Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_033.001 pbo_033.019 pbo_033.021
Willst du zu Strophen werden, o Lied, oder pbo_033.022 pbo_033.025Ununterwürfig, Pindars Gesängen gleich, pbo_033.023 Gleich Zeus' erhabnem trunkenen Sohne, pbo_033.024 Frei aus der schaffenden Seele taumeln? 2) Wie Gna im Fluge, jugendlich ungestüm pbo_033.026 pbo_033.029Und stolz, als reichten mir aus Jdunas Gold pbo_033.027 Die Götter, sing ich meine Freunde pbo_033.028 Feiernd in kühnerem Bardenliede. Willst du zu Strophen werden, o Haingesang, pbo_033.030 pbo_033.033Willst du gesetzlos, Ossians Schwunge gleich, pbo_033.031 Gleich Ullers Tanz auf Meerkrystalle, pbo_033.032 Frei aus der Seele des Dichters schweben? Was ist uns neben Hebe -- "Gna"? Was neben Latonens Sohn Apollo pbo_033.034 "Jdunens Gold"? Was "Uller" neben Zeus und Bachus? und was schließlich pbo_033.035 "Ossians Schwung" neben Pindars Gesängen? pbo_033.036 Borinski, Deutsche Poetik. pbo_033.001 pbo_033.019 pbo_033.021
Willst du zu Strophen werden, o Lied, oder pbo_033.022 pbo_033.025Ununterwürfig, Pindars Gesängen gleich, pbo_033.023 Gleich Zeus' erhabnem trunkenen Sohne, pbo_033.024 Frei aus der schaffenden Seele taumeln? 2) Wie Gna im Fluge, jugendlich ungestüm pbo_033.026 pbo_033.029Und stolz, als reichten mir aus Jdunas Gold pbo_033.027 Die Götter, sing ich meine Freunde pbo_033.028 Feiernd in kühnerem Bardenliede. Willst du zu Strophen werden, o Haingesang, pbo_033.030 pbo_033.033Willst du gesetzlos, Ossians Schwunge gleich, pbo_033.031 Gleich Ullers Tanz auf Meerkrystalle, pbo_033.032 Frei aus der Seele des Dichters schweben? Was ist uns neben Hebe — „Gna“? Was neben Latonens Sohn Apollo pbo_033.034 „Jdunens Gold“? Was „Uller“ neben Zeus und Bachus? und was schließlich pbo_033.035 „Ossians Schwung“ neben Pindars Gesängen? pbo_033.036 Borinski, Deutsche Poetik. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0037" n="33"/><lb n="pbo_033.001"/> als ein glücklicher bezeichnet werden. Wir sehen ab von der <lb n="pbo_033.002"/> ungleich größeren Reichhaltigkeit, Frische und Bestimmtheit <lb n="pbo_033.003"/> der klassischen Mythologie Homers. Die nordische der Edda <lb n="pbo_033.004"/> hat dafür ihre erhabenen und rührenden Züge und im ganzen <lb n="pbo_033.005"/> eine gewisse eisige Unnahbarkeit, die sie besonders geeignet für <lb n="pbo_033.006"/> die Verkörperung mancher Seiten des Göttlichen macht. Allein <lb n="pbo_033.007"/> ihr fehlt die Voraussetzung der allgemeinen Kenntnis, wie sie <lb n="pbo_033.008"/> bei der antiken durch die Schule und eine mehrere Jahrhunderte <lb n="pbo_033.009"/> lange Bildungstradition doch nun einmal vorhanden <lb n="pbo_033.010"/> ist. Es scheint auch nicht, daß dies nachgeholt werden kann. <lb n="pbo_033.011"/> Dazu müßte zum wenigstens ein stärkeres nationales Jnteresse <lb n="pbo_033.012"/> für Odhin und die Götter und Helden von Walhall in ihrer <lb n="pbo_033.013"/> ausschließlich nordischen (skandinavischen) Erscheinungsform in <lb n="pbo_033.014"/> Deutschland vorausgesetzt werden können. Die deutsche nationale <lb n="pbo_033.015"/> Mythologie ist in der nordischen nicht gegeben. Die Beziehungen <lb n="pbo_033.016"/> zu ihr zu vermuten, aus Ueberresten in Dichtung, <lb n="pbo_033.017"/> Sage und Märchen zu erschließen, bleibt lediglich ein schwieriges <lb n="pbo_033.018"/> Problem der mythologischen Wissenschaft.</p> <p><lb n="pbo_033.019"/> Bei epischer oder dramatischer Vorführung einer vergangenen <lb n="pbo_033.020"/> Lebens- und Kulturform wird der Dichter natürlich <note corresp="PBO_032_***" xml:id="pbo_fn_032_3b" prev="#pbo_fn_032_3a" place="foot" n="***)"><lb n="pbo_033.021"/><lg><l>Willst du zu Strophen werden, o Lied, oder</l><lb n="pbo_033.022"/><l>Ununterwürfig, Pindars Gesängen gleich,</l><lb n="pbo_033.023"/><l>Gleich Zeus' erhabnem trunkenen Sohne,</l><lb n="pbo_033.024"/><l>Frei aus der schaffenden Seele taumeln? </l></lg><lb n="pbo_033.025"/> 2)<lg><l>Wie Gna im Fluge, jugendlich ungestüm</l><lb n="pbo_033.026"/><l>Und stolz, als reichten mir aus Jdunas Gold</l><lb n="pbo_033.027"/><l>Die Götter, sing ich meine Freunde</l><lb n="pbo_033.028"/><l>Feiernd in kühnerem Bardenliede. </l></lg> <lb n="pbo_033.029"/> <lg><l>Willst du zu Strophen werden, o Haingesang,</l><lb n="pbo_033.030"/><l>Willst du gesetzlos, Ossians Schwunge gleich,</l><lb n="pbo_033.031"/><l>Gleich Ullers Tanz auf Meerkrystalle,</l><lb n="pbo_033.032"/><l>Frei aus der Seele des Dichters schweben?</l></lg> <lb n="pbo_033.033"/> Was ist uns neben Hebe — „Gna“? Was neben Latonens Sohn Apollo <lb n="pbo_033.034"/> „Jdunens Gold“? Was „Uller“ neben Zeus und Bachus? und was schließlich <lb n="pbo_033.035"/> „Ossians Schwung“ neben Pindars Gesängen? <lb n="pbo_033.036"/> <hi rendition="#g">Borinski</hi>, Deutsche Poetik.</note> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [33/0037]
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ungleich größeren Reichhaltigkeit, Frische und Bestimmtheit pbo_033.003
der klassischen Mythologie Homers. Die nordische der Edda pbo_033.004
hat dafür ihre erhabenen und rührenden Züge und im ganzen pbo_033.005
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die Verkörperung mancher Seiten des Göttlichen macht. Allein pbo_033.007
ihr fehlt die Voraussetzung der allgemeinen Kenntnis, wie sie pbo_033.008
bei der antiken durch die Schule und eine mehrere Jahrhunderte pbo_033.009
lange Bildungstradition doch nun einmal vorhanden pbo_033.010
ist. Es scheint auch nicht, daß dies nachgeholt werden kann. pbo_033.011
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ausschließlich nordischen (skandinavischen) Erscheinungsform in pbo_033.014
Deutschland vorausgesetzt werden können. Die deutsche nationale pbo_033.015
Mythologie ist in der nordischen nicht gegeben. Die Beziehungen pbo_033.016
zu ihr zu vermuten, aus Ueberresten in Dichtung, pbo_033.017
Sage und Märchen zu erschließen, bleibt lediglich ein schwieriges pbo_033.018
Problem der mythologischen Wissenschaft.
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Bei epischer oder dramatischer Vorführung einer vergangenen pbo_033.020
Lebens- und Kulturform wird der Dichter natürlich ***)
***) pbo_033.021
Willst du zu Strophen werden, o Lied, oder pbo_033.022
Ununterwürfig, Pindars Gesängen gleich, pbo_033.023
Gleich Zeus' erhabnem trunkenen Sohne, pbo_033.024
Frei aus der schaffenden Seele taumeln?
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2)Wie Gna im Fluge, jugendlich ungestüm pbo_033.026
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Willst du gesetzlos, Ossians Schwunge gleich, pbo_033.031
Gleich Ullers Tanz auf Meerkrystalle, pbo_033.032
Frei aus der Seele des Dichters schweben?
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Was ist uns neben Hebe — „Gna“? Was neben Latonens Sohn Apollo pbo_033.034
„Jdunens Gold“? Was „Uller“ neben Zeus und Bachus? und was schließlich pbo_033.035
„Ossians Schwung“ neben Pindars Gesängen? pbo_033.036
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Zitationshilfe: | Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/37>, abgerufen am 27.07.2024. |