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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Aus dem Gefangenleben der graugrünen Meerkatze.
weg und zerbrach sie dabei natürlich fast immer; dafür wurde er bestraft und zu dem innigen Vergnü-
gen meiner Mutter brachte er ihr nun regelmäßig die leeren, aber unzerbrochenen Töpfchen wieder!

Sehr spaßhaft war es, wenn dieser Affe an den Ofen kletterte, oder wenn er ein ziemlich langes
Ofenrohr bestieg: hier sprang er wahrhaft verzweifelt von einem Bein auf das andere, wenn ihm die
Wärme des Rohres zu arg wurde, und führte dergestalt die allerdrolligsten Tänze aus; so gescheit
war er aber nicht, daß er den heißen Boden verlassen hätte, bevor er wirklich gebrannt worden war.
Er blieb sehr gleichgültig gegen alle unsere Hausthiere, hielt aber mit einem weiblichen Pavian, den
ich ebenfalls mitgebracht hatte, innige Freundschaft und ließ sich von diesem hätscheln und pflegen, wie
ein kleiner unverständiger Affe, obgleich er vollkommen erwachsen war. Des Nachts schlief er stets in
des Pavians Arm, und Beide hielten sich dann so fest umschlungen, daß es aussah, als wären sie nur
ein Wesen. Der Pavian und die Meerkatze unterhielten sich lange mit verschiedenen kurzen Gurgel-
tönen und verstanden sich ganz entschieden vortrefflich. Seiner Pflegerin bewies er trotz seines Alters
kindlichen Gehorsam, wie jenes oben erwähnte junge Aeffchen seinem Wohlthäter. Er folgte ihr über-
all hin, wohin diese von uns geführt wurde, und kam sogleich in das Zimmer, in welches wir seine
mütterliche Freundin brachten. Nur in deren Gesellschaft unternahm er weitere Ausflüge, und wenn
er allein seinem Treiben nachging, entfernte er sich niemals weit und blieb mit ihr in beständiger
Unterhaltung. Selbst entschiedene Gewaltthätigkeiten ließ er sich von ihr gefallen, ohne zu grollen.
Er theilte jeden guten Bissen mit seiner Pflegemutter; diese aber erkannte solche Herzensgüte nur
selten und niemals dankbar an. So oft Hassan auch einmal etwas für sich behalten wollte, änderte
sich das Verhältniß zwischen Beiden. Denn wie ein Raubthier fiel dann der große Pavian über den
armen Burschen her, brach ihm das Maul auf, holte sich mit seinen Fingern das Futter aus Hassans
Backentaschen heraus, fraß es auf und kniff und puffte den armen Wehrlosen wohl auch noch tüch-
tig dabei.

Gegen uns war er liebenswürdig, gab aber niemals seine Selbstständigkeit auf. Er kam auf
den Ruf -- wenn er wollte, sonst antwortete er wohl, rührte sich aber nicht. Wenn wir ihn gefangen
hatten und gewaltsam festhielten, verstellte er sich nicht selten mit größter Meisterschaft und geberdete
sich zuweilen, als müsse er im nächsten Augenblicke abscheiden; sowie er aber frei wurde, rächte er sich
für die erlittene Gefangenschaft durch Beißen und entfloh dann mit beifälligem Gegurgel.

Der zweite kalte Winter, den er in Deutschland verlebte, endete leider sein frisches, fröhliches
Leben, und das ganze Haus trauerte um ihn, als ob ein Kind gestorben wäre. Jedermann hatte
seine unzähligen Unarten vergessen und gedachte nur noch seines heitern Wesens und seiner
Gemüthlichkeit.

Nicht alle Meerkatzen sind so hübsch, wie die eben beschriebene Art; einige scheinen sogar recht
mürrisch und widerwärtig zu sein. Nach meinen Erfahrungen ist der rothe Affe (Cercopithecus ruber
-- Seite 52), welcher dieselben Gegenden bewohnt, wie die eben geschilderte Art, die langweiligste und
unliebenswürdigste, und sein Geist entspricht so durchaus nicht seinem schön gezeichneten Leibe. Er ist
ein sehr schmuckes Thier: der Pelz ist oben goldglänzend, unten, wie der Backenbart, weiß; das Gesicht,
die Ohren und Hände sind schwarz, und um die Augen zieht sich ein fleischrother Ring. Seine Größe
übertrifft die des Vorigen um etwas. Dieser Affe dürfte die Callitriche des Plinius sein. Man
findet ihr Bildniß auf den egyptischen Denkmälern und sie selbst einbalsamirt in den Pyramiden von
Sakhahra, obwohl man nicht zu sagen weiß, warum gerade sie und nicht der vorhergehende Affe zu solcher
Ehre gekommen ist. Jn ihrer Jugend ist die Callitriche lebhaft, anständig und liebenswürdig, je älter
sie aber wird, um so ernsthafter, langweiliger und bösartiger zeigt sie sich. Sie verliert dann gewöhn-
lich alle Zahmheit und beißt giftig um sich. Jhre Reizbarkeit ist sehr groß und der Ausdruck derselben
wirklich lächerlich: sie sperrt nämlich, wenn sie wüthend wird, das Maul weit auf, als ob sie gähne
und faucht leise dabei. Wie es scheint, kommt sie niemals in so großen Herden vor, wie der vor-
hergehende Affe. --

Aus dem Gefangenleben der graugrünen Meerkatze.
weg und zerbrach ſie dabei natürlich faſt immer; dafür wurde er beſtraft und zu dem innigen Vergnü-
gen meiner Mutter brachte er ihr nun regelmäßig die leeren, aber unzerbrochenen Töpfchen wieder!

Sehr ſpaßhaft war es, wenn dieſer Affe an den Ofen kletterte, oder wenn er ein ziemlich langes
Ofenrohr beſtieg: hier ſprang er wahrhaft verzweifelt von einem Bein auf das andere, wenn ihm die
Wärme des Rohres zu arg wurde, und führte dergeſtalt die allerdrolligſten Tänze aus; ſo geſcheit
war er aber nicht, daß er den heißen Boden verlaſſen hätte, bevor er wirklich gebrannt worden war.
Er blieb ſehr gleichgültig gegen alle unſere Hausthiere, hielt aber mit einem weiblichen Pavian, den
ich ebenfalls mitgebracht hatte, innige Freundſchaft und ließ ſich von dieſem hätſcheln und pflegen, wie
ein kleiner unverſtändiger Affe, obgleich er vollkommen erwachſen war. Des Nachts ſchlief er ſtets in
des Pavians Arm, und Beide hielten ſich dann ſo feſt umſchlungen, daß es ausſah, als wären ſie nur
ein Weſen. Der Pavian und die Meerkatze unterhielten ſich lange mit verſchiedenen kurzen Gurgel-
tönen und verſtanden ſich ganz entſchieden vortrefflich. Seiner Pflegerin bewies er trotz ſeines Alters
kindlichen Gehorſam, wie jenes oben erwähnte junge Aeffchen ſeinem Wohlthäter. Er folgte ihr über-
all hin, wohin dieſe von uns geführt wurde, und kam ſogleich in das Zimmer, in welches wir ſeine
mütterliche Freundin brachten. Nur in deren Geſellſchaft unternahm er weitere Ausflüge, und wenn
er allein ſeinem Treiben nachging, entfernte er ſich niemals weit und blieb mit ihr in beſtändiger
Unterhaltung. Selbſt entſchiedene Gewaltthätigkeiten ließ er ſich von ihr gefallen, ohne zu grollen.
Er theilte jeden guten Biſſen mit ſeiner Pflegemutter; dieſe aber erkannte ſolche Herzensgüte nur
ſelten und niemals dankbar an. So oft Haſſan auch einmal etwas für ſich behalten wollte, änderte
ſich das Verhältniß zwiſchen Beiden. Denn wie ein Raubthier fiel dann der große Pavian über den
armen Burſchen her, brach ihm das Maul auf, holte ſich mit ſeinen Fingern das Futter aus Haſſans
Backentaſchen heraus, fraß es auf und kniff und puffte den armen Wehrloſen wohl auch noch tüch-
tig dabei.

Gegen uns war er liebenswürdig, gab aber niemals ſeine Selbſtſtändigkeit auf. Er kam auf
den Ruf — wenn er wollte, ſonſt antwortete er wohl, rührte ſich aber nicht. Wenn wir ihn gefangen
hatten und gewaltſam feſthielten, verſtellte er ſich nicht ſelten mit größter Meiſterſchaft und geberdete
ſich zuweilen, als müſſe er im nächſten Augenblicke abſcheiden; ſowie er aber frei wurde, rächte er ſich
für die erlittene Gefangenſchaft durch Beißen und entfloh dann mit beifälligem Gegurgel.

Der zweite kalte Winter, den er in Deutſchland verlebte, endete leider ſein friſches, fröhliches
Leben, und das ganze Haus trauerte um ihn, als ob ein Kind geſtorben wäre. Jedermann hatte
ſeine unzähligen Unarten vergeſſen und gedachte nur noch ſeines heitern Weſens und ſeiner
Gemüthlichkeit.

Nicht alle Meerkatzen ſind ſo hübſch, wie die eben beſchriebene Art; einige ſcheinen ſogar recht
mürriſch und widerwärtig zu ſein. Nach meinen Erfahrungen iſt der rothe Affe (Cercopithecus ruber
— Seite 52), welcher dieſelben Gegenden bewohnt, wie die eben geſchilderte Art, die langweiligſte und
unliebenswürdigſte, und ſein Geiſt entſpricht ſo durchaus nicht ſeinem ſchön gezeichneten Leibe. Er iſt
ein ſehr ſchmuckes Thier: der Pelz iſt oben goldglänzend, unten, wie der Backenbart, weiß; das Geſicht,
die Ohren und Hände ſind ſchwarz, und um die Augen zieht ſich ein fleiſchrother Ring. Seine Größe
übertrifft die des Vorigen um etwas. Dieſer Affe dürfte die Callitriche des Plinius ſein. Man
findet ihr Bildniß auf den egyptiſchen Denkmälern und ſie ſelbſt einbalſamirt in den Pyramiden von
Sakhahra, obwohl man nicht zu ſagen weiß, warum gerade ſie und nicht der vorhergehende Affe zu ſolcher
Ehre gekommen iſt. Jn ihrer Jugend iſt die Callitriche lebhaft, anſtändig und liebenswürdig, je älter
ſie aber wird, um ſo ernſthafter, langweiliger und bösartiger zeigt ſie ſich. Sie verliert dann gewöhn-
lich alle Zahmheit und beißt giftig um ſich. Jhre Reizbarkeit iſt ſehr groß und der Ausdruck derſelben
wirklich lächerlich: ſie ſperrt nämlich, wenn ſie wüthend wird, das Maul weit auf, als ob ſie gähne
und faucht leiſe dabei. Wie es ſcheint, kommt ſie niemals in ſo großen Herden vor, wie der vor-
hergehende Affe. —

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/115>, abgerufen am 30.04.2024.