es schon einmal gesagt, daß dieses Spiel der guten Sache nützen kann; aber weil es eine einträgliche Rolle ist, darf sie kein ehrlicher Mann selbst übernehmen, sondern muß sie Andern überlassen. So, seiner bessern Natur zum Spotte, findet Heine seine Freude daran zu diplomatisiren, und seine Zähne zum Ge¬ fängnißgitter seiner Gedanken zu machen, hinter wel¬ chem sie jeder ganz deutlich sieht und dabei lacht. Denn zu verbergen, daß er etwas zu verbergen habe, so weit bringt er es in der Verstellung nie. Wenn ihn der Graf Moltke in einen Federkrieg über den Adel zu verwickeln sucht, bittet er ihn es zu unter¬ lassen; "denn es schien mir gerade damals bedenklich, "in meiner gewöhnlichen Weise, ein Thema öffentlich "zu erörtern, das die Tagesleidenschaften so furchtbar "ansprechen müßte." Diese Tagesleidenschaft gegen den Adel, die schon funfzig mal dreihundert fünf und sechszig Tage dauert, könnte weder Herr von Moltke noch Heine, noch sonst einer noch furchtbarer machen, als sie schon ist. Um von etwas warm zu sprechen, soll man also warten, bis die Leidenschaft, der er Nahrung geben kann, gedämpft ist, um sie dann von neuen zu entzünden? Das ist freilich die Weisheit der Diplomaten. Heine glaubt etwas zu wissen, daß Lafayette gegen die Beschuldigung der Theilnahme an der Juni-Insurrektion vertheidigen kann; aber
es ſchon einmal geſagt, daß dieſes Spiel der guten Sache nützen kann; aber weil es eine einträgliche Rolle iſt, darf ſie kein ehrlicher Mann ſelbſt übernehmen, ſondern muß ſie Andern überlaſſen. So, ſeiner beſſern Natur zum Spotte, findet Heine ſeine Freude daran zu diplomatiſiren, und ſeine Zähne zum Ge¬ fängnißgitter ſeiner Gedanken zu machen, hinter wel¬ chem ſie jeder ganz deutlich ſieht und dabei lacht. Denn zu verbergen, daß er etwas zu verbergen habe, ſo weit bringt er es in der Verſtellung nie. Wenn ihn der Graf Moltke in einen Federkrieg über den Adel zu verwickeln ſucht, bittet er ihn es zu unter¬ laſſen; „denn es ſchien mir gerade damals bedenklich, „in meiner gewöhnlichen Weiſe, ein Thema öffentlich „zu erörtern, das die Tagesleidenſchaften ſo furchtbar „anſprechen müßte.“ Dieſe Tagesleidenſchaft gegen den Adel, die ſchon funfzig mal dreihundert fünf und ſechszig Tage dauert, könnte weder Herr von Moltke noch Heine, noch ſonſt einer noch furchtbarer machen, als ſie ſchon iſt. Um von etwas warm zu ſprechen, ſoll man alſo warten, bis die Leidenſchaft, der er Nahrung geben kann, gedämpft iſt, um ſie dann von neuen zu entzünden? Das iſt freilich die Weisheit der Diplomaten. Heine glaubt etwas zu wiſſen, daß Lafayette gegen die Beſchuldigung der Theilnahme an der Juni-Inſurrektion vertheidigen kann; aber
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es ſchon einmal geſagt, daß dieſes Spiel der guten
Sache nützen kann; aber weil es eine einträgliche
Rolle iſt, darf ſie kein ehrlicher Mann ſelbſt übernehmen,
ſondern muß ſie Andern überlaſſen. So, ſeiner
beſſern Natur zum Spotte, findet Heine ſeine Freude
daran zu diplomatiſiren, und ſeine Zähne zum Ge¬
fängnißgitter ſeiner Gedanken zu machen, hinter wel¬
chem ſie jeder ganz deutlich ſieht und dabei lacht.
Denn zu verbergen, daß er etwas zu verbergen habe,
ſo weit bringt er es in der Verſtellung nie. Wenn
ihn der Graf Moltke in einen Federkrieg über den
Adel zu verwickeln ſucht, bittet er ihn es zu unter¬
laſſen; „denn es ſchien mir gerade damals bedenklich,
„in meiner gewöhnlichen Weiſe, ein Thema öffentlich
„zu erörtern, das die Tagesleidenſchaften ſo furchtbar
„anſprechen müßte.“ Dieſe Tagesleidenſchaft gegen
den Adel, die ſchon funfzig mal dreihundert fünf und
ſechszig Tage dauert, könnte weder Herr von Moltke
noch Heine, noch ſonſt einer noch furchtbarer machen,
als ſie ſchon iſt. Um von etwas warm zu ſprechen,
ſoll man alſo warten, bis die Leidenſchaft, der er
Nahrung geben kann, gedämpft iſt, um ſie dann von
neuen zu entzünden? Das iſt freilich die Weisheit
der Diplomaten. Heine glaubt etwas zu wiſſen, daß
Lafayette gegen die Beſchuldigung der Theilnahme
an der Juni-Inſurrektion vertheidigen kann; aber
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/156>, abgerufen am 16.07.2024.
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