bet Preßfreiheit, daß meine Freunde aus den Zei¬ tungen ersehen können, wo ich hingekommen, und dann will ich Euch zu Rede stehen. Aber Ihr wer¬ det Euch wohl hüten, das zu thun; denn ich stünde dann Euch nicht Rede, Ihr müßtet mir und dem Volke Rede stehen. Fragt Massenbach, fragt Ypsi¬ lanti, fragt die andern Schlachtopfer alle, wie sie im Kerker gelebt, warum sie gestorben? Gehet hin, fragt sie, sie stehen jetzt vor Gott und brauchen nicht mehr zu schweigen. Fragt Jahn, der endlich frei¬ gekommen, was seine Richter ihn gefragt? Er schweigt, er darf nicht reden. An einer langen Kette hält man ihn fest -- das ist seine Freiheit. Fragt Murhardt in Kassel, der schuldlos erklärt worden, warum er im Kerker geschmachtet? Er ist stumm. Er hat schwören müssen, die Geheimnisse der Tyrannei nicht zu verrathen. Die thörigten Menschen! Solch einen Eid halten, den man ihnen, den Dolch auf der Brust, abgezwungen? Der lä¬ stert Gott, und verräth die Liebe, der lebendig aus der Höhle der Tyrannei kömmt und seinen Brüdern nicht erzählt, was im Dunkeln die Bosheit übt und die Unschuld leidet. Ich hielte solchen Schwur nicht; es ist Sünde, ihn zu halten.
Ich habe in meinen Briefen gesagt: im nächsten Jahre würde das Dutzend Eier theurer seyn, als das Dutzend Fürsten -- und jetzt, lieber alter Freund,
bet Preßfreiheit, daß meine Freunde aus den Zei¬ tungen erſehen können, wo ich hingekommen, und dann will ich Euch zu Rede ſtehen. Aber Ihr wer¬ det Euch wohl hüten, das zu thun; denn ich ſtünde dann Euch nicht Rede, Ihr müßtet mir und dem Volke Rede ſtehen. Fragt Maſſenbach, fragt Ypſi¬ lanti, fragt die andern Schlachtopfer alle, wie ſie im Kerker gelebt, warum ſie geſtorben? Gehet hin, fragt ſie, ſie ſtehen jetzt vor Gott und brauchen nicht mehr zu ſchweigen. Fragt Jahn, der endlich frei¬ gekommen, was ſeine Richter ihn gefragt? Er ſchweigt, er darf nicht reden. An einer langen Kette hält man ihn feſt — das iſt ſeine Freiheit. Fragt Murhardt in Kaſſel, der ſchuldlos erklärt worden, warum er im Kerker geſchmachtet? Er iſt ſtumm. Er hat ſchwören müſſen, die Geheimniſſe der Tyrannei nicht zu verrathen. Die thörigten Menſchen! Solch einen Eid halten, den man ihnen, den Dolch auf der Bruſt, abgezwungen? Der lä¬ ſtert Gott, und verräth die Liebe, der lebendig aus der Höhle der Tyrannei kömmt und ſeinen Brüdern nicht erzählt, was im Dunkeln die Bosheit übt und die Unſchuld leidet. Ich hielte ſolchen Schwur nicht; es iſt Sünde, ihn zu halten.
Ich habe in meinen Briefen geſagt: im nächſten Jahre würde das Dutzend Eier theurer ſeyn, als das Dutzend Fürſten — und jetzt, lieber alter Freund,
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dann will ich Euch zu Rede ſtehen. Aber Ihr wer¬
det Euch wohl hüten, das zu thun; denn ich ſtünde
dann Euch nicht Rede, Ihr müßtet mir und dem
Volke Rede ſtehen. Fragt Maſſenbach, fragt Ypſi¬
lanti, fragt die andern Schlachtopfer alle, wie ſie
im Kerker gelebt, warum ſie geſtorben? Gehet hin,
fragt ſie, ſie ſtehen jetzt vor Gott und brauchen nicht
mehr zu ſchweigen. Fragt Jahn, der endlich frei¬
gekommen, was ſeine Richter ihn gefragt? Er
ſchweigt, er darf nicht reden. An einer langen
Kette hält man ihn feſt — das iſt ſeine Freiheit.
Fragt Murhardt in Kaſſel, der ſchuldlos erklärt
worden, warum er im Kerker geſchmachtet? Er iſt
ſtumm. Er hat ſchwören müſſen, die Geheimniſſe
der Tyrannei nicht zu verrathen. Die thörigten
Menſchen! Solch einen Eid halten, den man ihnen,
den Dolch auf der Bruſt, abgezwungen? Der lä¬
ſtert Gott, und verräth die Liebe, der lebendig aus
der Höhle der Tyrannei kömmt und ſeinen Brüdern
nicht erzählt, was im Dunkeln die Bosheit übt und
die Unſchuld leidet. Ich hielte ſolchen Schwur nicht;
es iſt Sünde, ihn zu halten.
Ich habe in meinen Briefen geſagt: im nächſten
Jahre würde das Dutzend Eier theurer ſeyn, als
das Dutzend Fürſten — und jetzt, lieber alter Freund,
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/215>, abgerufen am 18.07.2024.
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