Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

es Zeit eine Brille zu gebrauchen; doch thut man wohl, sie an-
fangs nur von geringer Convexität zu wählen, obgleich man ge-
wöhnlich die stärkern angenehmer findet. Eine schon sehr convexe
Brille macht das Auge leicht noch fernsichtiger, und auch eine mäßig
starke Brille schadet dem Auge, wenn man durch sie nach entfernten
Gegenständen sieht, weshalb man sich gewöhnen muß, sie sogleich
zu entfernen, wenn man vom Buche weg auf einen entfernteren
Gegenstand sehen will. Gewöhnlich nimmt das Uebel der Fern-
sichtigkeit mit den Jahren zu, und man muß sich nach und nach
andrer Brillen mit convexeren Gläsern bedienen. Bei der Wahl
derselben muß man zwar sich durch die Annehmlichkeit, welche eine
starke Brille darbietet, nicht verleiten lassen, aber muß doch auch
eine solche wählen, durch welche man ohne allzu starkes Licht mit
Leichtigkeit liest, damit nicht die Anstrengung des Auges diesem
nachtheilig werde. Will man das Auge nicht verwöhnen, so gebe
man dem Buche, worin man liest, die größte Nähe, wobei man
noch deutlich und leicht alles erkennt; denn wenn der Gegenstand
nicht so weit als der Brennpunct vom Auge entfernt ist, so erhält
man die Strahlen noch nicht ganz parallel, sondern so wie sie von
mäßig entfernten Gegenständen ausgehen. Muß man in einzelnen
Fällen in Ermangelung der Brille, um bei Lichte zu lesen, das
Buch hinter das Licht halten, so ist es vortheilhaft, das Auge mit
der Hand gegen die unmittelbare Einwirkung der Lichtflamme zu
schützen, wodurch der Vortheil, den stark erleuchteten Gegenstand
gut zu sehen, nicht aufgehoben wird. Indeß ist die Gewöhnung
an zu starke, blendende Erleuchtung allemal dem Auge nachtheilig.

Die Kurzsichtigkeit fordert concave Augengläser. Bei dem
Kurzsichtigen ist die Krümmung der Hornhaut und der Linse zu
groß, und es werden daher die von einem nahen Gegenstande A
ausgehenden Strahlen so stark gebrochen, daß sie ein reines Bild
in B auf der Netzhaut darstellen (Fig. 69.); die Lichtstrahlen da-
gegen, die von entfernteren Gegenständen kommen, wie DH, soll-
ten ein reines Bild in C darstellen, welches, weil die Strahlen
erst in der Gegend von B aufgefangen werden, wo sie schon wieder
angefangen haben, sich zu zerstreuen, nicht rein hervorgeht, son-
dern bei B entsteht für jeden Punct des Gegenstandes ein größerer
erleuchteter Raum, eben dadurch aber ein verwirrtes Bild. Das

es Zeit eine Brille zu gebrauchen; doch thut man wohl, ſie an-
fangs nur von geringer Convexitaͤt zu waͤhlen, obgleich man ge-
woͤhnlich die ſtaͤrkern angenehmer findet. Eine ſchon ſehr convexe
Brille macht das Auge leicht noch fernſichtiger, und auch eine maͤßig
ſtarke Brille ſchadet dem Auge, wenn man durch ſie nach entfernten
Gegenſtaͤnden ſieht, weshalb man ſich gewoͤhnen muß, ſie ſogleich
zu entfernen, wenn man vom Buche weg auf einen entfernteren
Gegenſtand ſehen will. Gewoͤhnlich nimmt das Uebel der Fern-
ſichtigkeit mit den Jahren zu, und man muß ſich nach und nach
andrer Brillen mit convexeren Glaͤſern bedienen. Bei der Wahl
derſelben muß man zwar ſich durch die Annehmlichkeit, welche eine
ſtarke Brille darbietet, nicht verleiten laſſen, aber muß doch auch
eine ſolche waͤhlen, durch welche man ohne allzu ſtarkes Licht mit
Leichtigkeit lieſt, damit nicht die Anſtrengung des Auges dieſem
nachtheilig werde. Will man das Auge nicht verwoͤhnen, ſo gebe
man dem Buche, worin man lieſt, die groͤßte Naͤhe, wobei man
noch deutlich und leicht alles erkennt; denn wenn der Gegenſtand
nicht ſo weit als der Brennpunct vom Auge entfernt iſt, ſo erhaͤlt
man die Strahlen noch nicht ganz parallel, ſondern ſo wie ſie von
maͤßig entfernten Gegenſtaͤnden ausgehen. Muß man in einzelnen
Faͤllen in Ermangelung der Brille, um bei Lichte zu leſen, das
Buch hinter das Licht halten, ſo iſt es vortheilhaft, das Auge mit
der Hand gegen die unmittelbare Einwirkung der Lichtflamme zu
ſchuͤtzen, wodurch der Vortheil, den ſtark erleuchteten Gegenſtand
gut zu ſehen, nicht aufgehoben wird. Indeß iſt die Gewoͤhnung
an zu ſtarke, blendende Erleuchtung allemal dem Auge nachtheilig.

Die Kurzſichtigkeit fordert concave Augenglaͤſer. Bei dem
Kurzſichtigen iſt die Kruͤmmung der Hornhaut und der Linſe zu
groß, und es werden daher die von einem nahen Gegenſtande A
ausgehenden Strahlen ſo ſtark gebrochen, daß ſie ein reines Bild
in B auf der Netzhaut darſtellen (Fig. 69.); die Lichtſtrahlen da-
gegen, die von entfernteren Gegenſtaͤnden kommen, wie DH, ſoll-
ten ein reines Bild in C darſtellen, welches, weil die Strahlen
erſt in der Gegend von B aufgefangen werden, wo ſie ſchon wieder
angefangen haben, ſich zu zerſtreuen, nicht rein hervorgeht, ſon-
dern bei B entſteht fuͤr jeden Punct des Gegenſtandes ein groͤßerer
erleuchteter Raum, eben dadurch aber ein verwirrtes Bild. Das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0147" n="133"/>
es Zeit eine                         Brille zu gebrauchen; doch thut man wohl, &#x017F;ie an-<lb/>
fangs nur                         von geringer Convexita&#x0364;t zu wa&#x0364;hlen, obgleich man                         ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlich die &#x017F;ta&#x0364;rkern angenehmer                         findet. Eine &#x017F;chon &#x017F;ehr convexe<lb/>
Brille macht das                         Auge leicht noch fern&#x017F;ichtiger, und auch eine                         ma&#x0364;ßig<lb/>
&#x017F;tarke Brille &#x017F;chadet dem Auge,                         wenn man durch &#x017F;ie nach                         entfernten<lb/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden &#x017F;ieht, weshalb                         man &#x017F;ich gewo&#x0364;hnen muß, &#x017F;ie                         &#x017F;ogleich<lb/>
zu entfernen, wenn man vom Buche weg auf einen                         entfernteren<lb/>
Gegen&#x017F;tand &#x017F;ehen will.                         Gewo&#x0364;hnlich nimmt das Uebel der Fern-<lb/>
&#x017F;ichtigkeit                         mit den Jahren zu, und man muß &#x017F;ich nach und nach<lb/>
andrer                         Brillen mit convexeren Gla&#x0364;&#x017F;ern bedienen. Bei der                         Wahl<lb/>
der&#x017F;elben muß man zwar &#x017F;ich durch die                         Annehmlichkeit, welche eine<lb/>
&#x017F;tarke Brille darbietet, nicht                         verleiten la&#x017F;&#x017F;en, aber muß doch auch<lb/>
eine                         &#x017F;olche wa&#x0364;hlen, durch welche man ohne allzu                         &#x017F;tarkes Licht mit<lb/>
Leichtigkeit lie&#x017F;t, damit nicht                         die An&#x017F;trengung des Auges die&#x017F;em<lb/>
nachtheilig                         werde. Will man das Auge nicht verwo&#x0364;hnen, &#x017F;o                         gebe<lb/>
man dem Buche, worin man lie&#x017F;t, die gro&#x0364;ßte                         Na&#x0364;he, wobei man<lb/>
noch deutlich und leicht alles erkennt; denn                         wenn der Gegen&#x017F;tand<lb/>
nicht &#x017F;o weit als der                         Brennpunct vom Auge entfernt i&#x017F;t, &#x017F;o                         erha&#x0364;lt<lb/>
man die Strahlen noch nicht ganz parallel,                         &#x017F;ondern &#x017F;o wie &#x017F;ie                         von<lb/>
ma&#x0364;ßig entfernten Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden                         ausgehen. Muß man in einzelnen<lb/>
Fa&#x0364;llen in Ermangelung der                         Brille, um bei Lichte zu le&#x017F;en, das<lb/>
Buch hinter das Licht                         halten, &#x017F;o i&#x017F;t es vortheilhaft, das Auge mit<lb/>
der                         Hand gegen die unmittelbare Einwirkung der Lichtflamme                         zu<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tzen, wodurch der Vortheil, den                         &#x017F;tark erleuchteten Gegen&#x017F;tand<lb/>
gut zu                         &#x017F;ehen, nicht aufgehoben wird. Indeß i&#x017F;t die                         Gewo&#x0364;hnung<lb/>
an zu &#x017F;tarke, blendende Erleuchtung                         allemal dem Auge nachtheilig.</p><lb/>
          <p>Die Kurz&#x017F;ichtigkeit fordert concave                         Augengla&#x0364;&#x017F;er. Bei dem<lb/>
Kurz&#x017F;ichtigen                         i&#x017F;t die Kru&#x0364;mmung der Hornhaut und der                         Lin&#x017F;e zu<lb/>
groß, und es werden daher die von einem nahen                         Gegen&#x017F;tande <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi><lb/>
ausgehenden Strahlen &#x017F;o &#x017F;tark gebrochen, daß                         &#x017F;ie ein reines Bild<lb/>
in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B</hi></hi> auf der Netzhaut dar&#x017F;tellen (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fig. 69.</hi></hi>); die Licht&#x017F;trahlen da-<lb/>
gegen, die von entfernteren                         Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden kommen, wie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">DH,</hi></hi> &#x017F;oll-<lb/>
ten ein reines Bild in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">C</hi></hi> dar&#x017F;tellen, welches, weil die Strahlen<lb/>
er&#x017F;t                         in der Gegend von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B</hi></hi> aufgefangen werden, wo &#x017F;ie &#x017F;chon                         wieder<lb/>
angefangen haben, &#x017F;ich zu zer&#x017F;treuen, nicht                         rein hervorgeht, &#x017F;on-<lb/>
dern bei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B</hi></hi> ent&#x017F;teht fu&#x0364;r jeden Punct des                         Gegen&#x017F;tandes ein gro&#x0364;ßerer<lb/>
erleuchteter Raum, eben                         dadurch aber ein verwirrtes Bild. Das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0147] es Zeit eine Brille zu gebrauchen; doch thut man wohl, ſie an- fangs nur von geringer Convexitaͤt zu waͤhlen, obgleich man ge- woͤhnlich die ſtaͤrkern angenehmer findet. Eine ſchon ſehr convexe Brille macht das Auge leicht noch fernſichtiger, und auch eine maͤßig ſtarke Brille ſchadet dem Auge, wenn man durch ſie nach entfernten Gegenſtaͤnden ſieht, weshalb man ſich gewoͤhnen muß, ſie ſogleich zu entfernen, wenn man vom Buche weg auf einen entfernteren Gegenſtand ſehen will. Gewoͤhnlich nimmt das Uebel der Fern- ſichtigkeit mit den Jahren zu, und man muß ſich nach und nach andrer Brillen mit convexeren Glaͤſern bedienen. Bei der Wahl derſelben muß man zwar ſich durch die Annehmlichkeit, welche eine ſtarke Brille darbietet, nicht verleiten laſſen, aber muß doch auch eine ſolche waͤhlen, durch welche man ohne allzu ſtarkes Licht mit Leichtigkeit lieſt, damit nicht die Anſtrengung des Auges dieſem nachtheilig werde. Will man das Auge nicht verwoͤhnen, ſo gebe man dem Buche, worin man lieſt, die groͤßte Naͤhe, wobei man noch deutlich und leicht alles erkennt; denn wenn der Gegenſtand nicht ſo weit als der Brennpunct vom Auge entfernt iſt, ſo erhaͤlt man die Strahlen noch nicht ganz parallel, ſondern ſo wie ſie von maͤßig entfernten Gegenſtaͤnden ausgehen. Muß man in einzelnen Faͤllen in Ermangelung der Brille, um bei Lichte zu leſen, das Buch hinter das Licht halten, ſo iſt es vortheilhaft, das Auge mit der Hand gegen die unmittelbare Einwirkung der Lichtflamme zu ſchuͤtzen, wodurch der Vortheil, den ſtark erleuchteten Gegenſtand gut zu ſehen, nicht aufgehoben wird. Indeß iſt die Gewoͤhnung an zu ſtarke, blendende Erleuchtung allemal dem Auge nachtheilig. Die Kurzſichtigkeit fordert concave Augenglaͤſer. Bei dem Kurzſichtigen iſt die Kruͤmmung der Hornhaut und der Linſe zu groß, und es werden daher die von einem nahen Gegenſtande A ausgehenden Strahlen ſo ſtark gebrochen, daß ſie ein reines Bild in B auf der Netzhaut darſtellen (Fig. 69.); die Lichtſtrahlen da- gegen, die von entfernteren Gegenſtaͤnden kommen, wie DH, ſoll- ten ein reines Bild in C darſtellen, welches, weil die Strahlen erſt in der Gegend von B aufgefangen werden, wo ſie ſchon wieder angefangen haben, ſich zu zerſtreuen, nicht rein hervorgeht, ſon- dern bei B entſteht fuͤr jeden Punct des Gegenſtandes ein groͤßerer erleuchteter Raum, eben dadurch aber ein verwirrtes Bild. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/147
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/147>, abgerufen am 24.11.2024.