und der andre hatte keine Zeugen. Er mußte also das Empfangene vor sich behalten. -- Im Handel und Wandel betrog ich sicher niemand, sondern zog vielmehr meist den Kürzern. -- Nie mocht' ich in Gesellschaften seyn, wo gezankt wurde, oder wo sonst jemand unzufrieden war; nie wo schmutzige Zotten aufs Tapet kamen, oder es sonst konterbunt --- wohl aber wo es lustig in Ehren hergieng, und alles con- tent war. Mehr als einmal hab' ich mein eigenes Geld angespannt, um andern Vergnügen zu machen. --- Viel hundert Gulden hab' ich entlehnt, um an- dern zu helfen, die mich hernach ausgelacht, oder es mir abgeläugnet, oder die ich mir wenigstens damit, statt zu Freunden zu Feinden gemacht. --- Das schö- ne Geschlecht war freylich von jeher meine Lieblings- sache. Doch, ich hab' ja über dieß Kapitel schon ge- beichtet. Gott verzeih' mir's wo ich gefehlt! --- Dieß- mal ist's um Entschuldigungen und Trostgründe zu thun. Und da bin ich in meinem Innersten zufrieden mit mir selber, daß gewiß kein Weibsbild unter der Sonne auftreten und sagen kann, ich habe sie ver- führt; keine Seele auf Gottes Erdboden herumgeht, die mir ihr Daseyn vorzuwerfen hat; daß ich kein Weib ihrem Mann abspenstig gemacht, und eine ein- zige Jungfer gekostet --- und die ist meine Frau. Diese meine Blödigkeit freute mich immer, und würde mir noch itzt anhangen. Auch das ist mir ein wahrer Trost, daß ich sogar nur nie keine Gelegenheit gesucht --- höchstens bisweilen in meiner Fantasie die Narr- heit hatte, einen guten Anlaß zu wünschen; aber,
R
und der andre hatte keine Zeugen. Er mußte alſo das Empfangene vor ſich behalten. — Im Handel und Wandel betrog ich ſicher niemand, ſondern zog vielmehr meiſt den Kuͤrzern. — Nie mocht’ ich in Geſellſchaften ſeyn, wo gezankt wurde, oder wo ſonſt jemand unzufrieden war; nie wo ſchmutzige Zotten aufs Tapet kamen, oder es ſonſt konterbunt --- wohl aber wo es luſtig in Ehren hergieng, und alles con- tent war. Mehr als einmal hab’ ich mein eigenes Geld angeſpannt, um andern Vergnuͤgen zu machen. --- Viel hundert Gulden hab’ ich entlehnt, um an- dern zu helfen, die mich hernach ausgelacht, oder es mir abgelaͤugnet, oder die ich mir wenigſtens damit, ſtatt zu Freunden zu Feinden gemacht. --- Das ſchoͤ- ne Geſchlecht war freylich von jeher meine Lieblings- ſache. Doch, ich hab’ ja uͤber dieß Kapitel ſchon ge- beichtet. Gott verzeih’ mir’s wo ich gefehlt! --- Dieß- mal iſt’s um Entſchuldigungen und Troſtgruͤnde zu thun. Und da bin ich in meinem Innerſten zufrieden mit mir ſelber, daß gewiß kein Weibsbild unter der Sonne auftreten und ſagen kann, ich habe ſie ver- fuͤhrt; keine Seele auf Gottes Erdboden herumgeht, die mir ihr Daſeyn vorzuwerfen hat; daß ich kein Weib ihrem Mann abſpenſtig gemacht, und eine ein- zige Jungfer gekoſtet --- und die iſt meine Frau. Dieſe meine Bloͤdigkeit freute mich immer, und wuͤrde mir noch itzt anhangen. Auch das iſt mir ein wahrer Troſt, daß ich ſogar nur nie keine Gelegenheit geſucht --- hoͤchſtens bisweilen in meiner Fantaſie die Narr- heit hatte, einen guten Anlaß zu wuͤnſchen; aber,
R
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0273"n="257"/>
und der andre hatte keine Zeugen. Er mußte alſo<lb/>
das Empfangene vor ſich behalten. — Im Handel<lb/>
und Wandel betrog ich ſicher niemand, ſondern zog<lb/>
vielmehr meiſt den Kuͤrzern. — Nie mocht’ ich in<lb/>
Geſellſchaften ſeyn, wo gezankt wurde, oder wo ſonſt<lb/>
jemand unzufrieden war; nie wo ſchmutzige Zotten<lb/>
aufs Tapet kamen, oder es ſonſt konterbunt --- wohl<lb/>
aber wo es luſtig in Ehren hergieng, und alles con-<lb/>
tent war. Mehr als einmal hab’ ich mein eigenes<lb/>
Geld angeſpannt, um andern Vergnuͤgen zu machen.<lb/>
--- Viel hundert Gulden hab’ ich entlehnt, um an-<lb/>
dern zu helfen, die mich hernach ausgelacht, oder es<lb/>
mir abgelaͤugnet, oder die ich mir wenigſtens damit,<lb/>ſtatt zu Freunden zu Feinden gemacht. --- Das ſchoͤ-<lb/>
ne Geſchlecht war freylich von jeher meine Lieblings-<lb/>ſache. Doch, ich hab’ ja uͤber dieß Kapitel ſchon ge-<lb/>
beichtet. Gott verzeih’ mir’s wo ich gefehlt! --- Dieß-<lb/>
mal iſt’s um Entſchuldigungen und Troſtgruͤnde zu<lb/>
thun. Und da bin ich in meinem Innerſten zufrieden<lb/>
mit mir ſelber, daß gewiß kein Weibsbild unter der<lb/>
Sonne auftreten und ſagen kann, ich habe ſie ver-<lb/>
fuͤhrt; keine Seele auf Gottes Erdboden herumgeht,<lb/>
die mir ihr Daſeyn vorzuwerfen hat; daß ich kein<lb/>
Weib ihrem Mann abſpenſtig gemacht, und eine ein-<lb/>
zige Jungfer gekoſtet --- und die iſt meine Frau. Dieſe<lb/>
meine Bloͤdigkeit freute mich immer, und wuͤrde mir<lb/>
noch itzt anhangen. Auch das iſt mir ein wahrer<lb/>
Troſt, daß ich ſogar nur nie keine Gelegenheit geſucht<lb/>
--- hoͤchſtens bisweilen in meiner Fantaſie die Narr-<lb/>
heit hatte, einen guten Anlaß zu wuͤnſchen; aber,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[257/0273]
und der andre hatte keine Zeugen. Er mußte alſo
das Empfangene vor ſich behalten. — Im Handel
und Wandel betrog ich ſicher niemand, ſondern zog
vielmehr meiſt den Kuͤrzern. — Nie mocht’ ich in
Geſellſchaften ſeyn, wo gezankt wurde, oder wo ſonſt
jemand unzufrieden war; nie wo ſchmutzige Zotten
aufs Tapet kamen, oder es ſonſt konterbunt --- wohl
aber wo es luſtig in Ehren hergieng, und alles con-
tent war. Mehr als einmal hab’ ich mein eigenes
Geld angeſpannt, um andern Vergnuͤgen zu machen.
--- Viel hundert Gulden hab’ ich entlehnt, um an-
dern zu helfen, die mich hernach ausgelacht, oder es
mir abgelaͤugnet, oder die ich mir wenigſtens damit,
ſtatt zu Freunden zu Feinden gemacht. --- Das ſchoͤ-
ne Geſchlecht war freylich von jeher meine Lieblings-
ſache. Doch, ich hab’ ja uͤber dieß Kapitel ſchon ge-
beichtet. Gott verzeih’ mir’s wo ich gefehlt! --- Dieß-
mal iſt’s um Entſchuldigungen und Troſtgruͤnde zu
thun. Und da bin ich in meinem Innerſten zufrieden
mit mir ſelber, daß gewiß kein Weibsbild unter der
Sonne auftreten und ſagen kann, ich habe ſie ver-
fuͤhrt; keine Seele auf Gottes Erdboden herumgeht,
die mir ihr Daſeyn vorzuwerfen hat; daß ich kein
Weib ihrem Mann abſpenſtig gemacht, und eine ein-
zige Jungfer gekoſtet --- und die iſt meine Frau. Dieſe
meine Bloͤdigkeit freute mich immer, und wuͤrde mir
noch itzt anhangen. Auch das iſt mir ein wahrer
Troſt, daß ich ſogar nur nie keine Gelegenheit geſucht
--- hoͤchſtens bisweilen in meiner Fantaſie die Narr-
heit hatte, einen guten Anlaß zu wuͤnſchen; aber,
R
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/273>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.