gehalten werden, wie die von Geßner herstammenden, in welchen
uns gesagt wird, daß die Affen in gerader Linie hinter einander anrückten und sich so stellten, daß einer
dem andern das abgerissene Obst zuwerfen könne, etwa zehn Fuß weit. Käme dann Jemand, welcher
diese Gaudiebe an ihrer Arbeit verhindern wolle, so rissen sie alle Kürbisse, Gurken, Melonen, Granat-
äpfel und dergleichen ab und brächten sie so schleunig als möglich in Sicherheit, indem sie die Früchte
eine gute Strecke vom Garten entfernt auf einen Haufen würfen und diesen dann in derselben Weise
weiter und weiter beförderten, bis sie ihre Schätze endlich auf einen Berggipfel gebracht hätten. Die
Schildwache (welche bei den Raubzügen wirklich ausgestellt wird), solle die plündernden Schelme
jedesmal durch einen Schrei von der Ankunft des Menschen in Kenntniß setzen; und ihre Wachsamkeit

Die Affen. Paviane oder Hundsköpfe.
Lippen ſind ſehr beweglich, die Ohren klein, die Augen hoch überwölbt und in ihrem Ausdrucke das
treueſte Spiegelbild des ganzen Affen ſelbſt — liſtig und tückiſch ohne Gleichen. Alle Gliedmaßen
ſind kurz und ſtark, die Hände fünfzehig; der Schwanz iſt bald kurz, bald lang, bald glatthaarig,
bald gequaſtet, die Geſäßſchwielen ſind wahrhaft abſchreckend groß und gewöhnlich äußerſt lebhaft
gefärbt. Die Behaarung iſt lang und locker, verlängert ſich bei einigen Arten am Kopf, Hals und
Schultern zu einer reichen Mähne, und hat gewöhnlich unbeſtimmte Erd- oder Felſenfarben, wie
Grau, Graugrünlichgelb, Bräunlichgrün ꝛc.

Das Vaterland der Hundsköpfe iſt Afrika und die hart an dieſen Erdtheil grenzenden Länder
Aſiens, namentlich das glückliche Arabien, Jemen und Hadramaut. Den perſiſchen Meer-
buſen und den Tigris ſcheinen ſie in Aſien nicht zu überſchreiten. Afrika muß unbedingt als derjenige
Erdtheil angeſehen werden, der ihnen die wahre Heimat bietet. Verſchiedene Gegenden beſitzen ihre
eigenthümlichen Arten, welche übrigens weit verbreitet und deshalb mehreren Ländern gemein ſind.
So leben im Oſten und namentlich um Abiſſinien herum drei, in der Kapgegend zwei und in Weſt-
afrika ebenfalls zwei Arten. Blos eine einzige Art, der Gelada (Cynocephalus Gelada), iſt erſt in
der Neuzeit entdeckt worden, die übrigen waren ſchon den alten Egyptern und durch ſie den Griechen
und Römern wohl bekannt.

Die Paviane ſind echte Felſenaffen und bewohnen die Hochgebirge oder wenigſtens die höheren
Gebirgsgegenden Afrikas. Jn Wäldern trifft man ſie nicht; ſie meiden die Bäume und erſteigen ſie
nur ſelten, etwa im Falle der Noth. Jm Gebirg gehen ſie bis zu zehn- und zwölftauſend Fuß über
die Meereshöhe, ja ſelbſt bis zur Schneegrenze hinauf; doch ſcheinen ſie niedere Gegenden zwiſchen
vier bis ſechstauſend Fuß den Hochgebirgen vorzuziehen. Schon die älteſten Reiſenden erwähnen, daß
die Gebirge ihre wahre Heimat ſind. So erzählt Barthema von Bologna, welcher im Jahre 1503
Arabien durchreiſte, daß er auf dem Wege von der Stadt Zibit, eine halbe Tagereiſe vom rothen
Meere, auf einem fürchterlichen Gebirge mehr als zehntauſend Affen geſehen habe, welche dem Löwen
nicht nur an Ausſehen, ſondern auch an Stärke gleichkämen, ſo daß man auf jeuer Straße allein nicht
reiſen könne, ſondern eine Geſellſchaft von mindeſtens hundert Menſchen bilden müſſe, um ſie abzu-
wehren. Auch die meiſten anderen Reiſenden, welche uns über jene Gegenden berichteten, ſind darin
einſtimmig, daß die Paviane Gebirgsthiere ſeien, und es iſt deshalb um ſo mehr zu verwundern,
daß manche neuere Forſcher ihnen ohne weiteres von ihrem Zimmer aus die Urwaldungen zum
Wohnorte anweiſen.

Dieſer Lebensweiſe der Paviane auf Gebirgen entſpricht auch ihre Nahrung. Sie beſteht haupt-
ſächlich aus Zwiebeln, Knollengewächſen, Gräſern, Kraut, Pflanzenfrüchten, welche auf der Erde
oder wenigſtens nur in geringer Höhe über derſelben wachſen oder von den Bäumen abgefallen ſind,
Kerbthieren, Spinnen, Schnecken, Vogeleiern ꝛc. Eine Pflanze Afrikas, welche dieſe Affen be-
ſonders lieben, hat gerade deshalb ihren Namen „Babuina‟ nach einer Art unſerer Sippe erhalten.
Jn den Anpflanzungen, zumal in den Weinbergen, richten ſie den allergrößten Schaden an; ja, man
behauptet, daß ſie ihre Raubzüge förmlich geordnet und überlegt unternähmen. Sie ſollen oft noch
eine gute Menge Früchte wegnehmen und auf die höchſten Gipfel der Berge ſchleppen, um dort für
ungünſtigere Zeiten Vorräthe anzuſammeln. Daß ſie Schildwachen anſtellen, iſt ſicher; als über-
trieben aber müſſen Erzählungen gehalten werden, wie die von Geßner herſtammenden, in welchen
uns geſagt wird, daß die Affen in gerader Linie hinter einander anrückten und ſich ſo ſtellten, daß einer
dem andern das abgeriſſene Obſt zuwerfen könne, etwa zehn Fuß weit. Käme dann Jemand, welcher
dieſe Gaudiebe an ihrer Arbeit verhindern wolle, ſo riſſen ſie alle Kürbiſſe, Gurken, Melonen, Granat-
äpfel und dergleichen ab und brächten ſie ſo ſchleunig als möglich in Sicherheit, indem ſie die Früchte
eine gute Strecke vom Garten entfernt auf einen Haufen würfen und dieſen dann in derſelben Weiſe
weiter und weiter beförderten, bis ſie ihre Schätze endlich auf einen Berggipfel gebracht hätten. Die
Schildwache (welche bei den Raubzügen wirklich ausgeſtellt wird), ſolle die plündernden Schelme
jedesmal durch einen Schrei von der Ankunft des Menſchen in Kenntniß ſetzen; und ihre Wachſamkeit

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[72/0126] Die Affen. Paviane oder Hundsköpfe. Lippen ſind ſehr beweglich, die Ohren klein, die Augen hoch überwölbt und in ihrem Ausdrucke das treueſte Spiegelbild des ganzen Affen ſelbſt — liſtig und tückiſch ohne Gleichen. Alle Gliedmaßen ſind kurz und ſtark, die Hände fünfzehig; der Schwanz iſt bald kurz, bald lang, bald glatthaarig, bald gequaſtet, die Geſäßſchwielen ſind wahrhaft abſchreckend groß und gewöhnlich äußerſt lebhaft gefärbt. Die Behaarung iſt lang und locker, verlängert ſich bei einigen Arten am Kopf, Hals und Schultern zu einer reichen Mähne, und hat gewöhnlich unbeſtimmte Erd- oder Felſenfarben, wie Grau, Graugrünlichgelb, Bräunlichgrün ꝛc. Das Vaterland der Hundsköpfe iſt Afrika und die hart an dieſen Erdtheil grenzenden Länder Aſiens, namentlich das glückliche Arabien, Jemen und Hadramaut. Den perſiſchen Meer- buſen und den Tigris ſcheinen ſie in Aſien nicht zu überſchreiten. Afrika muß unbedingt als derjenige Erdtheil angeſehen werden, der ihnen die wahre Heimat bietet. Verſchiedene Gegenden beſitzen ihre eigenthümlichen Arten, welche übrigens weit verbreitet und deshalb mehreren Ländern gemein ſind. So leben im Oſten und namentlich um Abiſſinien herum drei, in der Kapgegend zwei und in Weſt- afrika ebenfalls zwei Arten. Blos eine einzige Art, der Gelada (Cynocephalus Gelada), iſt erſt in der Neuzeit entdeckt worden, die übrigen waren ſchon den alten Egyptern und durch ſie den Griechen und Römern wohl bekannt. Die Paviane ſind echte Felſenaffen und bewohnen die Hochgebirge oder wenigſtens die höheren Gebirgsgegenden Afrikas. Jn Wäldern trifft man ſie nicht; ſie meiden die Bäume und erſteigen ſie nur ſelten, etwa im Falle der Noth. Jm Gebirg gehen ſie bis zu zehn- und zwölftauſend Fuß über die Meereshöhe, ja ſelbſt bis zur Schneegrenze hinauf; doch ſcheinen ſie niedere Gegenden zwiſchen vier bis ſechstauſend Fuß den Hochgebirgen vorzuziehen. Schon die älteſten Reiſenden erwähnen, daß die Gebirge ihre wahre Heimat ſind. So erzählt Barthema von Bologna, welcher im Jahre 1503 Arabien durchreiſte, daß er auf dem Wege von der Stadt Zibit, eine halbe Tagereiſe vom rothen Meere, auf einem fürchterlichen Gebirge mehr als zehntauſend Affen geſehen habe, welche dem Löwen nicht nur an Ausſehen, ſondern auch an Stärke gleichkämen, ſo daß man auf jeuer Straße allein nicht reiſen könne, ſondern eine Geſellſchaft von mindeſtens hundert Menſchen bilden müſſe, um ſie abzu- wehren. Auch die meiſten anderen Reiſenden, welche uns über jene Gegenden berichteten, ſind darin einſtimmig, daß die Paviane Gebirgsthiere ſeien, und es iſt deshalb um ſo mehr zu verwundern, daß manche neuere Forſcher ihnen ohne weiteres von ihrem Zimmer aus die Urwaldungen zum Wohnorte anweiſen. Dieſer Lebensweiſe der Paviane auf Gebirgen entſpricht auch ihre Nahrung. Sie beſteht haupt- ſächlich aus Zwiebeln, Knollengewächſen, Gräſern, Kraut, Pflanzenfrüchten, welche auf der Erde oder wenigſtens nur in geringer Höhe über derſelben wachſen oder von den Bäumen abgefallen ſind, Kerbthieren, Spinnen, Schnecken, Vogeleiern ꝛc. Eine Pflanze Afrikas, welche dieſe Affen be- ſonders lieben, hat gerade deshalb ihren Namen „Babuina‟ nach einer Art unſerer Sippe erhalten. Jn den Anpflanzungen, zumal in den Weinbergen, richten ſie den allergrößten Schaden an; ja, man behauptet, daß ſie ihre Raubzüge förmlich geordnet und überlegt unternähmen. Sie ſollen oft noch eine gute Menge Früchte wegnehmen und auf die höchſten Gipfel der Berge ſchleppen, um dort für ungünſtigere Zeiten Vorräthe anzuſammeln. Daß ſie Schildwachen anſtellen, iſt ſicher; als über- trieben aber müſſen Erzählungen gehalten werden, wie die von Geßner herſtammenden, in welchen uns geſagt wird, daß die Affen in gerader Linie hinter einander anrückten und ſich ſo ſtellten, daß einer dem andern das abgeriſſene Obſt zuwerfen könne, etwa zehn Fuß weit. Käme dann Jemand, welcher dieſe Gaudiebe an ihrer Arbeit verhindern wolle, ſo riſſen ſie alle Kürbiſſe, Gurken, Melonen, Granat- äpfel und dergleichen ab und brächten ſie ſo ſchleunig als möglich in Sicherheit, indem ſie die Früchte eine gute Strecke vom Garten entfernt auf einen Haufen würfen und dieſen dann in derſelben Weiſe weiter und weiter beförderten, bis ſie ihre Schätze endlich auf einen Berggipfel gebracht hätten. Die Schildwache (welche bei den Raubzügen wirklich ausgeſtellt wird), ſolle die plündernden Schelme jedesmal durch einen Schrei von der Ankunft des Menſchen in Kenntniß ſetzen; und ihre Wachſamkeit

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/126>, abgerufen am 30.04.2024.