Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

reichen! Unser Raupach hielte solch ein schleichend
Nervenfieber keine vier Wochen aus. Zuerst las
Beaumarchais seine Komödie in allen Salons, Bou¬
doirs und Kabinetten vor und bettelte sich einen
Reichthum von den schönsten, mächtigsten und galan¬
testen Stimmen zusammen. Die Kabale war um¬
garnt, ehe sie sich dessen versah. Dann legte er
das Stück der Prüfung von neun verschiedenen Cen¬
soren vor, die es Alle einer nach dem andern prüften,
und nach den vollzogenen Aenderungen, die sie zur
Bedingung machten, genehmigten. Aber noch stan¬
den hohe Berge von Hindernissen im Wege. Beau¬
marchais wandte sich an die Minister und bat, sie
möchten ein Tribunal von Akademikern, Censoren,
Schriftstellern, Welt- und Hofleuten errichten, die
das Lustspiel lesen und prüfen möchten. Das ge¬
schah. Es wurde gelesen, geprüft, berathschlagt,
wieder verbessert und endlich genehmigt. Er war
noch weit vom Ziel. Da wandte er sich an den
König. Dieser beschloß, zu besserer Prüfung das
Stück auf einem Hoftheater vor einem Ausschusse
von Zuschauern, an welchen nichts mehr zu verder¬
ben ist, spielen zu lassen. Der Tag der Aufführung
war schon bestimmt, die Zuschauer waren eingeladen,
die Schauspieler angekleidet, die Lichter brannten,
die Straßen waren mit Equipagen bedeckt -- da
kommen neue königliche Skrupel, und es wurde Alles

3 *

reichen! Unſer Raupach hielte ſolch ein ſchleichend
Nervenfieber keine vier Wochen aus. Zuerſt las
Beaumarchais ſeine Komödie in allen Salons, Bou¬
doirs und Kabinetten vor und bettelte ſich einen
Reichthum von den ſchönſten, mächtigſten und galan¬
teſten Stimmen zuſammen. Die Kabale war um¬
garnt, ehe ſie ſich deſſen verſah. Dann legte er
das Stück der Prüfung von neun verſchiedenen Cen¬
ſoren vor, die es Alle einer nach dem andern prüften,
und nach den vollzogenen Aenderungen, die ſie zur
Bedingung machten, genehmigten. Aber noch ſtan¬
den hohe Berge von Hinderniſſen im Wege. Beau¬
marchais wandte ſich an die Miniſter und bat, ſie
möchten ein Tribunal von Akademikern, Cenſoren,
Schriftſtellern, Welt- und Hofleuten errichten, die
das Luſtſpiel leſen und prüfen möchten. Das ge¬
ſchah. Es wurde geleſen, geprüft, berathſchlagt,
wieder verbeſſert und endlich genehmigt. Er war
noch weit vom Ziel. Da wandte er ſich an den
König. Dieſer beſchloß, zu beſſerer Prüfung das
Stück auf einem Hoftheater vor einem Ausſchuſſe
von Zuſchauern, an welchen nichts mehr zu verder¬
ben iſt, ſpielen zu laſſen. Der Tag der Aufführung
war ſchon beſtimmt, die Zuſchauer waren eingeladen,
die Schauſpieler angekleidet, die Lichter brannten,
die Straßen waren mit Equipagen bedeckt — da
kommen neue königliche Skrupel, und es wurde Alles

3 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0047" n="35"/>
reichen! Un&#x017F;er Raupach hielte &#x017F;olch ein &#x017F;chleichend<lb/>
Nervenfieber keine vier Wochen aus. Zuer&#x017F;t las<lb/>
Beaumarchais &#x017F;eine Komödie in allen Salons, Bou¬<lb/>
doirs und Kabinetten vor und bettelte &#x017F;ich einen<lb/>
Reichthum von den &#x017F;chön&#x017F;ten, mächtig&#x017F;ten und galan¬<lb/>
te&#x017F;ten Stimmen zu&#x017F;ammen. Die Kabale war um¬<lb/>
garnt, ehe &#x017F;ie &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en ver&#x017F;ah. Dann legte er<lb/>
das Stück der Prüfung von <hi rendition="#g">neun</hi> ver&#x017F;chiedenen Cen¬<lb/>
&#x017F;oren vor, die es Alle einer nach dem andern prüften,<lb/>
und nach den vollzogenen Aenderungen, die &#x017F;ie zur<lb/>
Bedingung machten, genehmigten. Aber noch &#x017F;tan¬<lb/>
den hohe Berge von Hinderni&#x017F;&#x017F;en im Wege. Beau¬<lb/>
marchais wandte &#x017F;ich an die Mini&#x017F;ter und bat, &#x017F;ie<lb/>
möchten ein Tribunal von Akademikern, Cen&#x017F;oren,<lb/>
Schrift&#x017F;tellern, Welt- und Hofleuten errichten, die<lb/>
das Lu&#x017F;t&#x017F;piel le&#x017F;en und prüfen möchten. Das ge¬<lb/>
&#x017F;chah. Es wurde gele&#x017F;en, geprüft, berath&#x017F;chlagt,<lb/>
wieder verbe&#x017F;&#x017F;ert und endlich genehmigt. Er war<lb/>
noch weit vom Ziel. Da wandte er &#x017F;ich an den<lb/>
König. Die&#x017F;er be&#x017F;chloß, zu be&#x017F;&#x017F;erer Prüfung das<lb/>
Stück auf einem Hoftheater vor einem Aus&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
von Zu&#x017F;chauern, an welchen nichts mehr zu verder¬<lb/>
ben i&#x017F;t, &#x017F;pielen zu la&#x017F;&#x017F;en. Der Tag der Aufführung<lb/>
war &#x017F;chon be&#x017F;timmt, die Zu&#x017F;chauer waren eingeladen,<lb/>
die Schau&#x017F;pieler angekleidet, die Lichter brannten,<lb/>
die Straßen waren mit Equipagen bedeckt &#x2014; da<lb/>
kommen neue königliche Skrupel, und es wurde Alles<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3 *<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0047] reichen! Unſer Raupach hielte ſolch ein ſchleichend Nervenfieber keine vier Wochen aus. Zuerſt las Beaumarchais ſeine Komödie in allen Salons, Bou¬ doirs und Kabinetten vor und bettelte ſich einen Reichthum von den ſchönſten, mächtigſten und galan¬ teſten Stimmen zuſammen. Die Kabale war um¬ garnt, ehe ſie ſich deſſen verſah. Dann legte er das Stück der Prüfung von neun verſchiedenen Cen¬ ſoren vor, die es Alle einer nach dem andern prüften, und nach den vollzogenen Aenderungen, die ſie zur Bedingung machten, genehmigten. Aber noch ſtan¬ den hohe Berge von Hinderniſſen im Wege. Beau¬ marchais wandte ſich an die Miniſter und bat, ſie möchten ein Tribunal von Akademikern, Cenſoren, Schriftſtellern, Welt- und Hofleuten errichten, die das Luſtſpiel leſen und prüfen möchten. Das ge¬ ſchah. Es wurde geleſen, geprüft, berathſchlagt, wieder verbeſſert und endlich genehmigt. Er war noch weit vom Ziel. Da wandte er ſich an den König. Dieſer beſchloß, zu beſſerer Prüfung das Stück auf einem Hoftheater vor einem Ausſchuſſe von Zuſchauern, an welchen nichts mehr zu verder¬ ben iſt, ſpielen zu laſſen. Der Tag der Aufführung war ſchon beſtimmt, die Zuſchauer waren eingeladen, die Schauſpieler angekleidet, die Lichter brannten, die Straßen waren mit Equipagen bedeckt — da kommen neue königliche Skrupel, und es wurde Alles 3 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/47
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/47>, abgerufen am 24.11.2024.