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Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

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Die Würckungen

Die Gräfin von Chareau-Briant mercket wohl/
daß der König meistens ihr zu Gefallen ihren Bru-
der von seinem Versehen gäntzlich loßgesprochen:
Und wegen dieser Gnade hebet sie an/ den König
etwas freundlicher zu tractiren/ als sie bißher sich er-
wiesen. Sie weiß auch mehr als wohl/ wie Mada-
me d'Angouleme
wegen ihres bey dem König ha-
benden grossen Credits eyfersüchtig ist. Und da kömmt
ihr die Lust an/ selbige zu braviren/ dahero sie ihren
hohen Amanten mit mehrerer Bescheidenheit bege-
gnet; ihm zulässet/ freyer von seiner Paßion gegen
sie zu reden/ und dabey wündschet/ daß sie ihr Hertz
ihm mehr ergeben könte/ ohne ihre Tugend dabey
zu interessiren.

Endlich höret sie/ daß ihr Gemahl bey einer Da-
me in der Provintz seine Galanterie gemachet/ und
ihr noch tägliche Visiten gebe: Diese Zeitung gibt
ihr mehr Empfindlichkeit/ als alles bißher erlittene
Unrecht und Verachtung. Sie kan ohne Entsetzung
die Untreue bey sich nicht bedencken/ die ein Mensch
an ihr begangen/ vor den sie sich bißher gäntzlich
aufgeopffert. Sie läßt es sich darauf nicht mehr an-
gelegen seyn/ mit solchem Ernst die Bewegungen ih-
res Hertzens zu dämpffen/ welche zu des Königes
Vortheil reden. Es mischet sich mitten unter ihre
Unruhe ein Vergnügen mit ein/ welches sie zurück
zu treiben nicht Macht genug hat. Des Königes
tägliche Gegenwart unterhält noch mehr ihre
Schwachheit. Er schwatzet ihr stets von der Treu-
losigkeit ihres Mannes vor; und suchet alles auf/
wodurch er ihn ihr zu wider machen kan. Sie lässet
solches alles geschehen/ und gibt heimlich Beyfall.

Zu-
Die Wuͤrckungen

Die Graͤfin von Chareau-Briant mercket wohl/
daß der Koͤnig meiſtens ihr zu Gefallen ihren Bru-
der von ſeinem Verſehen gaͤntzlich loßgeſprochen:
Und wegen dieſer Gnade hebet ſie an/ den Koͤnig
etwas freundlicher zu tractiren/ als ſie bißher ſich er-
wieſen. Sie weiß auch mehr als wohl/ wie Mada-
me d’Angoulême
wegen ihres bey dem Koͤnig ha-
benden groſſen Credits eyferſuͤchtig iſt. Und da koͤm̃t
ihr die Luſt an/ ſelbige zu braviren/ dahero ſie ihren
hohen Amanten mit mehrerer Beſcheidenheit bege-
gnet; ihm zulaͤſſet/ freyer von ſeiner Paßion gegen
ſie zu reden/ und dabey wuͤndſchet/ daß ſie ihr Hertz
ihm mehr ergeben koͤnte/ ohne ihre Tugend dabey
zu intereſſiren.

Endlich hoͤret ſie/ daß ihr Gemahl bey einer Da-
me in der Provintz ſeine Galanterie gemachet/ und
ihr noch taͤgliche Viſiten gebe: Dieſe Zeitung gibt
ihr mehr Empfindlichkeit/ als alles bißher erlittene
Unrecht und Verachtung. Sie kan ohne Entſetzung
die Untreue bey ſich nicht bedencken/ die ein Menſch
an ihr begangen/ vor den ſie ſich bißher gaͤntzlich
aufgeopffert. Sie laͤßt es ſich darauf nicht mehr an-
gelegen ſeyn/ mit ſolchem Ernſt die Bewegungen ih-
res Hertzens zu daͤmpffen/ welche zu des Koͤniges
Vortheil reden. Es miſchet ſich mitten unter ihre
Unruhe ein Vergnuͤgen mit ein/ welches ſie zuruͤck
zu treiben nicht Macht genug hat. Des Koͤniges
taͤgliche Gegenwart unterhaͤlt noch mehr ihre
Schwachheit. Er ſchwatzet ihr ſtets von der Treu-
loſigkeit ihres Mannes vor; und ſuchet alles auf/
wodurch er ihn ihr zu wider machen kan. Sie laͤſſet
ſolches alles geſchehen/ und gibt heimlich Beyfall.

Zu-
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[176/0200] Die Wuͤrckungen Die Graͤfin von Chareau-Briant mercket wohl/ daß der Koͤnig meiſtens ihr zu Gefallen ihren Bru- der von ſeinem Verſehen gaͤntzlich loßgeſprochen: Und wegen dieſer Gnade hebet ſie an/ den Koͤnig etwas freundlicher zu tractiren/ als ſie bißher ſich er- wieſen. Sie weiß auch mehr als wohl/ wie Mada- me d’Angoulême wegen ihres bey dem Koͤnig ha- benden groſſen Credits eyferſuͤchtig iſt. Und da koͤm̃t ihr die Luſt an/ ſelbige zu braviren/ dahero ſie ihren hohen Amanten mit mehrerer Beſcheidenheit bege- gnet; ihm zulaͤſſet/ freyer von ſeiner Paßion gegen ſie zu reden/ und dabey wuͤndſchet/ daß ſie ihr Hertz ihm mehr ergeben koͤnte/ ohne ihre Tugend dabey zu intereſſiren. Endlich hoͤret ſie/ daß ihr Gemahl bey einer Da- me in der Provintz ſeine Galanterie gemachet/ und ihr noch taͤgliche Viſiten gebe: Dieſe Zeitung gibt ihr mehr Empfindlichkeit/ als alles bißher erlittene Unrecht und Verachtung. Sie kan ohne Entſetzung die Untreue bey ſich nicht bedencken/ die ein Menſch an ihr begangen/ vor den ſie ſich bißher gaͤntzlich aufgeopffert. Sie laͤßt es ſich darauf nicht mehr an- gelegen ſeyn/ mit ſolchem Ernſt die Bewegungen ih- res Hertzens zu daͤmpffen/ welche zu des Koͤniges Vortheil reden. Es miſchet ſich mitten unter ihre Unruhe ein Vergnuͤgen mit ein/ welches ſie zuruͤck zu treiben nicht Macht genug hat. Des Koͤniges taͤgliche Gegenwart unterhaͤlt noch mehr ihre Schwachheit. Er ſchwatzet ihr ſtets von der Treu- loſigkeit ihres Mannes vor; und ſuchet alles auf/ wodurch er ihn ihr zu wider machen kan. Sie laͤſſet ſolches alles geſchehen/ und gibt heimlich Beyfall. Zu-

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/200>, abgerufen am 22.11.2024.