Verlaß dich nicht auf deinen Verstand. Spr. 3, 5. Haltet euch nicht selbst für klug. Röm. 12, 17. Ich hub meine Hände auf gen Him- mel, da ward meine Seele erleuchtet durch die Weisheit, daß ich mei- ne Thorheit erkante.* Denn dieser Welt Weisheit ist Thorheit bey GOtt. 1 Cor. 3, 19. Wer nun GOttes Willen thun will, und sich nicht klug dünket, noch Vorwitz treibet, sondern betet, der wird des Rathes und Wil- lens GOttes schon inne werden, Joh. 7, 17. Er muß aber mehr auf GOttes Wort, als sein Gefühl sehen. Denn in die geistliche Empfindung mengt sich oft der eigne Geist, bald durch Lust, Furcht oder Vermessenheit und Hoffart. Und mancher traut gar seinen recht ärgerlichen Einfällen und Phantasien, als wäre alles vom Heilande. O HErr, laß mich stets mit Furcht vor mir selbst, und mit Gebet, aus und eingehen, und in nichts zum Seelen-Schaden irren.
Die Vernunst ist viel zu blind, GOttes Rath dir aufzuschliessen, Sie erkennt den innern Schaden nicht mit rechter Herzens-Reu, Und was Glaub' und Christus ist, kan sie ganz und gar nicht wissen. Fleh nun, daß dich GOtt erleuchte, mache dich vom Dünkel frey. Halt dich nur für einen Thoren; Denn die Klugheit dieser Welt Ist doch lauter Thorheit voll. Glaub, ie mehr man Weisheit krieget, Desto mehr man seine Klugheit in Verdacht für thöricht hält, Und sich als ein kleines Kind vor des Höchsten Weisbeit bieget.
* Sir. 51, 26. 27.
9. Sept.
Verlaß dich nicht auf deinen Verſtand. Spr. 3, 5. Haltet euch nicht ſelbſt für klug. Röm. 12, 17. Ich hub meine Hände auf gen Him- mel, da ward meine Seele erleuchtet durch die Weisheit, daß ich mei- ne Thorheit erkante.* Denn dieſer Welt Weisheit iſt Thorheit bey GOtt. 1 Cor. 3, 19. Wer nun GOttes Willen thun will, und ſich nicht klug dünket, noch Vorwitz treibet, ſondern betet, der wird des Rathes und Wil- lens GOttes ſchon inne werden, Joh. 7, 17. Er muß aber mehr auf GOttes Wort, als ſein Gefühl ſehen. Denn in die geiſtliche Empfindung mengt ſich oft der eigne Geiſt, bald durch Luſt, Furcht oder Vermeſſenheit und Hoffart. Und mancher traut gar ſeinen recht ärgerlichen Einfällen und Phantaſien, als wäre alles vom Heilande. O HErr, laß mich ſtets mit Furcht vor mir ſelbſt, und mit Gebet, aus und eingehen, und in nichts zum Seelen-Schaden irren.
Die Vernunſt iſt viel zu blind, GOttes Rath dir aufzuſchlieſſen, Sie erkennt den innern Schaden nicht mit rechter Herzens-Reu, Und was Glaub’ und Chriſtus iſt, kan ſie ganz und gar nicht wiſſen. Fleh nun, daß dich GOtt erleuchte, mache dich vom Dünkel frey. Halt dich nur für einen Thoren; Denn die Klugheit dieſer Welt Iſt doch lauter Thorheit voll. Glaub, ie mehr man Weisheit krieget, Deſto mehr man ſeine Klugheit in Verdacht für thöricht hält, Und ſich als ein kleines Kind vor des Höchſten Weisbeit bieget.
* Sir. 51, 26. 27.
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9. Sept.
Verlaß dich nicht auf deinen Verſtand. Spr. 3, 5. Haltet euch nicht
ſelbſt für klug. Röm. 12, 17. Ich hub meine Hände auf gen Him-
mel, da ward meine Seele erleuchtet durch die Weisheit, daß ich mei-
ne Thorheit erkante.
*
Denn dieſer Welt Weisheit iſt Thorheit bey
GOtt. 1 Cor. 3, 19. Wer nun GOttes Willen thun will, und ſich nicht klug
dünket, noch Vorwitz treibet, ſondern betet, der wird des Rathes und Wil-
lens GOttes ſchon inne werden, Joh. 7, 17. Er muß aber mehr auf GOttes
Wort, als ſein Gefühl ſehen. Denn in die geiſtliche Empfindung mengt ſich oft
der eigne Geiſt, bald durch Luſt, Furcht oder Vermeſſenheit und Hoffart. Und
mancher traut gar ſeinen recht ärgerlichen Einfällen und Phantaſien, als wäre
alles vom Heilande. O HErr, laß mich ſtets mit Furcht vor mir ſelbſt, und
mit Gebet, aus und eingehen, und in nichts zum Seelen-Schaden irren.
Die Vernunſt iſt viel zu blind, GOttes Rath dir aufzuſchlieſſen,
Sie erkennt den innern Schaden nicht mit rechter Herzens-Reu,
Und was Glaub’ und Chriſtus iſt, kan ſie ganz und gar nicht wiſſen.
Fleh nun, daß dich GOtt erleuchte, mache dich vom Dünkel frey.
Halt dich nur für einen Thoren; Denn die Klugheit dieſer Welt
Iſt doch lauter Thorheit voll. Glaub, ie mehr man Weisheit krieget,
Deſto mehr man ſeine Klugheit in Verdacht für thöricht hält,
Und ſich als ein kleines Kind vor des Höchſten Weisbeit bieget.
* Sir. 51, 26. 27.
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Bogatzky, Carl Heinrich von: Güldenes Schatz-Kästlein der Kinder GOttes, deren Schatz im Himmel ist. Halle, 1755, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bogatzky_gueldenes_1739/264>, abgerufen am 16.02.2025.
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