Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

helfen wissen. Immer Gewalt, immer Blutver¬
gießen! Warum suchen sie das Volk über die wahre
Beschaffenheit der Mauth, ihre Nothwendigkeit und
Nützlichkeit nicht aufzuklären? Warum suchen sie es
nicht durch Sanftmuth zu beruhigen, durch Ueberre¬
dung zu gewinnen? Warum tragen sie den Geist¬
lichen nicht auf, von der Kanzel herab ihre Gemein¬
den im Zollwesen zu unterrichten? Wäre ich Pfar¬
rer von Fechenheim, Bergen oder Bockenheim, hätte
ich am ersten Sonntage nach dem monarchischen Ge¬
metzel an der Mainkur ohngefähr folgende Predigt
gehalten, und dadurch gewiß zur Erhaltung der Ruhe
mehr beigetragen, als zehn Schwadronen Husaren im
Stande sind.

Liebe Gemeinde!

"Am Freitag wart Ihr wieder rechte Esel ge¬
wesen, und habt Euch todschießen lassen. Wißt Ihr
warum? Ich will die ganze Woche keinen Tropfen
Wein trinken, wenn Ihr es wißt. Dummköpfe seyd
Ihr und Schwerenöther! Ihr jammert über die
Mauth, Ihr wollt keine Mauth bezahlen! Wißt
Ihr denn, was die Mauth ist heut zu Tage? Wißt
Ihr, was sie sonst gewesen? Begreift Ihr denn gar
nicht, wie viel besser Ihr es jetzt habt, als in frü¬
hern Zeiten? Nun, so gebt Acht; ich will Euch eine
Laterne in den Kopf hängen."

helfen wiſſen. Immer Gewalt, immer Blutver¬
gießen! Warum ſuchen ſie das Volk über die wahre
Beſchaffenheit der Mauth, ihre Nothwendigkeit und
Nützlichkeit nicht aufzuklären? Warum ſuchen ſie es
nicht durch Sanftmuth zu beruhigen, durch Ueberre¬
dung zu gewinnen? Warum tragen ſie den Geiſt¬
lichen nicht auf, von der Kanzel herab ihre Gemein¬
den im Zollweſen zu unterrichten? Wäre ich Pfar¬
rer von Fechenheim, Bergen oder Bockenheim, hätte
ich am erſten Sonntage nach dem monarchiſchen Ge¬
metzel an der Mainkur ohngefähr folgende Predigt
gehalten, und dadurch gewiß zur Erhaltung der Ruhe
mehr beigetragen, als zehn Schwadronen Huſaren im
Stande ſind.

Liebe Gemeinde!

„Am Freitag wart Ihr wieder rechte Eſel ge¬
weſen, und habt Euch todſchießen laſſen. Wißt Ihr
warum? Ich will die ganze Woche keinen Tropfen
Wein trinken, wenn Ihr es wißt. Dummköpfe ſeyd
Ihr und Schwerenöther! Ihr jammert über die
Mauth, Ihr wollt keine Mauth bezahlen! Wißt
Ihr denn, was die Mauth iſt heut zu Tage? Wißt
Ihr, was ſie ſonſt geweſen? Begreift Ihr denn gar
nicht, wie viel beſſer Ihr es jetzt habt, als in frü¬
hern Zeiten? Nun, ſo gebt Acht; ich will Euch eine
Laterne in den Kopf hängen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0093" n="79"/>
helfen wi&#x017F;&#x017F;en. Immer Gewalt, immer Blutver¬<lb/>
gießen! Warum &#x017F;uchen &#x017F;ie das Volk über die wahre<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit der Mauth, ihre Nothwendigkeit und<lb/>
Nützlichkeit nicht aufzuklären? Warum &#x017F;uchen &#x017F;ie es<lb/>
nicht durch Sanftmuth zu beruhigen, durch Ueberre¬<lb/>
dung zu gewinnen? Warum tragen &#x017F;ie den Gei&#x017F;<lb/>
lichen nicht auf, von der Kanzel herab ihre Gemein¬<lb/>
den im Zollwe&#x017F;en zu unterrichten? Wäre ich Pfar¬<lb/>
rer von Fechenheim, Bergen oder Bockenheim, hätte<lb/>
ich am er&#x017F;ten Sonntage nach dem monarchi&#x017F;chen Ge¬<lb/>
metzel an der Mainkur ohngefähr folgende Predigt<lb/>
gehalten, und dadurch gewiß zur Erhaltung der Ruhe<lb/>
mehr beigetragen, als zehn Schwadronen Hu&#x017F;aren im<lb/>
Stande &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p rendition="#c">Liebe Gemeinde!</p><lb/>
          <p>&#x201E;Am Freitag wart Ihr wieder rechte E&#x017F;el ge¬<lb/>
we&#x017F;en, und habt Euch tod&#x017F;chießen la&#x017F;&#x017F;en. Wißt Ihr<lb/>
warum? Ich will die ganze Woche keinen Tropfen<lb/>
Wein trinken, wenn Ihr es wißt. Dummköpfe &#x017F;eyd<lb/>
Ihr und Schwerenöther! Ihr jammert über die<lb/>
Mauth, Ihr wollt keine Mauth bezahlen! Wißt<lb/>
Ihr denn, was die Mauth i&#x017F;t heut zu Tage? Wißt<lb/>
Ihr, was &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t gewe&#x017F;en? Begreift Ihr denn gar<lb/>
nicht, wie viel be&#x017F;&#x017F;er Ihr es jetzt habt, als in frü¬<lb/>
hern Zeiten? Nun, &#x017F;o gebt Acht; ich will Euch eine<lb/>
Laterne in den Kopf hängen.&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0093] helfen wiſſen. Immer Gewalt, immer Blutver¬ gießen! Warum ſuchen ſie das Volk über die wahre Beſchaffenheit der Mauth, ihre Nothwendigkeit und Nützlichkeit nicht aufzuklären? Warum ſuchen ſie es nicht durch Sanftmuth zu beruhigen, durch Ueberre¬ dung zu gewinnen? Warum tragen ſie den Geiſt¬ lichen nicht auf, von der Kanzel herab ihre Gemein¬ den im Zollweſen zu unterrichten? Wäre ich Pfar¬ rer von Fechenheim, Bergen oder Bockenheim, hätte ich am erſten Sonntage nach dem monarchiſchen Ge¬ metzel an der Mainkur ohngefähr folgende Predigt gehalten, und dadurch gewiß zur Erhaltung der Ruhe mehr beigetragen, als zehn Schwadronen Huſaren im Stande ſind. Liebe Gemeinde! „Am Freitag wart Ihr wieder rechte Eſel ge¬ weſen, und habt Euch todſchießen laſſen. Wißt Ihr warum? Ich will die ganze Woche keinen Tropfen Wein trinken, wenn Ihr es wißt. Dummköpfe ſeyd Ihr und Schwerenöther! Ihr jammert über die Mauth, Ihr wollt keine Mauth bezahlen! Wißt Ihr denn, was die Mauth iſt heut zu Tage? Wißt Ihr, was ſie ſonſt geweſen? Begreift Ihr denn gar nicht, wie viel beſſer Ihr es jetzt habt, als in frü¬ hern Zeiten? Nun, ſo gebt Acht; ich will Euch eine Laterne in den Kopf hängen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/93
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/93>, abgerufen am 27.04.2024.