Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn's euch zustühnde, was hölf' es euch! Was hat
je, auf Schelten, das Widerschelten vor Nutzen ge-
bracht? Wohl erzeugt's tagtäglich so viele tausend elen-
de Lust- oft sogar jämmerliche Trauerspiele auf Erde,
daß der Teufel und alle seine Gesellen schon darüber
mit Händeklatschen genug zu thun haben.

Und nun wend' ich mich noch an jedes aus euch ins-
besonders.

Anna Catharina! Dein frecher, wildaufbrausen-
der Charackter macht mich oft sehr besorgt für dich.
Hingegen dein theilnehmendes, gefühlvolles Herz
freut mich in der Seele, so oft ich eine kleinere oder
grössere Probe davon sehe oder erfahre. -- Aber, dei-
ne Unbiegsamkeit kann dich noch theuer zu stehen kom-
men. Du wirst das Schicksal deiner Mutter haben,
wenn dich das nämliche Loos im Heyrathen trift;
trift dich aber ein anderes, ein Mann von einer dir
ähnlichen Gemüthsart -- O Wehe! da wird's hap-
pern. Bewahre übrigens nur deine Unschuld wie
deine Gebährerin, so wird die Vorsehung schon für
dich sorgen, und dir verordnen, was du verdienst --
oder vielmehr, was dir gut ist.

Johannes, mein älterer Sohn! O daß du den
Charackter deines seligen Brüderchens ererbt hättest,
wie einst Elisa des Elias Mantel. Ich kenne mich
nur halb in dir, so wie ich hingegen deine Mutter
ganz in meiner obigen Tochter finde. Deine unfeste,
wankelmüthige Denkungsart -- wenn es je eine Den-
kungsart heissen kann -- würd' mir oft angst und
bange machen, wenn ich nicht schon längst gewohnt

wenn’s euch zuſtuͤhnde, was hoͤlf’ es euch! Was hat
je, auf Schelten, das Widerſchelten vor Nutzen ge-
bracht? Wohl erzeugt’s tagtaͤglich ſo viele tauſend elen-
de Luſt- oft ſogar jaͤmmerliche Trauerſpiele auf Erde,
daß der Teufel und alle ſeine Geſellen ſchon daruͤber
mit Haͤndeklatſchen genug zu thun haben.

Und nun wend’ ich mich noch an jedes aus euch ins-
beſonders.

Anna Catharina! Dein frecher, wildaufbrauſen-
der Charackter macht mich oft ſehr beſorgt fuͤr dich.
Hingegen dein theilnehmendes, gefuͤhlvolles Herz
freut mich in der Seele, ſo oft ich eine kleinere oder
groͤſſere Probe davon ſehe oder erfahre. — Aber, dei-
ne Unbiegſamkeit kann dich noch theuer zu ſtehen kom-
men. Du wirſt das Schickſal deiner Mutter haben,
wenn dich das naͤmliche Loos im Heyrathen trift;
trift dich aber ein anderes, ein Mann von einer dir
aͤhnlichen Gemuͤthsart — O Wehe! da wird’s hap-
pern. Bewahre uͤbrigens nur deine Unſchuld wie
deine Gebaͤhrerin, ſo wird die Vorſehung ſchon fuͤr
dich ſorgen, und dir verordnen, was du verdienſt —
oder vielmehr, was dir gut iſt.

Johannes, mein aͤlterer Sohn! O daß du den
Charackter deines ſeligen Bruͤderchens ererbt haͤtteſt,
wie einſt Eliſa des Elias Mantel. Ich kenne mich
nur halb in dir, ſo wie ich hingegen deine Mutter
ganz in meiner obigen Tochter finde. Deine unfeſte,
wankelmuͤthige Denkungsart — wenn es je eine Den-
kungsart heiſſen kann — wuͤrd’ mir oft angſt und
bange machen, wenn ich nicht ſchon laͤngſt gewohnt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0286" n="270"/>
wenn&#x2019;s euch zu&#x017F;tu&#x0364;hnde, was ho&#x0364;lf&#x2019; es euch! Was hat<lb/>
je, auf Schelten, das Wider&#x017F;chelten vor Nutzen ge-<lb/>
bracht? Wohl erzeugt&#x2019;s tagta&#x0364;glich &#x017F;o viele tau&#x017F;end elen-<lb/>
de Lu&#x017F;t- oft &#x017F;ogar ja&#x0364;mmerliche Trauer&#x017F;piele auf Erde,<lb/>
daß der Teufel und alle &#x017F;eine Ge&#x017F;ellen &#x017F;chon daru&#x0364;ber<lb/>
mit Ha&#x0364;ndeklat&#x017F;chen genug zu thun haben.</p><lb/>
        <p>Und nun wend&#x2019; ich mich noch an jedes aus euch ins-<lb/>
be&#x017F;onders.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Anna Catharina</hi>! Dein frecher, wildaufbrau&#x017F;en-<lb/>
der Charackter macht mich oft &#x017F;ehr be&#x017F;orgt fu&#x0364;r dich.<lb/>
Hingegen dein theilnehmendes, gefu&#x0364;hlvolles Herz<lb/>
freut mich in der Seele, &#x017F;o oft ich eine kleinere oder<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Probe davon &#x017F;ehe oder erfahre. &#x2014; Aber, dei-<lb/>
ne Unbieg&#x017F;amkeit kann dich noch theuer zu &#x017F;tehen kom-<lb/>
men. Du wir&#x017F;t das Schick&#x017F;al deiner Mutter haben,<lb/>
wenn dich das na&#x0364;mliche Loos im Heyrathen trift;<lb/>
trift dich aber ein anderes, ein Mann von einer dir<lb/>
a&#x0364;hnlichen Gemu&#x0364;thsart &#x2014; O Wehe! da wird&#x2019;s hap-<lb/>
pern. Bewahre u&#x0364;brigens nur deine Un&#x017F;chuld wie<lb/>
deine Geba&#x0364;hrerin, &#x017F;o wird die Vor&#x017F;ehung &#x017F;chon fu&#x0364;r<lb/>
dich &#x017F;orgen, und dir verordnen, was du verdien&#x017F;t &#x2014;<lb/>
oder vielmehr, was dir gut i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Johannes</hi>, mein a&#x0364;lterer Sohn! O daß du den<lb/>
Charackter deines &#x017F;eligen Bru&#x0364;derchens ererbt ha&#x0364;tte&#x017F;t,<lb/>
wie ein&#x017F;t <hi rendition="#fr">Eli&#x017F;a</hi> des <hi rendition="#fr">Elias</hi> Mantel. Ich kenne mich<lb/>
nur halb in dir, &#x017F;o wie ich hingegen deine Mutter<lb/>
ganz in meiner obigen Tochter finde. Deine unfe&#x017F;te,<lb/>
wankelmu&#x0364;thige Denkungsart &#x2014; wenn es je eine Den-<lb/>
kungsart hei&#x017F;&#x017F;en kann &#x2014; wu&#x0364;rd&#x2019; mir oft ang&#x017F;t und<lb/>
bange machen, wenn ich nicht &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t gewohnt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0286] wenn’s euch zuſtuͤhnde, was hoͤlf’ es euch! Was hat je, auf Schelten, das Widerſchelten vor Nutzen ge- bracht? Wohl erzeugt’s tagtaͤglich ſo viele tauſend elen- de Luſt- oft ſogar jaͤmmerliche Trauerſpiele auf Erde, daß der Teufel und alle ſeine Geſellen ſchon daruͤber mit Haͤndeklatſchen genug zu thun haben. Und nun wend’ ich mich noch an jedes aus euch ins- beſonders. Anna Catharina! Dein frecher, wildaufbrauſen- der Charackter macht mich oft ſehr beſorgt fuͤr dich. Hingegen dein theilnehmendes, gefuͤhlvolles Herz freut mich in der Seele, ſo oft ich eine kleinere oder groͤſſere Probe davon ſehe oder erfahre. — Aber, dei- ne Unbiegſamkeit kann dich noch theuer zu ſtehen kom- men. Du wirſt das Schickſal deiner Mutter haben, wenn dich das naͤmliche Loos im Heyrathen trift; trift dich aber ein anderes, ein Mann von einer dir aͤhnlichen Gemuͤthsart — O Wehe! da wird’s hap- pern. Bewahre uͤbrigens nur deine Unſchuld wie deine Gebaͤhrerin, ſo wird die Vorſehung ſchon fuͤr dich ſorgen, und dir verordnen, was du verdienſt — oder vielmehr, was dir gut iſt. Johannes, mein aͤlterer Sohn! O daß du den Charackter deines ſeligen Bruͤderchens ererbt haͤtteſt, wie einſt Eliſa des Elias Mantel. Ich kenne mich nur halb in dir, ſo wie ich hingegen deine Mutter ganz in meiner obigen Tochter finde. Deine unfeſte, wankelmuͤthige Denkungsart — wenn es je eine Den- kungsart heiſſen kann — wuͤrd’ mir oft angſt und bange machen, wenn ich nicht ſchon laͤngſt gewohnt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/286
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/286>, abgerufen am 25.11.2024.