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Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

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der Eyfersucht.
will das Portrait ihres Mannes davor hinsetzen.
Wie sie aber solches in der Hand hält/ kan sie nicht
umhin/ es von neuen auf das allergenaueste zu be-
trachten; und findet so viel bezaubrende Lieblichkei-
ten in den Zügen dieses Majestätischen Gesichts/
daß sie seuftzen muß/ endlich aber gar in einer süssen
Ohnmacht niedersincket.

Da eine ihrer Bedienten sie also liegen findet/
machet sie Lermen/ die Gräfin sey todt. Jhr Ge-
mahl kommt zugelauffen; nimmt sie in die Armen;
lässet sie anstreichen; fraget nach ihren Ubel. Sie
aber antwortet | durch nichts als durch Seuffzer. Er
siehet des Königes Bild auf der Erden neben ihr
liegen: seine Eyfersucht sinnet der Sachen nach/
und entdecket ein gutes Theil der Warheit: Er
wird darauf ihr und sein eigener Tyrann: Suchet
steten Anlaß von dem König zu reden/ mercket ihre
Bewegung an. Sie zwinget sich vergeblich/ sol-
che zu verstellen/ und verräth sich offt durch die
Farbe.

Endlich machet den Grafen von diesem ihren ge-
heimen Affect vollends ein Brief gewiß/ welcher
von der Armee kommt/ daß die Schweitzer auff
Beredung des Cardinal Sion von Franckreich ab-
getreten/ und des Herzogs Sforcia seine Partie
angenommen/ und bey Marignan mit dem König
geschlagen. Die Schlacht habe biß vier Stun-
den in die Nacht hinein gewähret/ und der König
mit erstaunenden Heldenmuthe gefochten. Er ha-
be nur einige Stunden gantz gewaffnet sich an eine
Canone lehnend geschlaffen/ und von Durst hefftig
geqvälet/ kothig Wasser getruncken/ daher er eine

grau-

der Eyferſucht.
will das Portrait ihres Mannes davor hinſetzen.
Wie ſie aber ſolches in der Hand haͤlt/ kan ſie nicht
umhin/ es von neuen auf das allergenaueſte zu be-
trachten; und findet ſo viel bezaubrende Lieblichkei-
ten in den Zuͤgen dieſes Majeſtaͤtiſchen Geſichts/
daß ſie ſeuftzen muß/ endlich aber gar in einer ſuͤſſen
Ohnmacht niederſincket.

Da eine ihrer Bedienten ſie alſo liegen findet/
machet ſie Lermen/ die Graͤfin ſey todt. Jhr Ge-
mahl kommt zugelauffen; nim̃t ſie in die Armen;
laͤſſet ſie anſtreichen; fraget nach ihren Ubel. Sie
aber antwortet | durch nichts als durch Seuffzer. Er
ſiehet des Koͤniges Bild auf der Erden neben ihr
liegen: ſeine Eyferſucht ſinnet der Sachen nach/
und entdecket ein gutes Theil der Warheit: Er
wird darauf ihr und ſein eigener Tyrann: Suchet
ſteten Anlaß von dem Koͤnig zu reden/ mercket ihre
Bewegung an. Sie zwinget ſich vergeblich/ ſol-
che zu verſtellen/ und verraͤth ſich offt durch die
Farbe.

Endlich machet den Grafen von dieſem ihren ge-
heimen Affect vollends ein Brief gewiß/ welcher
von der Armee kommt/ daß die Schweitzer auff
Beredung des Cardinal Sion von Franckreich ab-
getreten/ und des Herzogs Sforcia ſeine Partie
angenommen/ und bey Marignan mit dem Koͤnig
geſchlagen. Die Schlacht habe biß vier Stun-
den in die Nacht hinein gewaͤhret/ und der Koͤnig
mit erſtaunenden Heldenmuthe gefochten. Er ha-
be nur einige Stunden gantz gewaffnet ſich an eine
Canone lehnend geſchlaffen/ und von Durſt hefftig
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grau-
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[153/0177] der Eyferſucht. will das Portrait ihres Mannes davor hinſetzen. Wie ſie aber ſolches in der Hand haͤlt/ kan ſie nicht umhin/ es von neuen auf das allergenaueſte zu be- trachten; und findet ſo viel bezaubrende Lieblichkei- ten in den Zuͤgen dieſes Majeſtaͤtiſchen Geſichts/ daß ſie ſeuftzen muß/ endlich aber gar in einer ſuͤſſen Ohnmacht niederſincket. Da eine ihrer Bedienten ſie alſo liegen findet/ machet ſie Lermen/ die Graͤfin ſey todt. Jhr Ge- mahl kommt zugelauffen; nim̃t ſie in die Armen; laͤſſet ſie anſtreichen; fraget nach ihren Ubel. Sie aber antwortet | durch nichts als durch Seuffzer. Er ſiehet des Koͤniges Bild auf der Erden neben ihr liegen: ſeine Eyferſucht ſinnet der Sachen nach/ und entdecket ein gutes Theil der Warheit: Er wird darauf ihr und ſein eigener Tyrann: Suchet ſteten Anlaß von dem Koͤnig zu reden/ mercket ihre Bewegung an. Sie zwinget ſich vergeblich/ ſol- che zu verſtellen/ und verraͤth ſich offt durch die Farbe. Endlich machet den Grafen von dieſem ihren ge- heimen Affect vollends ein Brief gewiß/ welcher von der Armee kommt/ daß die Schweitzer auff Beredung des Cardinal Sion von Franckreich ab- getreten/ und des Herzogs Sforcia ſeine Partie angenommen/ und bey Marignan mit dem Koͤnig geſchlagen. Die Schlacht habe biß vier Stun- den in die Nacht hinein gewaͤhret/ und der Koͤnig mit erſtaunenden Heldenmuthe gefochten. Er ha- be nur einige Stunden gantz gewaffnet ſich an eine Canone lehnend geſchlaffen/ und von Durſt hefftig geqvaͤlet/ kothig Waſſer getruncken/ daher er eine grau-

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/177>, abgerufen am 06.05.2024.