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Bosman, Willem: Reyse nach Gvinea. Hamburg, 1708.

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des Landes Gvinea.
das bißgen Leben drüber einbüssen müssen. Die
Frauens um den Cörper herumstehende/ gaben ihren
Männern nichts nach/ und fingen mit vollem Halse
greßlich anzuschreyen/ so daß ich nicht wissen kan wer
es am besten gekonnt hat. Diese unvergleichliche
Music daurete 24. Stunden ohne Aufhören/ nach-
dem ruheten sie etwas aus; und brachte man ein Ca-
noa
vor die Thüre/ in welches der Cörper eingeleget
wurde mit ein wenig Reiß und Palmenwein/ damit
die gute Frau unter Wegs nicht Hunger oder Durst
leiden dörffte/ und füllete endlich den Canoa mit un-
terschiedlichen grünen Laub an.

Darauf gienge das Geschrey von neuen wieder an/
und daurete eine gute halbe Stunde/ bis 10. starcke
tapffere Kerle hervortraten/ welche den Canoa zusamt
dem Cörger aufnahmen und aufs Wasser setzten/ um
selbige an den Ort ihrer Geburth zu führen und sie
daselbst zur Erden zu bestätigen. Jch bildete mir ein
sie würde solches ohnfehlbar in ihrem letzten Willen
angeordnet haben/ man sagte mir aber/ dieses eine all-
gemeine Gewonheit zu seyn/ daß ein jeder an dem Ort
wo er gebohren/ auch müste beerdiget werden/ wenn
es auch noch so weit wäre; denn hierinn müste der Ab-
gelebte keine Unkosten sparen/ oder bey dessen Unver-
mögenheit von denen hinterlassenen Freunden hierin-
nen ein Vorschuß geschehen.

Drey Tage hernach kamen diejenigen/ welche mit zu
Grabe gewesen waren/ sämtlich zurück/ und brachten
jeder einen Hammel und grosse Qvantität von Pal-
menwein mit sich/ um einen Zerrem zum Andencken
der Verstorbenen zu halten. Nun hätte ich gerne

das
O o

des Landes Gvinea.
das bißgen Leben druͤber einbuͤſſen muͤſſen. Die
Frauens um den Coͤrper herumſtehende/ gaben ihren
Maͤnnern nichts nach/ und fingen mit vollem Halſe
greßlich anzuſchreyen/ ſo daß ich nicht wiſſen kan wer
es am beſten gekonnt hat. Dieſe unvergleichliche
Muſic daurete 24. Stunden ohne Aufhoͤren/ nach-
dem ruheten ſie etwas aus; und brachte man ein Ca-
noa
vor die Thuͤre/ in welches der Coͤrper eingeleget
wurde mit ein wenig Reiß und Palmenwein/ damit
die gute Frau unter Wegs nicht Hunger oder Durſt
leiden doͤrffte/ und fuͤllete endlich den Canoa mit un-
terſchiedlichen gruͤnen Laub an.

Darauf gienge das Geſchrey von neuen wieder an/
und daurete eine gute halbe Stunde/ bis 10. ſtarcke
tapffere Kerle hervortraten/ welche den Canoa zuſamt
dem Coͤrger aufnahmen und aufs Waſſer ſetzten/ um
ſelbige an den Ort ihrer Geburth zu fuͤhren und ſie
daſelbſt zur Erden zu beſtaͤtigen. Jch bildete mir ein
ſie wuͤrde ſolches ohnfehlbar in ihrem letzten Willen
angeordnet haben/ man ſagte mir aber/ dieſes eine all-
gemeine Gewonheit zu ſeyn/ daß ein jeder an dem Ort
wo er gebohren/ auch muͤſte beerdiget werden/ wenn
es auch noch ſo weit waͤre; denn hierinn muͤſte der Ab-
gelebte keine Unkoſten ſparen/ oder bey deſſen Unver-
moͤgenheit von denen hinterlaſſenen Freunden hierin-
nen ein Vorſchuß geſchehen.

Drey Tage hernach kamen diejenigen/ welche mit zu
Grabe geweſen waren/ ſaͤmtlich zuruͤck/ und brachten
jeder einen Hammel und groſſe Qvantitaͤt von Pal-
menwein mit ſich/ um einen Zerrem zum Andencken
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[577/0637] des Landes Gvinea. das bißgen Leben druͤber einbuͤſſen muͤſſen. Die Frauens um den Coͤrper herumſtehende/ gaben ihren Maͤnnern nichts nach/ und fingen mit vollem Halſe greßlich anzuſchreyen/ ſo daß ich nicht wiſſen kan wer es am beſten gekonnt hat. Dieſe unvergleichliche Muſic daurete 24. Stunden ohne Aufhoͤren/ nach- dem ruheten ſie etwas aus; und brachte man ein Ca- noa vor die Thuͤre/ in welches der Coͤrper eingeleget wurde mit ein wenig Reiß und Palmenwein/ damit die gute Frau unter Wegs nicht Hunger oder Durſt leiden doͤrffte/ und fuͤllete endlich den Canoa mit un- terſchiedlichen gruͤnen Laub an. Darauf gienge das Geſchrey von neuen wieder an/ und daurete eine gute halbe Stunde/ bis 10. ſtarcke tapffere Kerle hervortraten/ welche den Canoa zuſamt dem Coͤrger aufnahmen und aufs Waſſer ſetzten/ um ſelbige an den Ort ihrer Geburth zu fuͤhren und ſie daſelbſt zur Erden zu beſtaͤtigen. Jch bildete mir ein ſie wuͤrde ſolches ohnfehlbar in ihrem letzten Willen angeordnet haben/ man ſagte mir aber/ dieſes eine all- gemeine Gewonheit zu ſeyn/ daß ein jeder an dem Ort wo er gebohren/ auch muͤſte beerdiget werden/ wenn es auch noch ſo weit waͤre; denn hierinn muͤſte der Ab- gelebte keine Unkoſten ſparen/ oder bey deſſen Unver- moͤgenheit von denen hinterlaſſenen Freunden hierin- nen ein Vorſchuß geſchehen. Drey Tage hernach kamen diejenigen/ welche mit zu Grabe geweſen waren/ ſaͤmtlich zuruͤck/ und brachten jeder einen Hammel und groſſe Qvantitaͤt von Pal- menwein mit ſich/ um einen Zerrem zum Andencken der Verſtorbenen zu halten. Nun haͤtte ich gerne das O o

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Zitationshilfe: Bosman, Willem: Reyse nach Gvinea. Hamburg, 1708, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bossmann_gvinea_1708/637>, abgerufen am 24.11.2024.