Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_138.001 § 97. Die Fabel. pbo_138.005 pbo_138.001 § 97. Die Fabel. pbo_138.005 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0142" n="138"/><lb n="pbo_138.001"/> Autor in der Romanproduktion wie von selbst auf <lb n="pbo_138.002"/> ein Niveau geraten kann, das mit dem poetischen so gut wie <lb n="pbo_138.003"/> nichts mehr gemein hat.</p> <lb n="pbo_138.004"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 97. Die Fabel.</hi> </head> <p><lb n="pbo_138.005"/> Die Erzählung an sich, das epische argumentum, wird <lb n="pbo_138.006"/> so im Roman leicht Selbstzweck, will rein durch sich selbst <lb n="pbo_138.007"/> (das Aufregende, Lüsterne, Prächtige &c. der Situation), ohne <lb n="pbo_138.008"/> jeden Bezug auf poetische Jdeen wirken und gerät so <hi rendition="#g">unter</hi> <lb n="pbo_138.009"/> die Prosa, soweit diese Mittel des vernünftigen Verkehrs <lb n="pbo_138.010"/> der Geister ist. Dagegen haben wir den Fall, daß das <lb n="pbo_138.011"/> epische Argument durch sich selbst ohne jede poetische Beziehung <lb n="pbo_138.012"/> doch poetisch wirke, wenn es im Ganzen nach einer <lb n="pbo_138.013"/> Jdee angelegt ist, die sich zwar darin nicht ausspricht, aber <lb n="pbo_138.014"/> durch naheliegenden Vergleich von uns erschlossen werden <lb n="pbo_138.015"/> kann. Diesen Fall haben wir in der <hi rendition="#g">Fabel.</hi> Der spezifische <lb n="pbo_138.016"/> <hi rendition="#g">Vergleichs</hi>wert der Fabel tritt schon darin hervor, <lb n="pbo_138.017"/> daß sie weitaus das oben angeführte epische Gebiet der menschenähnlichen <lb n="pbo_138.018"/> Tierexistenz (Tierfabel) bevorzugt, aber auch das <lb n="pbo_138.019"/> Unbelebte und rein Abstrakte, alle Reiche der Natur (Blumen, <lb n="pbo_138.020"/> Bäume, Steine &c.) wie des Gedankens (Personifikationen <lb n="pbo_138.021"/> aller Art) in ihren Dienst stellt und so zur ausgeführten <lb n="pbo_138.022"/> <hi rendition="#g">Allegorie</hi> wird. Daß sie <hi rendition="#g">vergleichsweise</hi> aufzufassen <lb n="pbo_138.023"/> sei, sagt eigentlich der Name der <hi rendition="#g">Parabel,</hi> die zwar auch <lb n="pbo_138.024"/> ohne diese allegorischen Requisiten eine Geschichte durchführen <lb n="pbo_138.025"/> kann, doch so, daß man ihrer poetischen Bescheidung und <lb n="pbo_138.026"/> Deutungssicherheit alsbald ihr lediglich umschreibendes (parabolisches) <lb n="pbo_138.027"/> Verhältnis zu der in ihr enthaltenen Lehre anmerkt. <lb n="pbo_138.028"/> Derartig sind die biblischen Parabeln (kluge und thörichte <lb n="pbo_138.029"/> Jungfrauen, der verlorene Sohn u. s. w.), und ihnen hat mit <lb n="pbo_138.030"/> Ausnützung des heidnischen Mythus für diesen Zweck Herder </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0142]
pbo_138.001
Autor in der Romanproduktion wie von selbst auf pbo_138.002
ein Niveau geraten kann, das mit dem poetischen so gut wie pbo_138.003
nichts mehr gemein hat.
pbo_138.004
§ 97. Die Fabel. pbo_138.005
Die Erzählung an sich, das epische argumentum, wird pbo_138.006
so im Roman leicht Selbstzweck, will rein durch sich selbst pbo_138.007
(das Aufregende, Lüsterne, Prächtige &c. der Situation), ohne pbo_138.008
jeden Bezug auf poetische Jdeen wirken und gerät so unter pbo_138.009
die Prosa, soweit diese Mittel des vernünftigen Verkehrs pbo_138.010
der Geister ist. Dagegen haben wir den Fall, daß das pbo_138.011
epische Argument durch sich selbst ohne jede poetische Beziehung pbo_138.012
doch poetisch wirke, wenn es im Ganzen nach einer pbo_138.013
Jdee angelegt ist, die sich zwar darin nicht ausspricht, aber pbo_138.014
durch naheliegenden Vergleich von uns erschlossen werden pbo_138.015
kann. Diesen Fall haben wir in der Fabel. Der spezifische pbo_138.016
Vergleichswert der Fabel tritt schon darin hervor, pbo_138.017
daß sie weitaus das oben angeführte epische Gebiet der menschenähnlichen pbo_138.018
Tierexistenz (Tierfabel) bevorzugt, aber auch das pbo_138.019
Unbelebte und rein Abstrakte, alle Reiche der Natur (Blumen, pbo_138.020
Bäume, Steine &c.) wie des Gedankens (Personifikationen pbo_138.021
aller Art) in ihren Dienst stellt und so zur ausgeführten pbo_138.022
Allegorie wird. Daß sie vergleichsweise aufzufassen pbo_138.023
sei, sagt eigentlich der Name der Parabel, die zwar auch pbo_138.024
ohne diese allegorischen Requisiten eine Geschichte durchführen pbo_138.025
kann, doch so, daß man ihrer poetischen Bescheidung und pbo_138.026
Deutungssicherheit alsbald ihr lediglich umschreibendes (parabolisches) pbo_138.027
Verhältnis zu der in ihr enthaltenen Lehre anmerkt. pbo_138.028
Derartig sind die biblischen Parabeln (kluge und thörichte pbo_138.029
Jungfrauen, der verlorene Sohn u. s. w.), und ihnen hat mit pbo_138.030
Ausnützung des heidnischen Mythus für diesen Zweck Herder
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: manuell (doppelt erfasst). Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja; Hervorhebungen durch Wechsel von Fraktur zu Antiqua: nicht gekennzeichnet
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |