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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.

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[Gleich. 221] § 22. Allgem. Gleichungen für innere Reibung.
221) [Formel 1] .

Dabei wurde R als constant betrachtet, was auch nicht
strenge richtig ist, da R eine Function der Temperatur ist
und diese durch Verdichtung oder Verdünnung sich ändert.
Da aber gerade die Abhängigkeit des R von der Temperatur
noch streitig ist und die Gase bei minder lebhafter Bewegung
sich fast, wie incompressible Flüssigkeiten, also ohne erhebliche
Verdichtung und Verdünnung bewegen, so ist diese Vernach-
lässigung nicht von Belang. Die Gleichungen 221 sind die
bekannten auf innere Reibung corrigirten hydrodynamischen
Gleichungen. Diese Gleichungen sind befriedigt, man erhält
also eine mögliche Bewegung, wenn man p constant, X = Y = Z = 0,
v = w = 0, u = a y setzt. Jede der x z-Ebene parallele Schicht
des Gases bewegt sich dann mit der Geschwindigkeit a y in
sich selbst fort und zwar in der x-Richtung. a ist die Ge-
schwindigkeitsdifferenz zweier solcher um die Längeneinheit
voneinander abstehender Schichten. Eine dieser Schichten
muss selbstverständlich künstlich festgehalten, eine zweite künst-
lich in ihrer constanten Bewegung erhalten werden. Die
Tangentialkraft auf die Flächeneinheit dieser Schichten hat
nach den Formeln 220 den Werth a R, R ist also die Grösse,
welche wir schon in § 12 den Reibungscoefficienten nannten.
Aus Formel 219 folgt, dass sie p / r also der absoluten Tem-
peratur proportional ist, bei gegebener Temperatur aber von
Druck und Dichte unabhängig ist. Letzteres trifft auch zu,
wenn die Moleküle elastische Kugeln sind; dann ist aber R
der Quadratwurzel aus der absoluten Temperatur proportional.
Aus dem numerischen Werthe von R kann natürlich jetzt
nicht die mittlere Weglänge berechnet werden, da ja das Ende
eines Zusammenstosses nicht scharf definirt ist; derselbe liefert
nur eine Gleichung zwischen der Masse m eines Moleküls und
der Constante K1 des Kraftgesetzes. Er gestattet auch die
Berechnung der Relaxationszeit t = R / p. Aus dem in § 12
für Stickstoff benutzten Werthe von R folgt für dieselbe

[Gleich. 221] § 22. Allgem. Gleichungen für innere Reibung.
221) [Formel 1] .

Dabei wurde R als constant betrachtet, was auch nicht
strenge richtig ist, da R eine Function der Temperatur ist
und diese durch Verdichtung oder Verdünnung sich ändert.
Da aber gerade die Abhängigkeit des R von der Temperatur
noch streitig ist und die Gase bei minder lebhafter Bewegung
sich fast, wie incompressible Flüssigkeiten, also ohne erhebliche
Verdichtung und Verdünnung bewegen, so ist diese Vernach-
lässigung nicht von Belang. Die Gleichungen 221 sind die
bekannten auf innere Reibung corrigirten hydrodynamischen
Gleichungen. Diese Gleichungen sind befriedigt, man erhält
also eine mögliche Bewegung, wenn man p constant, X = Y = Z = 0,
v = w = 0, u = a y setzt. Jede der x z-Ebene parallele Schicht
des Gases bewegt sich dann mit der Geschwindigkeit a y in
sich selbst fort und zwar in der x-Richtung. a ist die Ge-
schwindigkeitsdifferenz zweier solcher um die Längeneinheit
voneinander abstehender Schichten. Eine dieser Schichten
muss selbstverständlich künstlich festgehalten, eine zweite künst-
lich in ihrer constanten Bewegung erhalten werden. Die
Tangentialkraft auf die Flächeneinheit dieser Schichten hat
nach den Formeln 220 den Werth a R, R ist also die Grösse,
welche wir schon in § 12 den Reibungscoëfficienten nannten.
Aus Formel 219 folgt, dass sie p / ρ also der absoluten Tem-
peratur proportional ist, bei gegebener Temperatur aber von
Druck und Dichte unabhängig ist. Letzteres trifft auch zu,
wenn die Moleküle elastische Kugeln sind; dann ist aber R
der Quadratwurzel aus der absoluten Temperatur proportional.
Aus dem numerischen Werthe von R kann natürlich jetzt
nicht die mittlere Weglänge berechnet werden, da ja das Ende
eines Zusammenstosses nicht scharf definirt ist; derselbe liefert
nur eine Gleichung zwischen der Masse m eines Moleküls und
der Constante K1 des Kraftgesetzes. Er gestattet auch die
Berechnung der Relaxationszeit τ = R / p. Aus dem in § 12
für Stickstoff benutzten Werthe von R folgt für dieselbe

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[169/0183] [Gleich. 221] § 22. Allgem. Gleichungen für innere Reibung. 221) [FORMEL]. Dabei wurde R als constant betrachtet, was auch nicht strenge richtig ist, da R eine Function der Temperatur ist und diese durch Verdichtung oder Verdünnung sich ändert. Da aber gerade die Abhängigkeit des R von der Temperatur noch streitig ist und die Gase bei minder lebhafter Bewegung sich fast, wie incompressible Flüssigkeiten, also ohne erhebliche Verdichtung und Verdünnung bewegen, so ist diese Vernach- lässigung nicht von Belang. Die Gleichungen 221 sind die bekannten auf innere Reibung corrigirten hydrodynamischen Gleichungen. Diese Gleichungen sind befriedigt, man erhält also eine mögliche Bewegung, wenn man p constant, X = Y = Z = 0, v = w = 0, u = a y setzt. Jede der x z-Ebene parallele Schicht des Gases bewegt sich dann mit der Geschwindigkeit a y in sich selbst fort und zwar in der x-Richtung. a ist die Ge- schwindigkeitsdifferenz zweier solcher um die Längeneinheit voneinander abstehender Schichten. Eine dieser Schichten muss selbstverständlich künstlich festgehalten, eine zweite künst- lich in ihrer constanten Bewegung erhalten werden. Die Tangentialkraft auf die Flächeneinheit dieser Schichten hat nach den Formeln 220 den Werth a R, R ist also die Grösse, welche wir schon in § 12 den Reibungscoëfficienten nannten. Aus Formel 219 folgt, dass sie p / ρ also der absoluten Tem- peratur proportional ist, bei gegebener Temperatur aber von Druck und Dichte unabhängig ist. Letzteres trifft auch zu, wenn die Moleküle elastische Kugeln sind; dann ist aber R der Quadratwurzel aus der absoluten Temperatur proportional. Aus dem numerischen Werthe von R kann natürlich jetzt nicht die mittlere Weglänge berechnet werden, da ja das Ende eines Zusammenstosses nicht scharf definirt ist; derselbe liefert nur eine Gleichung zwischen der Masse m eines Moleküls und der Constante K1 des Kraftgesetzes. Er gestattet auch die Berechnung der Relaxationszeit τ = R / p. Aus dem in § 12 für Stickstoff benutzten Werthe von R folgt für dieselbe

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/183>, abgerufen am 25.11.2024.