Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Würhungen
aber gäntzlich niederschlagen wolte/ vergeben
möchte.

Doch sie wird anders Sinnes/ und hält sich vor
ihre Sehnsucht dasjenige zu sehen/ was sie so eu-
serst liebe/ überrede sie nur durch solchen Vorwand/
ihren Manne nachzureisen. Sie wolle unter fal-
schen Empfindungen der Tugend bloß ihre
Schwachheit verstecken: Es wäre besser gewesen/
wann sie solche ihrem Manne mit mehrere Behut-
samkeit verborgen gehalten.

Wie nun der Graf de Chateau-Briant nach
Paris komt/ und am Hofe wegen des erhaltenen
Sieges so wohl als wegen des Beylagers des Her-
tzogs von Alencon mit Mademoiselle d' Angou-
leme
grosse solennitäten vorgehen/ fraget einjeder/
warum er seine Gemahlin nicht mitgebracht/ da zu-
mahl der Carneval angehet/ und allerhand Lustig-
keiten vorgenommen werden. Er entschuldiget es
mit ihrem Eigensinn: die Cavalliere aber/ und son-
derlich der Admiral Bonnivet, nimmt sich ihrer an/
und giebt seiner Eyfersucht die Schuld. Doch der
Graf contestiret hoch/ daß es an ihm nicht läge:
Sie habe einmahl so grosse Lust zum Landleben/ als
woran sie von Jugend auf gewehnet/ daß sie auch
davon nicht abzubringen.

Seine Freunde wollen doch mit dieser Ausflucht
nicht zu frieden seyn; sondern sagen: wenn er ihr
in rechtem Ernste befähl/ zu kommen/ würde sie nicht
aussenbleiben. Er/ um sie zu überführen/ lässet Fe-
der und Dinte langen; bittet/ sie sollen ihm den
Brief selbst dictiren/ wie sie immer wollen/ er wol-
le ihn an sie schreiben/ und hernach den Brief fort-

schicken

Die Wuͤrhungen
aber gaͤntzlich niederſchlagen wolte/ vergeben
moͤchte.

Doch ſie wird anders Sinnes/ und haͤlt ſich vor
ihre Sehnſucht dasjenige zu ſehen/ was ſie ſo eu-
ſerſt liebe/ uͤberrede ſie nur durch ſolchen Vorwand/
ihren Manne nachzureiſen. Sie wolle unter fal-
ſchen Empfindungen der Tugend bloß ihre
Schwachheit verſtecken: Es waͤre beſſer geweſen/
wann ſie ſolche ihrem Manne mit mehrere Behut-
ſamkeit verborgen gehalten.

Wie nun der Graf de Chateau-Briant nach
Paris komt/ und am Hofe wegen des erhaltenen
Sieges ſo wohl als wegen des Beylagers des Her-
tzogs von Alençon mit Mademoiſelle d’ Angou-
lême
groſſe ſolennitaͤten vorgehen/ fraget einjeder/
warum er ſeine Gemahlin nicht mitgebracht/ da zu-
mahl der Carneval angehet/ und allerhand Luſtig-
keiten vorgenommen werden. Er entſchuldiget es
mit ihrem Eigenſinn: die Cavalliere aber/ und ſon-
derlich der Admiral Bonnivet, nim̃t ſich ihrer an/
und giebt ſeiner Eyferſucht die Schuld. Doch der
Graf conteſtiret hoch/ daß es an ihm nicht laͤge:
Sie habe einmahl ſo groſſe Luſt zum Landleben/ als
woran ſie von Jugend auf gewehnet/ daß ſie auch
davon nicht abzubringen.

Seine Freunde wollen doch mit dieſer Ausflucht
nicht zu frieden ſeyn; ſondern ſagen: wenn er ihr
in rechtem Ernſte befaͤhl/ zu kommen/ wuͤrde ſie nicht
auſſenbleiben. Er/ um ſie zu uͤberfuͤhren/ laͤſſet Fe-
der und Dinte langen; bittet/ ſie ſollen ihm den
Brief ſelbſt dictiren/ wie ſie immer wollen/ er wol-
le ihn an ſie ſchreiben/ und hernach den Brief fort-

ſchicken
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0180" n="156"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Wu&#x0364;rhungen</hi></fw><lb/>
aber ga&#x0364;ntzlich nieder&#x017F;chlagen wolte/ vergeben<lb/>
mo&#x0364;chte.</p><lb/>
          <p>Doch &#x017F;ie wird anders Sinnes/ und ha&#x0364;lt &#x017F;ich vor<lb/>
ihre Sehn&#x017F;ucht dasjenige zu &#x017F;ehen/ was &#x017F;ie &#x017F;o eu-<lb/>
&#x017F;er&#x017F;t liebe/ u&#x0364;berrede &#x017F;ie nur durch &#x017F;olchen Vorwand/<lb/>
ihren Manne nachzurei&#x017F;en. Sie wolle unter fal-<lb/>
&#x017F;chen Empfindungen der Tugend bloß ihre<lb/>
Schwachheit ver&#x017F;tecken: Es wa&#x0364;re be&#x017F;&#x017F;er gewe&#x017F;en/<lb/>
wann &#x017F;ie &#x017F;olche ihrem Manne mit mehrere Behut-<lb/>
&#x017F;amkeit verborgen gehalten.</p><lb/>
          <p>Wie nun der Graf <hi rendition="#aq">de Chateau-Briant</hi> nach<lb/>
Paris komt/ und am Hofe wegen des erhaltenen<lb/>
Sieges &#x017F;o wohl als wegen des Beylagers des Her-<lb/>
tzogs von <hi rendition="#aq">Alençon</hi> mit <hi rendition="#aq">Mademoi&#x017F;elle d&#x2019; Angou-<lb/>
lême</hi> gro&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#aq">&#x017F;olenni</hi>ta&#x0364;ten vorgehen/ fraget einjeder/<lb/>
warum er &#x017F;eine Gemahlin nicht mitgebracht/ da zu-<lb/>
mahl der <hi rendition="#aq">Carneval</hi> angehet/ und allerhand Lu&#x017F;tig-<lb/>
keiten vorgenommen werden. Er ent&#x017F;chuldiget es<lb/>
mit ihrem Eigen&#x017F;inn: die Cavalliere aber/ und &#x017F;on-<lb/>
derlich der <hi rendition="#aq">Admiral Bonnivet,</hi> nim&#x0303;t &#x017F;ich ihrer an/<lb/>
und giebt &#x017F;einer Eyfer&#x017F;ucht die Schuld. Doch der<lb/>
Graf <hi rendition="#aq">conte&#x017F;ti</hi>ret hoch/ daß es an ihm nicht la&#x0364;ge:<lb/>
Sie habe einmahl &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Lu&#x017F;t zum Landleben/ als<lb/>
woran &#x017F;ie von Jugend auf gewehnet/ daß &#x017F;ie auch<lb/>
davon nicht abzubringen.</p><lb/>
          <p>Seine Freunde wollen doch mit die&#x017F;er Ausflucht<lb/>
nicht zu frieden &#x017F;eyn; &#x017F;ondern &#x017F;agen: wenn er ihr<lb/>
in rechtem Ern&#x017F;te befa&#x0364;hl/ zu kommen/ wu&#x0364;rde &#x017F;ie nicht<lb/>
au&#x017F;&#x017F;enbleiben. Er/ um &#x017F;ie zu u&#x0364;berfu&#x0364;hren/ la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et Fe-<lb/>
der und Dinte langen; bittet/ &#x017F;ie &#x017F;ollen ihm den<lb/>
Brief &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#aq">dicti</hi>ren/ wie &#x017F;ie immer wollen/ er wol-<lb/>
le ihn an &#x017F;ie &#x017F;chreiben/ und hernach den Brief fort-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chicken</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0180] Die Wuͤrhungen aber gaͤntzlich niederſchlagen wolte/ vergeben moͤchte. Doch ſie wird anders Sinnes/ und haͤlt ſich vor ihre Sehnſucht dasjenige zu ſehen/ was ſie ſo eu- ſerſt liebe/ uͤberrede ſie nur durch ſolchen Vorwand/ ihren Manne nachzureiſen. Sie wolle unter fal- ſchen Empfindungen der Tugend bloß ihre Schwachheit verſtecken: Es waͤre beſſer geweſen/ wann ſie ſolche ihrem Manne mit mehrere Behut- ſamkeit verborgen gehalten. Wie nun der Graf de Chateau-Briant nach Paris komt/ und am Hofe wegen des erhaltenen Sieges ſo wohl als wegen des Beylagers des Her- tzogs von Alençon mit Mademoiſelle d’ Angou- lême groſſe ſolennitaͤten vorgehen/ fraget einjeder/ warum er ſeine Gemahlin nicht mitgebracht/ da zu- mahl der Carneval angehet/ und allerhand Luſtig- keiten vorgenommen werden. Er entſchuldiget es mit ihrem Eigenſinn: die Cavalliere aber/ und ſon- derlich der Admiral Bonnivet, nim̃t ſich ihrer an/ und giebt ſeiner Eyferſucht die Schuld. Doch der Graf conteſtiret hoch/ daß es an ihm nicht laͤge: Sie habe einmahl ſo groſſe Luſt zum Landleben/ als woran ſie von Jugend auf gewehnet/ daß ſie auch davon nicht abzubringen. Seine Freunde wollen doch mit dieſer Ausflucht nicht zu frieden ſeyn; ſondern ſagen: wenn er ihr in rechtem Ernſte befaͤhl/ zu kommen/ wuͤrde ſie nicht auſſenbleiben. Er/ um ſie zu uͤberfuͤhren/ laͤſſet Fe- der und Dinte langen; bittet/ ſie ſollen ihm den Brief ſelbſt dictiren/ wie ſie immer wollen/ er wol- le ihn an ſie ſchreiben/ und hernach den Brief fort- ſchicken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Diese Ausgabe ist ein Exemplar der Zeitschrift „D… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/180
Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/180>, abgerufen am 06.05.2024.