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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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"Viele von Euch sind doch schon einmal den
Rhein hinabgefahren; der Hans dort, das weiß ich,
ist oft als Floßknecht nach Holland gekommen, ehe
er sich ein Frau genommen -- ein kreuzbraves Weib,
sie hat mir gestern eine fette Gans geschickt. Und
wer von Euch nicht am Rhein war, der ist doch ein¬
mal in Königstein gewesen und am Falkenstein vor¬
beigekommen. Nun, das ist alle eins. Oben auf
den Bergen an beiden Seiten des Rheins, da sehet
Ihr viele verfallene alte Schlösser, die man Burgen
nennt. Sie waren aber nicht immer so öde und
verfallen, wie sie jetzt sind. Ehemals waren es
prächtige Schlösser, worin die Ritter wohnten, und
es ging lustig daher. Liebe Kinder! Die Ritter,
das waren prächtige Leute! An denen hatte doch
der liebe Herrgott noch seine Freude. Wenn sie sich
recht wild herumtummelten in ihres Vaters Garten,
und er lag am Sonnenfenster und sah zu, wie sie
spielten, lachte er und sagte: Jugend hat keine Tu¬
gend, das will sich austoben; aber es ist mein Herz
und mein Blut. Wenn aber der liebe Herrgott uns
jämmerliche Wichte siehet, seine jüngsten Kinder, die
den ganzen Tag hinter den Büchern hocken und heu¬
len, wenn sie der gestrenge Herr Schulmeister mit
seinem Lineal anrührt, dann schämt er sich, unser
Vater zu sein, schlägt das Fenster zu und brummt:
Ja, ja, ich bin alt geworden! So ein Ritter war

„Viele von Euch ſind doch ſchon einmal den
Rhein hinabgefahren; der Hans dort, das weiß ich,
iſt oft als Floßknecht nach Holland gekommen, ehe
er ſich ein Frau genommen — ein kreuzbraves Weib,
ſie hat mir geſtern eine fette Gans geſchickt. Und
wer von Euch nicht am Rhein war, der iſt doch ein¬
mal in Königſtein geweſen und am Falkenſtein vor¬
beigekommen. Nun, das iſt alle eins. Oben auf
den Bergen an beiden Seiten des Rheins, da ſehet
Ihr viele verfallene alte Schlöſſer, die man Burgen
nennt. Sie waren aber nicht immer ſo öde und
verfallen, wie ſie jetzt ſind. Ehemals waren es
prächtige Schlöſſer, worin die Ritter wohnten, und
es ging luſtig daher. Liebe Kinder! Die Ritter,
das waren prächtige Leute! An denen hatte doch
der liebe Herrgott noch ſeine Freude. Wenn ſie ſich
recht wild herumtummelten in ihres Vaters Garten,
und er lag am Sonnenfenſter und ſah zu, wie ſie
ſpielten, lachte er und ſagte: Jugend hat keine Tu¬
gend, das will ſich austoben; aber es iſt mein Herz
und mein Blut. Wenn aber der liebe Herrgott uns
jämmerliche Wichte ſiehet, ſeine jüngſten Kinder, die
den ganzen Tag hinter den Büchern hocken und heu¬
len, wenn ſie der geſtrenge Herr Schulmeiſter mit
ſeinem Lineal anrührt, dann ſchämt er ſich, unſer
Vater zu ſein, ſchlägt das Fenſter zu und brummt:
Ja, ja, ich bin alt geworden! So ein Ritter war

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[80/0094] „Viele von Euch ſind doch ſchon einmal den Rhein hinabgefahren; der Hans dort, das weiß ich, iſt oft als Floßknecht nach Holland gekommen, ehe er ſich ein Frau genommen — ein kreuzbraves Weib, ſie hat mir geſtern eine fette Gans geſchickt. Und wer von Euch nicht am Rhein war, der iſt doch ein¬ mal in Königſtein geweſen und am Falkenſtein vor¬ beigekommen. Nun, das iſt alle eins. Oben auf den Bergen an beiden Seiten des Rheins, da ſehet Ihr viele verfallene alte Schlöſſer, die man Burgen nennt. Sie waren aber nicht immer ſo öde und verfallen, wie ſie jetzt ſind. Ehemals waren es prächtige Schlöſſer, worin die Ritter wohnten, und es ging luſtig daher. Liebe Kinder! Die Ritter, das waren prächtige Leute! An denen hatte doch der liebe Herrgott noch ſeine Freude. Wenn ſie ſich recht wild herumtummelten in ihres Vaters Garten, und er lag am Sonnenfenſter und ſah zu, wie ſie ſpielten, lachte er und ſagte: Jugend hat keine Tu¬ gend, das will ſich austoben; aber es iſt mein Herz und mein Blut. Wenn aber der liebe Herrgott uns jämmerliche Wichte ſiehet, ſeine jüngſten Kinder, die den ganzen Tag hinter den Büchern hocken und heu¬ len, wenn ſie der geſtrenge Herr Schulmeiſter mit ſeinem Lineal anrührt, dann ſchämt er ſich, unſer Vater zu ſein, ſchlägt das Fenſter zu und brummt: Ja, ja, ich bin alt geworden! So ein Ritter war

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/94>, abgerufen am 25.11.2024.