Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder abbestellt. Endlich kam der Krönungstag
seiner Beharrlichkeit und Figaro betrat die Bühne.

Der Grund ihrer Widersetzlichkeit den damals
die Gegner Beaumarchais anführten, oder der Vor¬
wand den sie gebrauchten, war weniger die politische
Bedeutung der Komödie, als ihre sittliche Ausgelassen¬
heit. So urtheilten leichtsinnige Franzosen. Aber
ein nordischer Fürst der damals in Paris war, eine
deutsch-solide, edelmännische Natur, die zu abgehärtet
in jeder Tugend ist, um das verbuhlte Lüftchen eines
unsittlichen Wortes nur zu fühlen, fand gleich den
wahren gefährlichen Punct auf. Der König von
Schweden der damals in Paris war, sagte zu Ma¬
ria Antoinette: "cette. comedie n'est pas inde¬
cente, mais insolente,"
Er meinte die Keckheit,
mit welcher darin die Schwächen der Regierungen
und des Adels verspottet wurden. Der weise Fürst
hatte es genau errathen. Sechs Jahre später lernte
er in seinem eignen Lande die Bescheidenheit des
Adels, der Unverschämtheit des Bürgerstandes gegen¬
über, kennen und schätzen. Auf einem Hof-Masken¬
balle, unter fröhlich rauschender Musik, unter Tanz,
Scherz und Lachen, umwölkt von dem Dampfe des
Punschnapfs, fiel Gustav III. meuchelmörderisch von
den Händen seines treuen und insolenzwidrigen Adels.
Gift, Dolch, Kugel und Schnur, sind freilich be¬
scheidenere Wege als Figaro's Monologen, eine Re¬

wieder abbeſtellt. Endlich kam der Krönungstag
ſeiner Beharrlichkeit und Figaro betrat die Bühne.

Der Grund ihrer Widerſetzlichkeit den damals
die Gegner Beaumarchais anführten, oder der Vor¬
wand den ſie gebrauchten, war weniger die politiſche
Bedeutung der Komödie, als ihre ſittliche Ausgelaſſen¬
heit. So urtheilten leichtſinnige Franzoſen. Aber
ein nordiſcher Fürſt der damals in Paris war, eine
deutſch-ſolide, edelmänniſche Natur, die zu abgehärtet
in jeder Tugend iſt, um das verbuhlte Lüftchen eines
unſittlichen Wortes nur zu fühlen, fand gleich den
wahren gefährlichen Punct auf. Der König von
Schweden der damals in Paris war, ſagte zu Ma¬
ria Antoinette: „cette. comédie n'est pas indé¬
cente, mais insolente,“
Er meinte die Keckheit,
mit welcher darin die Schwächen der Regierungen
und des Adels verſpottet wurden. Der weiſe Fürſt
hatte es genau errathen. Sechs Jahre ſpäter lernte
er in ſeinem eignen Lande die Beſcheidenheit des
Adels, der Unverſchämtheit des Bürgerſtandes gegen¬
über, kennen und ſchätzen. Auf einem Hof-Masken¬
balle, unter fröhlich rauſchender Muſik, unter Tanz,
Scherz und Lachen, umwölkt von dem Dampfe des
Punſchnapfs, fiel Guſtav III. meuchelmörderiſch von
den Händen ſeines treuen und inſolenzwidrigen Adels.
Gift, Dolch, Kugel und Schnur, ſind freilich be¬
ſcheidenere Wege als Figaro's Monologen, eine Re¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="36"/>
wieder abbe&#x017F;tellt. Endlich kam der Krönungstag<lb/><choice><sic>&#x017F;ener</sic><corr>&#x017F;einer</corr></choice> Beharrlichkeit und Figaro betrat die Bühne.</p><lb/>
          <p>Der Grund ihrer Wider&#x017F;etzlichkeit den damals<lb/>
die Gegner Beaumarchais anführten, oder der Vor¬<lb/>
wand den &#x017F;ie gebrauchten, war weniger die politi&#x017F;che<lb/>
Bedeutung der Komödie, als ihre &#x017F;ittliche Ausgela&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
heit. So urtheilten leicht&#x017F;innige Franzo&#x017F;en. Aber<lb/>
ein nordi&#x017F;cher Für&#x017F;t der damals in Paris war, eine<lb/>
deut&#x017F;ch-&#x017F;olide, edelmänni&#x017F;che Natur, die zu abgehärtet<lb/>
in jeder Tugend i&#x017F;t, um das verbuhlte Lüftchen eines<lb/>
un&#x017F;ittlichen Wortes nur zu fühlen, fand gleich den<lb/>
wahren gefährlichen Punct auf. Der König von<lb/>
Schweden der damals in Paris war, &#x017F;agte zu Ma¬<lb/>
ria Antoinette: <hi rendition="#aq">&#x201E;cette. comédie n'est pas indé¬<lb/>
cente, mais insolente,&#x201C;</hi> Er meinte die Keckheit,<lb/>
mit welcher darin die Schwächen der Regierungen<lb/>
und des Adels ver&#x017F;pottet wurden. Der wei&#x017F;e Für&#x017F;t<lb/>
hatte es genau errathen. Sechs Jahre &#x017F;päter lernte<lb/>
er in &#x017F;einem eignen Lande die Be&#x017F;cheidenheit des<lb/>
Adels, der Unver&#x017F;chämtheit des Bürger&#x017F;tandes gegen¬<lb/>
über, kennen und &#x017F;chätzen. Auf einem Hof-Masken¬<lb/>
balle, unter fröhlich rau&#x017F;chender Mu&#x017F;ik, unter Tanz,<lb/>
Scherz und Lachen, umwölkt von dem Dampfe des<lb/>
Pun&#x017F;chnapfs, fiel Gu&#x017F;tav <hi rendition="#aq">III.</hi> meuchelmörderi&#x017F;ch von<lb/>
den Händen &#x017F;eines treuen und in&#x017F;olenzwidrigen Adels.<lb/>
Gift, Dolch, Kugel und Schnur, &#x017F;ind freilich be¬<lb/>
&#x017F;cheidenere Wege als Figaro's Monologen, eine Re¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0048] wieder abbeſtellt. Endlich kam der Krönungstag ſeiner Beharrlichkeit und Figaro betrat die Bühne. Der Grund ihrer Widerſetzlichkeit den damals die Gegner Beaumarchais anführten, oder der Vor¬ wand den ſie gebrauchten, war weniger die politiſche Bedeutung der Komödie, als ihre ſittliche Ausgelaſſen¬ heit. So urtheilten leichtſinnige Franzoſen. Aber ein nordiſcher Fürſt der damals in Paris war, eine deutſch-ſolide, edelmänniſche Natur, die zu abgehärtet in jeder Tugend iſt, um das verbuhlte Lüftchen eines unſittlichen Wortes nur zu fühlen, fand gleich den wahren gefährlichen Punct auf. Der König von Schweden der damals in Paris war, ſagte zu Ma¬ ria Antoinette: „cette. comédie n'est pas indé¬ cente, mais insolente,“ Er meinte die Keckheit, mit welcher darin die Schwächen der Regierungen und des Adels verſpottet wurden. Der weiſe Fürſt hatte es genau errathen. Sechs Jahre ſpäter lernte er in ſeinem eignen Lande die Beſcheidenheit des Adels, der Unverſchämtheit des Bürgerſtandes gegen¬ über, kennen und ſchätzen. Auf einem Hof-Masken¬ balle, unter fröhlich rauſchender Muſik, unter Tanz, Scherz und Lachen, umwölkt von dem Dampfe des Punſchnapfs, fiel Guſtav III. meuchelmörderiſch von den Händen ſeines treuen und inſolenzwidrigen Adels. Gift, Dolch, Kugel und Schnur, ſind freilich be¬ ſcheidenere Wege als Figaro's Monologen, eine Re¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/48
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/48>, abgerufen am 24.11.2024.