Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bosman, Willem: Reyse nach Gvinea. Hamburg, 1708.

Bild:
<< vorherige Seite

des Landes Gvinea.
alsofort zu schliessen/ es müsse jemand gestorben seyn/
ohne daß zu eben der Zeit unterschiedliche junge Leute
von Bekand- oder Freundschafft des Abgelebten/ ihr
Gewehr abschiessen/ um zum Zeichen ihrer letzten
Schuldigkeit/ dem Todten einen Ehren-Dienst zu
erweisen.

Dafern der Verstorbene ein Ehemann gewesen/
zerkratzen und zerreissen die Weiber ihre Köpffe ohne
Auffhören/ beschmieren den Leib mit weisser Erde/
nichts anhabende/ als einen abgenützten Paan, lauf-
fen durch alle Strassen/ nicht anders als wären sie al-
mahl unsinnig/ indem sie rechten Teuffelinnen oder
höllischen Furien mit ihren loßgebundenen Haaren
ähnlich sind/ und mit entsetzlichem Geschrey den Nah-
men des Verstorbenen zusamt seinen herrlich verrich-
teten Thaten ausruffen; welches denn einige Tage
nach einander währet/ so lange bis der Todte begraben.

Wird auch irgend ein vornehmer Mann in der
Schlacht erschossen; so daß seine Freunde und Mitge-
sellen den Leichnam nicht bey Seite bringen/ oder sel-
bigen nach Gebühr seines Standes im Vaterlande
nicht begraben können/ weil der Krieg noch dauret/
und gleichwol das Leichbegängniß in keinem andern
Lande geschehen muß/ so müssen seine nachgelassene
Frauens die gantze Zeit über in Trauer-Kleidern mit
geschornem Haupt erscheinen. Nach Verlauff eini-
ger Zeit bisweilen 10. oder 12. Jahren/ wird die Be-
erdigung eines solchen Mannes bey Gelegenheit mit
der grösten Pracht gehalten/ nicht anders als wäre
er kürtzlich verschieden/ da denn nach Vollendung des-
sen/ die Frauens sich reinigen/ ihren Trauer-Habit ab-
legen/ und sich gleich andern kleiden.

Wäh-

des Landes Gvinea.
alſofort zu ſchlieſſen/ es muͤſſe jemand geſtorben ſeyn/
ohne daß zu eben der Zeit unterſchiedliche junge Leute
von Bekand- oder Freundſchafft des Abgelebten/ ihr
Gewehr abſchieſſen/ um zum Zeichen ihrer letzten
Schuldigkeit/ dem Todten einen Ehren-Dienſt zu
erweiſen.

Dafern der Verſtorbene ein Ehemann geweſen/
zerkratzen und zerreiſſen die Weiber ihre Koͤpffe ohne
Auffhoͤren/ beſchmieren den Leib mit weiſſer Erde/
nichts anhabende/ als einen abgenuͤtzten Paan, lauf-
fen durch alle Straſſen/ nicht anders als waͤren ſie al-
mahl unſinnig/ indem ſie rechten Teuffelinnen oder
hoͤlliſchen Furien mit ihren loßgebundenen Haaren
aͤhnlich ſind/ und mit entſetzlichem Geſchrey den Nah-
men des Verſtorbenen zuſamt ſeinen herrlich verrich-
teten Thaten ausruffen; welches denn einige Tage
nach einander waͤhret/ ſo lange bis der Todte begraben.

Wird auch irgend ein vornehmer Mann in der
Schlacht erſchoſſen; ſo daß ſeine Freunde und Mitge-
ſellen den Leichnam nicht bey Seite bringen/ oder ſel-
bigen nach Gebuͤhr ſeines Standes im Vaterlande
nicht begraben koͤnnen/ weil der Krieg noch dauret/
und gleichwol das Leichbegaͤngniß in keinem andern
Lande geſchehen muß/ ſo muͤſſen ſeine nachgelaſſene
Frauens die gantze Zeit uͤber in Trauer-Kleidern mit
geſchornem Haupt erſcheinen. Nach Verlauff eini-
ger Zeit bisweilen 10. oder 12. Jahren/ wird die Be-
erdigung eines ſolchen Mannes bey Gelegenheit mit
der groͤſten Pracht gehalten/ nicht anders als waͤre
er kuͤrtzlich verſchieden/ da denn nach Vollendung deſ-
ſen/ die Frauens ſich reinigen/ ihren Trauer-Habit ab-
legen/ und ſich gleich andern kleiden.

Waͤh-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0313" n="269"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des Landes <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Gvinea.</hi></hi></hi></fw><lb/>
al&#x017F;ofort zu &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/ es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e jemand ge&#x017F;torben &#x017F;eyn/<lb/>
ohne daß zu eben der Zeit unter&#x017F;chiedliche junge Leute<lb/>
von Bekand- oder Freund&#x017F;chafft des Abgelebten/ ihr<lb/>
Gewehr ab&#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en/ um zum Zeichen ihrer letzten<lb/>
Schuldigkeit/ dem Todten einen Ehren-Dien&#x017F;t zu<lb/>
erwei&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Dafern der Ver&#x017F;torbene ein Ehemann gewe&#x017F;en/<lb/>
zerkratzen und zerrei&#x017F;&#x017F;en die Weiber ihre Ko&#x0364;pffe ohne<lb/>
Auffho&#x0364;ren/ be&#x017F;chmieren den Leib mit wei&#x017F;&#x017F;er Erde/<lb/>
nichts anhabende/ als einen abgenu&#x0364;tzten <hi rendition="#aq">Paan,</hi> lauf-<lb/>
fen durch alle Stra&#x017F;&#x017F;en/ nicht anders als wa&#x0364;ren &#x017F;ie al-<lb/>
mahl un&#x017F;innig/ indem &#x017F;ie rechten Teuffelinnen oder<lb/>
ho&#x0364;lli&#x017F;chen Furien mit ihren loßgebundenen Haaren<lb/>
a&#x0364;hnlich &#x017F;ind/ und mit ent&#x017F;etzlichem Ge&#x017F;chrey den Nah-<lb/>
men des Ver&#x017F;torbenen zu&#x017F;amt &#x017F;einen herrlich verrich-<lb/>
teten Thaten ausruffen; welches denn einige Tage<lb/>
nach einander wa&#x0364;hret/ &#x017F;o lange bis der Todte begraben.</p><lb/>
        <p>Wird auch irgend ein vornehmer Mann in der<lb/>
Schlacht er&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;o daß &#x017F;eine Freunde und Mitge-<lb/>
&#x017F;ellen den Leichnam nicht bey Seite bringen/ oder &#x017F;el-<lb/>
bigen nach Gebu&#x0364;hr &#x017F;eines Standes im Vaterlande<lb/>
nicht begraben ko&#x0364;nnen/ weil der Krieg noch dauret/<lb/>
und gleichwol das Leichbega&#x0364;ngniß in keinem andern<lb/>
Lande ge&#x017F;chehen muß/ &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine nachgela&#x017F;&#x017F;ene<lb/>
Frauens die gantze Zeit u&#x0364;ber in Trauer-Kleidern mit<lb/>
ge&#x017F;chornem Haupt er&#x017F;cheinen. Nach Verlauff eini-<lb/>
ger Zeit bisweilen 10. oder 12. Jahren/ wird die Be-<lb/>
erdigung eines &#x017F;olchen Mannes bey Gelegenheit mit<lb/>
der gro&#x0364;&#x017F;ten Pracht gehalten/ nicht anders als wa&#x0364;re<lb/>
er ku&#x0364;rtzlich ver&#x017F;chieden/ da denn nach Vollendung de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ die Frauens &#x017F;ich reinigen/ ihren Trauer-Habit ab-<lb/>
legen/ und &#x017F;ich gleich andern kleiden.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Wa&#x0364;h-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0313] des Landes Gvinea. alſofort zu ſchlieſſen/ es muͤſſe jemand geſtorben ſeyn/ ohne daß zu eben der Zeit unterſchiedliche junge Leute von Bekand- oder Freundſchafft des Abgelebten/ ihr Gewehr abſchieſſen/ um zum Zeichen ihrer letzten Schuldigkeit/ dem Todten einen Ehren-Dienſt zu erweiſen. Dafern der Verſtorbene ein Ehemann geweſen/ zerkratzen und zerreiſſen die Weiber ihre Koͤpffe ohne Auffhoͤren/ beſchmieren den Leib mit weiſſer Erde/ nichts anhabende/ als einen abgenuͤtzten Paan, lauf- fen durch alle Straſſen/ nicht anders als waͤren ſie al- mahl unſinnig/ indem ſie rechten Teuffelinnen oder hoͤlliſchen Furien mit ihren loßgebundenen Haaren aͤhnlich ſind/ und mit entſetzlichem Geſchrey den Nah- men des Verſtorbenen zuſamt ſeinen herrlich verrich- teten Thaten ausruffen; welches denn einige Tage nach einander waͤhret/ ſo lange bis der Todte begraben. Wird auch irgend ein vornehmer Mann in der Schlacht erſchoſſen; ſo daß ſeine Freunde und Mitge- ſellen den Leichnam nicht bey Seite bringen/ oder ſel- bigen nach Gebuͤhr ſeines Standes im Vaterlande nicht begraben koͤnnen/ weil der Krieg noch dauret/ und gleichwol das Leichbegaͤngniß in keinem andern Lande geſchehen muß/ ſo muͤſſen ſeine nachgelaſſene Frauens die gantze Zeit uͤber in Trauer-Kleidern mit geſchornem Haupt erſcheinen. Nach Verlauff eini- ger Zeit bisweilen 10. oder 12. Jahren/ wird die Be- erdigung eines ſolchen Mannes bey Gelegenheit mit der groͤſten Pracht gehalten/ nicht anders als waͤre er kuͤrtzlich verſchieden/ da denn nach Vollendung deſ- ſen/ die Frauens ſich reinigen/ ihren Trauer-Habit ab- legen/ und ſich gleich andern kleiden. Waͤh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bossmann_gvinea_1708
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bossmann_gvinea_1708/313
Zitationshilfe: Bosman, Willem: Reyse nach Gvinea. Hamburg, 1708, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bossmann_gvinea_1708/313>, abgerufen am 19.05.2024.