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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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pagner es mich gekostet haben würde, den Stuttgar¬
ter Hofzeitungsschreiber zu meinem Lobredner zu ma¬
chen? so sage ich Euch: ich bin ein Lump, wie Ihr
alle seyd; aber diese kleine Ausgabe hätte mich nicht
belästiget.

Der arme Teufel fühlt es manchmal selbst, daß
zum Schreiben die Finger allein nicht hinreichen, wie
auch ein Geist dazu gehöre, und dann im Gefühle
seiner Armseligkeit, ruft er den Geist Mendelsohns
aus dem Grabe hervor, daß er ihm beistehe in sei¬
ner Noth. "O edler Moses Mendelsohn, im Grabe
"mußt du dich umwenden, daß länger als ein halbes
"Jahrhundert nach dir einer deines Volkes also
"schwatzen kann." Und da der edle Moses Mendel¬
sohn auf die Beschwörung eines Taugenichts natürlich
nicht erschien, wurde er zum zweitenmal hervorgeru¬
fen. "Nochmals rufe ich den Schatten des edlen
"Mendelsohns an. Zürnend erscheine deinem entar¬
"teten Enkel und bessere ihn, wenn es möglich ist."
Vielleicht wundert man sich darüber, daß ein Hofzei¬
tungs-Schreiber so romantisch ist; aber was kann
man nicht alles seyn für dreitausend Gulden jährlich?
Gebet dem Manne Sechstausend Gulden, und er
wäre im Stande und würde ein ehrlicher Mann dafür.

Der Stuttgar[t]er Hofzeitungs-Schreiber wie die
ganze Schaafheerde, die gegen mich geblöckt, fürchtet
mich mehr, als den bösen Wolf, und sähe daher gar

pagner es mich gekoſtet haben würde, den Stuttgar¬
ter Hofzeitungsſchreiber zu meinem Lobredner zu ma¬
chen? ſo ſage ich Euch: ich bin ein Lump, wie Ihr
alle ſeyd; aber dieſe kleine Ausgabe hätte mich nicht
beläſtiget.

Der arme Teufel fühlt es manchmal ſelbſt, daß
zum Schreiben die Finger allein nicht hinreichen, wie
auch ein Geiſt dazu gehöre, und dann im Gefühle
ſeiner Armſeligkeit, ruft er den Geiſt Mendelſohns
aus dem Grabe hervor, daß er ihm beiſtehe in ſei¬
ner Noth. „O edler Moſes Mendelſohn, im Grabe
„mußt du dich umwenden, daß länger als ein halbes
„Jahrhundert nach dir einer deines Volkes alſo
„ſchwatzen kann.“ Und da der edle Moſes Mendel¬
ſohn auf die Beſchwörung eines Taugenichts natürlich
nicht erſchien, wurde er zum zweitenmal hervorgeru¬
fen. „Nochmals rufe ich den Schatten des edlen
„Mendelſohns an. Zürnend erſcheine deinem entar¬
„teten Enkel und beſſere ihn, wenn es möglich iſt.“
Vielleicht wundert man ſich darüber, daß ein Hofzei¬
tungs-Schreiber ſo romantiſch iſt; aber was kann
man nicht alles ſeyn für dreitauſend Gulden jährlich?
Gebet dem Manne Sechstauſend Gulden, und er
wäre im Stande und würde ein ehrlicher Mann dafür.

Der Stuttgar[t]er Hofzeitungs-Schreiber wie die
ganze Schaafheerde, die gegen mich geblöckt, fürchtet
mich mehr, als den böſen Wolf, und ſähe daher gar

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[198/0212] pagner es mich gekoſtet haben würde, den Stuttgar¬ ter Hofzeitungsſchreiber zu meinem Lobredner zu ma¬ chen? ſo ſage ich Euch: ich bin ein Lump, wie Ihr alle ſeyd; aber dieſe kleine Ausgabe hätte mich nicht beläſtiget. Der arme Teufel fühlt es manchmal ſelbſt, daß zum Schreiben die Finger allein nicht hinreichen, wie auch ein Geiſt dazu gehöre, und dann im Gefühle ſeiner Armſeligkeit, ruft er den Geiſt Mendelſohns aus dem Grabe hervor, daß er ihm beiſtehe in ſei¬ ner Noth. „O edler Moſes Mendelſohn, im Grabe „mußt du dich umwenden, daß länger als ein halbes „Jahrhundert nach dir einer deines Volkes alſo „ſchwatzen kann.“ Und da der edle Moſes Mendel¬ ſohn auf die Beſchwörung eines Taugenichts natürlich nicht erſchien, wurde er zum zweitenmal hervorgeru¬ fen. „Nochmals rufe ich den Schatten des edlen „Mendelſohns an. Zürnend erſcheine deinem entar¬ „teten Enkel und beſſere ihn, wenn es möglich iſt.“ Vielleicht wundert man ſich darüber, daß ein Hofzei¬ tungs-Schreiber ſo romantiſch iſt; aber was kann man nicht alles ſeyn für dreitauſend Gulden jährlich? Gebet dem Manne Sechstauſend Gulden, und er wäre im Stande und würde ein ehrlicher Mann dafür. Der Stuttgarter Hofzeitungs-Schreiber wie die ganze Schaafheerde, die gegen mich geblöckt, fürchtet mich mehr, als den böſen Wolf, und ſähe daher gar

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/212>, abgerufen am 05.05.2024.