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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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wisser Berg, der mir um die Tag und Nacht Glei-
che die liebe Sonne des Morgens eine Stunde zu lang
aufhält, sind mir unter allem, was zu dieser mei-
ner Lage gehört, allein widerlich. Beyde würd' ich
gern verkaufen, oder gar verschenken. Die vertrack-
ten Sperber zumal plagen nicht nur von Mitte Aprill
bis späth in den Herbst mit ihrem Zettergeschrey mei-
ne Ohren, sondern -- was noch weit ärger ist --
verjagen mir die lieben Singvögelchen, daß bald kein
einziges mehr in der Gegend sich einzunisten wagt.
Meine Nachbarn sind recht gute ehrliche Leuthe, die
ich aufrichtig schätze und liebe. Freylich läuft bis-
weilen auch ein andrer mitunter, wie überall. In-
nige Freunde, mit denen man Gedanken wechseln
und Herzen tauschen kann, hab' ich in der Nähe
keine. Dieß ersetzen mir meine platonischen Gelieb-
ten in meinem Stübchen. Im Frühlinge liegt mir
der Schnee auch ein Bißchen zu lang in meinem
Gärtchen. Aber ich fange einen Krieg mit ihm an,
zerfetze ihn zu kleinen Stücken, und werfe ihm Asche
und Koth auf die Nase; dann verkriecht er sich in die
Erde, so daß ich noch mit den Frühesten gärtnen
kann. Und überhaupt macht mir dieß kleine Grund-
stück viel Vergnügen. Zwar ist die Erde ziemlich
grob und ungeschlacht, obgleich ich sie schon an die
fünf und zwanzig Jahre bearbeitet habe: Dem ungeach-
tet giebt das Ding Kraut, Kohl, Erbsen, und was
ich immer auf meinen Tisch brauche, zur Genüge;
mitunter auch Bluhmwerk, und Rosen die Fülle.
Kurz, es freut mich so wohl als manchen Fürsten
alle seine Babylonische Gärten. -- Sag' also, Bube!
ist unser Wohnort nicht so angenehm, als je einer
in der Welt? Einsam, und doch so nahe bey den
Leuthen; mitten im Thal, und doch ein wenig er-

wiſſer Berg, der mir um die Tag und Nacht Glei-
che die liebe Sonne des Morgens eine Stunde zu lang
aufhaͤlt, ſind mir unter allem, was zu dieſer mei-
ner Lage gehoͤrt, allein widerlich. Beyde wuͤrd’ ich
gern verkaufen, oder gar verſchenken. Die vertrack-
ten Sperber zumal plagen nicht nur von Mitte Aprill
bis ſpaͤth in den Herbſt mit ihrem Zettergeſchrey mei-
ne Ohren, ſondern — was noch weit aͤrger iſt —
verjagen mir die lieben Singvoͤgelchen, daß bald kein
einziges mehr in der Gegend ſich einzuniſten wagt.
Meine Nachbarn ſind recht gute ehrliche Leuthe, die
ich aufrichtig ſchaͤtze und liebe. Freylich laͤuft bis-
weilen auch ein andrer mitunter, wie uͤberall. In-
nige Freunde, mit denen man Gedanken wechſeln
und Herzen tauſchen kann, hab’ ich in der Naͤhe
keine. Dieß erſetzen mir meine platoniſchen Gelieb-
ten in meinem Stuͤbchen. Im Fruͤhlinge liegt mir
der Schnee auch ein Bißchen zu lang in meinem
Gaͤrtchen. Aber ich fange einen Krieg mit ihm an,
zerfetze ihn zu kleinen Stuͤcken, und werfe ihm Aſche
und Koth auf die Naſe; dann verkriecht er ſich in die
Erde, ſo daß ich noch mit den Fruͤheſten gaͤrtnen
kann. Und uͤberhaupt macht mir dieß kleine Grund-
ſtuͤck viel Vergnuͤgen. Zwar iſt die Erde ziemlich
grob und ungeſchlacht, obgleich ich ſie ſchon an die
fuͤnf und zwanzig Jahre bearbeitet habe: Dem ungeach-
tet giebt das Ding Kraut, Kohl, Erbſen, und was
ich immer auf meinen Tiſch brauche, zur Genuͤge;
mitunter auch Bluhmwerk, und Roſen die Fuͤlle.
Kurz, es freut mich ſo wohl als manchen Fuͤrſten
alle ſeine Babyloniſche Gaͤrten. — Sag’ alſo, Bube!
iſt unſer Wohnort nicht ſo angenehm, als je einer
in der Welt? Einſam, und doch ſo nahe bey den
Leuthen; mitten im Thal, und doch ein wenig er-

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[278/0294] wiſſer Berg, der mir um die Tag und Nacht Glei- che die liebe Sonne des Morgens eine Stunde zu lang aufhaͤlt, ſind mir unter allem, was zu dieſer mei- ner Lage gehoͤrt, allein widerlich. Beyde wuͤrd’ ich gern verkaufen, oder gar verſchenken. Die vertrack- ten Sperber zumal plagen nicht nur von Mitte Aprill bis ſpaͤth in den Herbſt mit ihrem Zettergeſchrey mei- ne Ohren, ſondern — was noch weit aͤrger iſt — verjagen mir die lieben Singvoͤgelchen, daß bald kein einziges mehr in der Gegend ſich einzuniſten wagt. Meine Nachbarn ſind recht gute ehrliche Leuthe, die ich aufrichtig ſchaͤtze und liebe. Freylich laͤuft bis- weilen auch ein andrer mitunter, wie uͤberall. In- nige Freunde, mit denen man Gedanken wechſeln und Herzen tauſchen kann, hab’ ich in der Naͤhe keine. Dieß erſetzen mir meine platoniſchen Gelieb- ten in meinem Stuͤbchen. Im Fruͤhlinge liegt mir der Schnee auch ein Bißchen zu lang in meinem Gaͤrtchen. Aber ich fange einen Krieg mit ihm an, zerfetze ihn zu kleinen Stuͤcken, und werfe ihm Aſche und Koth auf die Naſe; dann verkriecht er ſich in die Erde, ſo daß ich noch mit den Fruͤheſten gaͤrtnen kann. Und uͤberhaupt macht mir dieß kleine Grund- ſtuͤck viel Vergnuͤgen. Zwar iſt die Erde ziemlich grob und ungeſchlacht, obgleich ich ſie ſchon an die fuͤnf und zwanzig Jahre bearbeitet habe: Dem ungeach- tet giebt das Ding Kraut, Kohl, Erbſen, und was ich immer auf meinen Tiſch brauche, zur Genuͤge; mitunter auch Bluhmwerk, und Roſen die Fuͤlle. Kurz, es freut mich ſo wohl als manchen Fuͤrſten alle ſeine Babyloniſche Gaͤrten. — Sag’ alſo, Bube! iſt unſer Wohnort nicht ſo angenehm, als je einer in der Welt? Einſam, und doch ſo nahe bey den Leuthen; mitten im Thal, und doch ein wenig er-

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/294>, abgerufen am 25.11.2024.