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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Meerkatzen. -- Rother Affe.
vorher nie vernommen hatte; sie wurden weich, ergreifend, ton- und klangreich, und dann wieder un-
endlich schmerzlich, schneidend und verzweiflungsvoll. Jmmer und immer wiederholte er seine Be-
mühungen, immer wieder sah er keinen Erfolg und begann dann wieder zu klagen und zu jammern.
Sein Schmerz hatte ihn veredelt und vergeistigt; er rührte uns und bewegte uns zu dem tiefsten
Mitleid. Jch ließ endlich das Aeffchen wegnehmen, weil schon wenige Stunden nach dessen Tode die
Fäulniß begann, und die kleine Leiche über eine hohe Mauer werfen. Koko hatte aufmerksam zuge-
sehen, geberdete sich wie toll, zerriß in wenig Minuten seinen Strick, sprang über die Mauer hinweg,
holte sich den Leichnam und kehrte mit ihm in den Armen auf seinen alten Platz zurück. Wir banden
ihn wieder fest, nahmen ihm den Todten nochmals und warfen ihn weiter weg; Koko befreite sich zum
zweiten Male und that wie vorher. Endlich vergruben wir das Thier: -- eine halbe Stunde später
war Koko verschwunden, und am andern Tage erfuhren wir, daß in dem Walde eines nahen Dorfes,
welcher sonst nie Affen beherbergte, ein sehr menschengewöhnter Affe zu sehen gewesen sei.

Ungefähr einen Monat später erhielt ich eine Meerkatzenmutter mit ihrem Kinde und konnte nun
mit Muße das Verhältniß zwischen Beiden belauschen; auch dieses Kleine starb, obwohl ihm Nichts
mangelte. Von diesem Augenblicke an hörte die Alte auf, zu fressen, und starb nach wenig Tagen.

Solche Thatsachen tragen gewiß nicht wenig dazu bei, diese Affen zu wahren Lieblingen des
Menschen zu machen; sie sind vielleicht die einzigen, mit denen man sich wirklich befreunden kann.

Jch erfuhr aber auch genug Beweife von dem Muthwillen derselben Affenart. Sie waren zu-
weilen sehr ergötzlich, zuweilen aber auch recht ärgerlich. Ein Freund von mir besaß eines dieser
Aeffchen, welches im höchsten Grade zärtlich an ihm hing, aber doch nicht an Reinlichkeit zu gewöhnen
war. Während es mit seinem Herrn spielte, beschmuzte es diesen oft in der schändlichsten Weise, und
weder Schläge noch andere Zuchtmittel, welche man in solchen Fällen bei Thieren anwendet, schienen
das Geringste zu fruchten. Dieser Affe war sehr diebisch und nahm alle glänzenden Gegenstände, die
er erwischen und forttragen konnte, augenblicklich an sich. Der Genannte wohnte in Kairo in dem Ge-
schäftshause der ostindischen Compagnie. Jm Untergeschoß befand sich die Schreiber- und die Kassen-
stube der Gesellschaft. Beide waren gegen menschliche Diebe durch starke Eisengitter vor den Fenstern
wohl geschützt, nicht aber gegen solche Spitzbuben, wie jener Affe einer war. Eines Tages bemerkte
mein Freund beide Backentaschen seines Lieblings vollgepfropft, lockte ihn deshalb an sich heran, unter-
suchte die Vorrathskammern und fand in der einen drei und in der andern zwei Guineen, welche sich
der Affe aus der Kasse herauf geholt hatte. Das Geld wurde natürlich an den Eigenthümer zurück-
gegeben, derselbe aber zugleich ersucht, in Zukunft auch die Glasfenster verschlossen zu halten, um
dem kleinen Diebe das Stehlen unmöglich zu machen.

Eine Meerkatze brachte ich mit in meine Heimat. Sie gewann sich sehr bald die Zuneigung
meiner Eltern und anderer Leute, ließ sich aber doch viel lose Streiche zu Schulden kommen. Die
Hühner meiner Mutter brachte sie geradezu in Verzweiflung, weil es ihr den größten Spaß zu machen
schien, diese Thiere zu jagen und zu ängstigen. Jm Hause selbst ging sie durch Küche und Keller, in
alle Kammern und auf den Boden, und was ihr da recht schien, wurde entweder zerbissen oder ge-
fressen oder mitgenommen. Niemand war so geschickt, ein Hühnernest aufzufinden, wie sie: die Hühner
mochten machen, was sie wollten, Hassan, so hieß der Affe, kam gewiß hinter ihre Schliche, nahm die
Eier weg und soff sie aus. Einige Male bewies er jedoch gerade bei dieser Räuberei wahren Men-
schenverstand. Meine Mutter schalt ihn aus und züchtigte ihn, als er wieder mit dottergelbem Maule
erschien. -- Am andern Tage brachte er ihr zierlich ein ganzes Hühnerei, legte es vor sie hin, gurgelte
beifällig und ging seiner Wege. Unter allen irdischen Genüssen schien ihn Milch und noch mehr
Sahne am meisten zu entzücken. Es dauerte gar nicht lange, so wußte er in der Speisekammer präch-
tig Bescheid und genau, wo diese leckeren Dinge aufbewahrt wurden, ermangelte auch nicht, jede Ge-
legenheit zu benutzen, um seine Naschhaftigkeit zu befriedigen. Auch hierbei wurde er erwischt und aus-
gescholten; deshalb verfuhr er in Zukunft listiger. Er nahm sich nämlich das Milchtöpfchen mit auf
den Baum und fraß es dort in aller Ruhe aus. Anfangs warf er die ausgeleerten Töpfe achtlos

Die Affen. Meerkatzen. — Rother Affe.
vorher nie vernommen hatte; ſie wurden weich, ergreifend, ton- und klangreich, und dann wieder un-
endlich ſchmerzlich, ſchneidend und verzweiflungsvoll. Jmmer und immer wiederholte er ſeine Be-
mühungen, immer wieder ſah er keinen Erfolg und begann dann wieder zu klagen und zu jammern.
Sein Schmerz hatte ihn veredelt und vergeiſtigt; er rührte uns und bewegte uns zu dem tiefſten
Mitleid. Jch ließ endlich das Aeffchen wegnehmen, weil ſchon wenige Stunden nach deſſen Tode die
Fäulniß begann, und die kleine Leiche über eine hohe Mauer werfen. Koko hatte aufmerkſam zuge-
ſehen, geberdete ſich wie toll, zerriß in wenig Minuten ſeinen Strick, ſprang über die Mauer hinweg,
holte ſich den Leichnam und kehrte mit ihm in den Armen auf ſeinen alten Platz zurück. Wir banden
ihn wieder feſt, nahmen ihm den Todten nochmals und warfen ihn weiter weg; Koko befreite ſich zum
zweiten Male und that wie vorher. Endlich vergruben wir das Thier: — eine halbe Stunde ſpäter
war Koko verſchwunden, und am andern Tage erfuhren wir, daß in dem Walde eines nahen Dorfes,
welcher ſonſt nie Affen beherbergte, ein ſehr menſchengewöhnter Affe zu ſehen geweſen ſei.

Ungefähr einen Monat ſpäter erhielt ich eine Meerkatzenmutter mit ihrem Kinde und konnte nun
mit Muße das Verhältniß zwiſchen Beiden belauſchen; auch dieſes Kleine ſtarb, obwohl ihm Nichts
mangelte. Von dieſem Augenblicke an hörte die Alte auf, zu freſſen, und ſtarb nach wenig Tagen.

Solche Thatſachen tragen gewiß nicht wenig dazu bei, dieſe Affen zu wahren Lieblingen des
Menſchen zu machen; ſie ſind vielleicht die einzigen, mit denen man ſich wirklich befreunden kann.

Jch erfuhr aber auch genug Beweife von dem Muthwillen derſelben Affenart. Sie waren zu-
weilen ſehr ergötzlich, zuweilen aber auch recht ärgerlich. Ein Freund von mir beſaß eines dieſer
Aeffchen, welches im höchſten Grade zärtlich an ihm hing, aber doch nicht an Reinlichkeit zu gewöhnen
war. Während es mit ſeinem Herrn ſpielte, beſchmuzte es dieſen oft in der ſchändlichſten Weiſe, und
weder Schläge noch andere Zuchtmittel, welche man in ſolchen Fällen bei Thieren anwendet, ſchienen
das Geringſte zu fruchten. Dieſer Affe war ſehr diebiſch und nahm alle glänzenden Gegenſtände, die
er erwiſchen und forttragen konnte, augenblicklich an ſich. Der Genannte wohnte in Kairo in dem Ge-
ſchäftshauſe der oſtindiſchen Compagnie. Jm Untergeſchoß befand ſich die Schreiber- und die Kaſſen-
ſtube der Geſellſchaft. Beide waren gegen menſchliche Diebe durch ſtarke Eiſengitter vor den Fenſtern
wohl geſchützt, nicht aber gegen ſolche Spitzbuben, wie jener Affe einer war. Eines Tages bemerkte
mein Freund beide Backentaſchen ſeines Lieblings vollgepfropft, lockte ihn deshalb an ſich heran, unter-
ſuchte die Vorrathskammern und fand in der einen drei und in der andern zwei Guineen, welche ſich
der Affe aus der Kaſſe herauf geholt hatte. Das Geld wurde natürlich an den Eigenthümer zurück-
gegeben, derſelbe aber zugleich erſucht, in Zukunft auch die Glasfenſter verſchloſſen zu halten, um
dem kleinen Diebe das Stehlen unmöglich zu machen.

Eine Meerkatze brachte ich mit in meine Heimat. Sie gewann ſich ſehr bald die Zuneigung
meiner Eltern und anderer Leute, ließ ſich aber doch viel loſe Streiche zu Schulden kommen. Die
Hühner meiner Mutter brachte ſie geradezu in Verzweiflung, weil es ihr den größten Spaß zu machen
ſchien, dieſe Thiere zu jagen und zu ängſtigen. Jm Hauſe ſelbſt ging ſie durch Küche und Keller, in
alle Kammern und auf den Boden, und was ihr da recht ſchien, wurde entweder zerbiſſen oder ge-
freſſen oder mitgenommen. Niemand war ſo geſchickt, ein Hühnerneſt aufzufinden, wie ſie: die Hühner
mochten machen, was ſie wollten, Haſſan, ſo hieß der Affe, kam gewiß hinter ihre Schliche, nahm die
Eier weg und ſoff ſie aus. Einige Male bewies er jedoch gerade bei dieſer Räuberei wahren Men-
ſchenverſtand. Meine Mutter ſchalt ihn aus und züchtigte ihn, als er wieder mit dottergelbem Maule
erſchien. — Am andern Tage brachte er ihr zierlich ein ganzes Hühnerei, legte es vor ſie hin, gurgelte
beifällig und ging ſeiner Wege. Unter allen irdiſchen Genüſſen ſchien ihn Milch und noch mehr
Sahne am meiſten zu entzücken. Es dauerte gar nicht lange, ſo wußte er in der Speiſekammer präch-
tig Beſcheid und genau, wo dieſe leckeren Dinge aufbewahrt wurden, ermangelte auch nicht, jede Ge-
legenheit zu benutzen, um ſeine Naſchhaftigkeit zu befriedigen. Auch hierbei wurde er erwiſcht und aus-
geſcholten; deshalb verfuhr er in Zukunft liſtiger. Er nahm ſich nämlich das Milchtöpfchen mit auf
den Baum und fraß es dort in aller Ruhe aus. Anfangs warf er die ausgeleerten Töpfe achtlos

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/114>, abgerufen am 30.04.2024.