Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

es ist gerade das Gegentheil, und mir wahrlich allein
um euer Wohl zu thun. An Euch selbst handelt ihr
sehr übel. Jeder Ungehorsam muß wieder an euch
gerochen werden --- haarklein, in dieser oder in jener
Welt. Glaubt mir's, ich weiß es aus Erfahrung.
Also noch einmal, als euer zärtliche Vater bitt' ich
euch -- denn befehlen würde da wenig helfen --- um
eurer selbst, um eurer zeitlichen und ewigen Wohl-
farth willen: Liebet und ehrt eure Mutter! Sie hat's
an euch wohl verdient. Und wenn sie auch je nach
eurer Meinung zu viel von euch fodert, denke nur
ein jedes immer: "Sie darf es; ich bin ihr grosser
"Schuldner, und wenn ich schon unmöglich alle ihre
"Befehle befolgen kann, will ich doch das Mögliche
"thun; will ihr wenigstens nicht ins Angesicht wi-
"dersprechen, nicht widerbefzgen, nie mit ihr zanken
"und das letzte Wort haben wollen. Lieber will ich
"auf die Seite gehn, mein Herz prüfen, und mich
"fragen: Ist's nicht itzt itzt gerade die rechte Zeit,
"daß ich lerne gehorchen, damit ich einst desto ver-
"nünftiger befehlen könne". Denn die Ursache, war-
um so viele Eltern und Herrschaften ihren Kindern
und Untergebnen so läppisch befehlen, ist gewiß keine
andre, als daß sie sich nicht frühe ans gehorchen ge-
wöhnt. --- Also nur kein solch hönisches Gesicht, kein
Greinen und kein Grunzen, meine Söhn' und Töch-
ter! wenn schon etwa ein kleiner oder grösseres Wet-
ter über euch geht. Es steht euch durchaus nicht zu,
die Uebereilungen euers Vaters und die Schwachhei-
ten eurer Mutter zu necken oder zu rügen. Und

es iſt gerade das Gegentheil, und mir wahrlich allein
um euer Wohl zu thun. An Euch ſelbſt handelt ihr
ſehr uͤbel. Jeder Ungehorſam muß wieder an euch
gerochen werden --- haarklein, in dieſer oder in jener
Welt. Glaubt mir’s, ich weiß es aus Erfahrung.
Alſo noch einmal, als euer zaͤrtliche Vater bitt’ ich
euch -- denn befehlen wuͤrde da wenig helfen --- um
eurer ſelbſt, um eurer zeitlichen und ewigen Wohl-
farth willen: Liebet und ehrt eure Mutter! Sie hat’s
an euch wohl verdient. Und wenn ſie auch je nach
eurer Meinung zu viel von euch fodert, denke nur
ein jedes immer: „Sie darf es; ich bin ihr groſſer
„Schuldner, und wenn ich ſchon unmoͤglich alle ihre
„Befehle befolgen kann, will ich doch das Moͤgliche
„thun; will ihr wenigſtens nicht ins Angeſicht wi-
„derſprechen, nicht widerbefzgen, nie mit ihr zanken
„und das letzte Wort haben wollen. Lieber will ich
„auf die Seite gehn, mein Herz pruͤfen, und mich
„fragen: Iſt’s nicht itzt itzt gerade die rechte Zeit,
„daß ich lerne gehorchen, damit ich einſt deſto ver-
„nuͤnftiger befehlen koͤnne„. Denn die Urſache, war-
um ſo viele Eltern und Herrſchaften ihren Kindern
und Untergebnen ſo laͤppiſch befehlen, iſt gewiß keine
andre, als daß ſie ſich nicht fruͤhe ans gehorchen ge-
woͤhnt. --- Alſo nur kein ſolch hoͤniſches Geſicht, kein
Greinen und kein Grunzen, meine Soͤhn’ und Toͤch-
ter! wenn ſchon etwa ein kleiner oder groͤſſeres Wet-
ter uͤber euch geht. Es ſteht euch durchaus nicht zu,
die Uebereilungen euers Vaters und die Schwachhei-
ten eurer Mutter zu necken oder zu ruͤgen. Und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0285" n="269"/>
es i&#x017F;t gerade das Gegentheil, und mir wahrlich allein<lb/>
um euer Wohl zu thun. An Euch &#x017F;elb&#x017F;t handelt ihr<lb/>
&#x017F;ehr u&#x0364;bel. Jeder Ungehor&#x017F;am muß wieder an euch<lb/>
gerochen werden --- haarklein, in die&#x017F;er oder in jener<lb/>
Welt. Glaubt mir&#x2019;s, ich weiß es aus Erfahrung.<lb/>
Al&#x017F;o noch einmal, als euer za&#x0364;rtliche Vater bitt&#x2019; ich<lb/>
euch -- denn befehlen wu&#x0364;rde da wenig helfen --- um<lb/>
eurer &#x017F;elb&#x017F;t, um eurer zeitlichen und ewigen Wohl-<lb/>
farth willen: Liebet und ehrt eure Mutter! Sie hat&#x2019;s<lb/>
an euch wohl verdient. Und wenn &#x017F;ie auch je nach<lb/>
eurer Meinung zu viel von euch fodert, denke nur<lb/>
ein jedes immer: &#x201E;Sie darf es; ich bin ihr gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x201E;Schuldner, und wenn ich &#x017F;chon unmo&#x0364;glich alle ihre<lb/>
&#x201E;Befehle befolgen kann, will ich doch das Mo&#x0364;gliche<lb/>
&#x201E;thun; will ihr wenig&#x017F;tens nicht ins <choice><sic>Auge&#x017F;icht</sic><corr>Ange&#x017F;icht</corr></choice> wi-<lb/>
&#x201E;der&#x017F;prechen, nicht widerbefzgen, nie mit ihr zanken<lb/>
&#x201E;und das letzte Wort haben wollen. Lieber will ich<lb/>
&#x201E;auf die Seite gehn, mein Herz pru&#x0364;fen, und mich<lb/>
&#x201E;fragen: I&#x017F;t&#x2019;s nicht itzt itzt gerade die rechte Zeit,<lb/>
&#x201E;daß ich lerne gehorchen, damit ich ein&#x017F;t de&#x017F;to ver-<lb/>
&#x201E;nu&#x0364;nftiger befehlen ko&#x0364;nne&#x201E;. Denn die Ur&#x017F;ache, war-<lb/>
um &#x017F;o viele Eltern und Herr&#x017F;chaften ihren Kindern<lb/>
und Untergebnen &#x017F;o la&#x0364;ppi&#x017F;ch befehlen, i&#x017F;t gewiß keine<lb/>
andre, als daß &#x017F;ie &#x017F;ich nicht fru&#x0364;he ans gehorchen ge-<lb/>
wo&#x0364;hnt. --- Al&#x017F;o nur kein &#x017F;olch ho&#x0364;ni&#x017F;ches Ge&#x017F;icht, kein<lb/>
Greinen und kein Grunzen, meine So&#x0364;hn&#x2019; und To&#x0364;ch-<lb/>
ter! wenn &#x017F;chon etwa ein kleiner oder gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres Wet-<lb/>
ter u&#x0364;ber euch geht. Es &#x017F;teht euch durchaus nicht zu,<lb/>
die Uebereilungen euers Vaters und die Schwachhei-<lb/>
ten <choice><sic>enrer</sic><corr>eurer</corr></choice> Mutter zu necken oder zu ru&#x0364;gen. Und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0285] es iſt gerade das Gegentheil, und mir wahrlich allein um euer Wohl zu thun. An Euch ſelbſt handelt ihr ſehr uͤbel. Jeder Ungehorſam muß wieder an euch gerochen werden --- haarklein, in dieſer oder in jener Welt. Glaubt mir’s, ich weiß es aus Erfahrung. Alſo noch einmal, als euer zaͤrtliche Vater bitt’ ich euch -- denn befehlen wuͤrde da wenig helfen --- um eurer ſelbſt, um eurer zeitlichen und ewigen Wohl- farth willen: Liebet und ehrt eure Mutter! Sie hat’s an euch wohl verdient. Und wenn ſie auch je nach eurer Meinung zu viel von euch fodert, denke nur ein jedes immer: „Sie darf es; ich bin ihr groſſer „Schuldner, und wenn ich ſchon unmoͤglich alle ihre „Befehle befolgen kann, will ich doch das Moͤgliche „thun; will ihr wenigſtens nicht ins Angeſicht wi- „derſprechen, nicht widerbefzgen, nie mit ihr zanken „und das letzte Wort haben wollen. Lieber will ich „auf die Seite gehn, mein Herz pruͤfen, und mich „fragen: Iſt’s nicht itzt itzt gerade die rechte Zeit, „daß ich lerne gehorchen, damit ich einſt deſto ver- „nuͤnftiger befehlen koͤnne„. Denn die Urſache, war- um ſo viele Eltern und Herrſchaften ihren Kindern und Untergebnen ſo laͤppiſch befehlen, iſt gewiß keine andre, als daß ſie ſich nicht fruͤhe ans gehorchen ge- woͤhnt. --- Alſo nur kein ſolch hoͤniſches Geſicht, kein Greinen und kein Grunzen, meine Soͤhn’ und Toͤch- ter! wenn ſchon etwa ein kleiner oder groͤſſeres Wet- ter uͤber euch geht. Es ſteht euch durchaus nicht zu, die Uebereilungen euers Vaters und die Schwachhei- ten eurer Mutter zu necken oder zu ruͤgen. Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/285
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/285>, abgerufen am 22.11.2024.