Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf diese Weise glaubt Heine bald dem Abso¬
lutismus, bald dem Jakobinismus kühn die Stirne
zu bieten
. Wie man aber einem Feinde die Stirne
bieten kann, indem man sich von ihm abwendet, das
begreife ich nicht. Jetzt wird zur Wiedervergeltung,
der Jakobinismus durch eine gleiche Wendung auch
Heine kühn die Stirne bieten. Dann sind sie quitt
und so hart sie auch auf einander stoßen mögen,
können sie sich nie sehr wehe thun. Diese weiche Art
Krieg zu führen ist sehr löblich und an einem bla¬
senden Herolde, die Heldenthaten zu verkündigen, kann
es keiner der Kämpfenden Stirne in diesem Falle fehlen.

Gab es je einen Menschen, den die Natur be¬
stimmt hat, ein ehrlicher Mann zu sein, so ist es
Heine und auf diesem Wege könnte er sein Glück
machen. Er kann keine fünf Minuten, keine zwan¬
zig Zeilen heucheln, keinen Tag, keinen halben Bo¬
gen lügen. Wenn es eine Krone gälte, er kann kein
Lächeln, keinen Spott, keinen Witz unterdrücken, und
wenn er sein eignes Wesen verkennend, doch lügt,
doch heuchelt, ernsthaft scheint wo er lachen, demü¬
thig wo er spotten möchte; so merkt es jeder gleich,
und er hat von solcher Verstellung nur den Vor¬
wurf, nicht den Gewinn. Er gefällt sich den Je¬
suiten des Liberalismus
zu spielen. Ich habe

Auf dieſe Weiſe glaubt Heine bald dem Abſo¬
lutismus, bald dem Jakobinismus kühn die Stirne
zu bieten
. Wie man aber einem Feinde die Stirne
bieten kann, indem man ſich von ihm abwendet, das
begreife ich nicht. Jetzt wird zur Wiedervergeltung,
der Jakobinismus durch eine gleiche Wendung auch
Heine kühn die Stirne bieten. Dann ſind ſie quitt
und ſo hart ſie auch auf einander ſtoßen mögen,
können ſie ſich nie ſehr wehe thun. Dieſe weiche Art
Krieg zu führen iſt ſehr löblich und an einem bla¬
ſenden Herolde, die Heldenthaten zu verkündigen, kann
es keiner der Kämpfenden Stirne in dieſem Falle fehlen.

Gab es je einen Menſchen, den die Natur be¬
ſtimmt hat, ein ehrlicher Mann zu ſein, ſo iſt es
Heine und auf dieſem Wege könnte er ſein Glück
machen. Er kann keine fünf Minuten, keine zwan¬
zig Zeilen heucheln, keinen Tag, keinen halben Bo¬
gen lügen. Wenn es eine Krone gälte, er kann kein
Lächeln, keinen Spott, keinen Witz unterdrücken, und
wenn er ſein eignes Weſen verkennend, doch lügt,
doch heuchelt, ernſthaft ſcheint wo er lachen, demü¬
thig wo er ſpotten möchte; ſo merkt es jeder gleich,
und er hat von ſolcher Verſtellung nur den Vor¬
wurf, nicht den Gewinn. Er gefällt ſich den Je¬
ſuiten des Liberalismus
zu ſpielen. Ich habe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0155" n="143"/>
          <p>Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e glaubt Heine bald dem Ab&#x017F;<lb/>
lutismus, bald dem Jakobinismus <hi rendition="#g">kühn die Stirne<lb/>
zu bieten</hi>. Wie man aber einem Feinde die Stirne<lb/>
bieten kann, indem man &#x017F;ich von ihm abwendet, das<lb/>
begreife ich nicht. Jetzt wird zur Wiedervergeltung,<lb/>
der Jakobinismus durch eine gleiche Wendung auch<lb/>
Heine kühn die Stirne bieten. Dann &#x017F;ind &#x017F;ie quitt<lb/>
und &#x017F;o hart &#x017F;ie auch auf einander &#x017F;toßen mögen,<lb/>
können &#x017F;ie &#x017F;ich nie &#x017F;ehr wehe thun. Die&#x017F;e weiche Art<lb/>
Krieg zu führen i&#x017F;t &#x017F;ehr löblich und an einem bla¬<lb/>
&#x017F;enden Herolde, die Heldenthaten zu verkündigen, kann<lb/>
es keiner der Kämpfenden Stirne in die&#x017F;em Falle fehlen.</p><lb/>
          <p>Gab es je einen Men&#x017F;chen, den die Natur be¬<lb/>
&#x017F;timmt hat, ein ehrlicher Mann zu &#x017F;ein, &#x017F;o i&#x017F;t es<lb/>
Heine und auf die&#x017F;em Wege könnte er &#x017F;ein Glück<lb/>
machen. Er kann keine fünf Minuten, keine zwan¬<lb/>
zig Zeilen heucheln, keinen Tag, keinen halben Bo¬<lb/>
gen lügen. Wenn es eine Krone gälte, er kann kein<lb/>
Lächeln, keinen Spott, keinen Witz unterdrücken, und<lb/>
wenn er &#x017F;ein eignes We&#x017F;en verkennend, doch lügt,<lb/>
doch heuchelt, ern&#x017F;thaft &#x017F;cheint wo er lachen, demü¬<lb/>
thig wo er &#x017F;potten möchte; &#x017F;o merkt es jeder gleich,<lb/>
und er hat von &#x017F;olcher Ver&#x017F;tellung nur den Vor¬<lb/>
wurf, nicht den Gewinn. Er gefällt &#x017F;ich den <hi rendition="#g">Je¬<lb/>
&#x017F;uiten des Liberalismus</hi> zu &#x017F;pielen. Ich habe<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0155] Auf dieſe Weiſe glaubt Heine bald dem Abſo¬ lutismus, bald dem Jakobinismus kühn die Stirne zu bieten. Wie man aber einem Feinde die Stirne bieten kann, indem man ſich von ihm abwendet, das begreife ich nicht. Jetzt wird zur Wiedervergeltung, der Jakobinismus durch eine gleiche Wendung auch Heine kühn die Stirne bieten. Dann ſind ſie quitt und ſo hart ſie auch auf einander ſtoßen mögen, können ſie ſich nie ſehr wehe thun. Dieſe weiche Art Krieg zu führen iſt ſehr löblich und an einem bla¬ ſenden Herolde, die Heldenthaten zu verkündigen, kann es keiner der Kämpfenden Stirne in dieſem Falle fehlen. Gab es je einen Menſchen, den die Natur be¬ ſtimmt hat, ein ehrlicher Mann zu ſein, ſo iſt es Heine und auf dieſem Wege könnte er ſein Glück machen. Er kann keine fünf Minuten, keine zwan¬ zig Zeilen heucheln, keinen Tag, keinen halben Bo¬ gen lügen. Wenn es eine Krone gälte, er kann kein Lächeln, keinen Spott, keinen Witz unterdrücken, und wenn er ſein eignes Weſen verkennend, doch lügt, doch heuchelt, ernſthaft ſcheint wo er lachen, demü¬ thig wo er ſpotten möchte; ſo merkt es jeder gleich, und er hat von ſolcher Verſtellung nur den Vor¬ wurf, nicht den Gewinn. Er gefällt ſich den Je¬ ſuiten des Liberalismus zu ſpielen. Ich habe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/155
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/155>, abgerufen am 19.05.2024.