Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

zu, dessen Recht zu kränken, ließ ich lieber meinen
armen Leib in tausend Stücke hauen und ihn als
Fraß den Schweinen vorwerfen, als daß ich meine
unsterbliche Seele um das Spottgeld eines solchen
Lächelns verkaufte. Also Herr Börne heiße ich und
werde jedem zu begegnen wissen, der mir mein Herr
anrührt. Als vor einiger Zeit einige junge Leute
von der Gesellschaft der Volksfreunde, wegen
Vergehen, die mit fünfjähriger Einsperrung bestraft
werden können, vor ihren Richtern standen, und an¬
geschuldigt auf diese Weise, ihre Vertheidigung auf
eine, wenn auch nicht strafwürdige doch höchst straf¬
fällige Weise führten; Recht und Ordnung ihre eige¬
nen Richter, den König und die Verfassung verhöhn¬
ten und bei dem Verhör der Gerichts-Präsident die
Angeklagten beim Namen rief, ohne Herr vorzusetzen;
da sprach Raspail, einer derselben, zum Präsiden¬
ten: "Wenn ich das Wort an Sie richte, nenne ich
Sie Herr Präsident; wenn Sie mit uns sprechen,
sagen Sie blos Raspail, Hubert, Thauret.
Doch sind wir gleich vor dem Gesetze; geben Sie
uns die Eigenschaft, die wir Ihnen selbst ertheilen.
Die Achtung, die Sie von uns selbst zu fordern das
Recht haben, sind Sie auch uns schuldig." Lautes
Bravorufen der Zuhörer folgte auf diese Anrede.
Der Präsident aber nahm keine Rücksicht darauf und
fuhr fort, Raspail zu sagen, ohne Herr. Darauf

zu, deſſen Recht zu kränken, ließ ich lieber meinen
armen Leib in tauſend Stücke hauen und ihn als
Fraß den Schweinen vorwerfen, als daß ich meine
unſterbliche Seele um das Spottgeld eines ſolchen
Lächelns verkaufte. Alſo Herr Börne heiße ich und
werde jedem zu begegnen wiſſen, der mir mein Herr
anrührt. Als vor einiger Zeit einige junge Leute
von der Geſellſchaft der Volksfreunde, wegen
Vergehen, die mit fünfjähriger Einſperrung beſtraft
werden können, vor ihren Richtern ſtanden, und an¬
geſchuldigt auf dieſe Weiſe, ihre Vertheidigung auf
eine, wenn auch nicht ſtrafwürdige doch höchſt ſtraf¬
fällige Weiſe führten; Recht und Ordnung ihre eige¬
nen Richter, den König und die Verfaſſung verhöhn¬
ten und bei dem Verhör der Gerichts-Präſident die
Angeklagten beim Namen rief, ohne Herr vorzuſetzen;
da ſprach Raspail, einer derſelben, zum Präſiden¬
ten: „Wenn ich das Wort an Sie richte, nenne ich
Sie Herr Präſident; wenn Sie mit uns ſprechen,
ſagen Sie blos Raspail, Hubert, Thauret.
Doch ſind wir gleich vor dem Geſetze; geben Sie
uns die Eigenſchaft, die wir Ihnen ſelbſt ertheilen.
Die Achtung, die Sie von uns ſelbſt zu fordern das
Recht haben, ſind Sie auch uns ſchuldig.“ Lautes
Bravorufen der Zuhörer folgte auf dieſe Anrede.
Der Präſident aber nahm keine Rückſicht darauf und
fuhr fort, Raspail zu ſagen, ohne Herr. Darauf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0181" n="167"/>
zu, de&#x017F;&#x017F;en Recht zu kränken, ließ ich lieber meinen<lb/>
armen Leib in tau&#x017F;end Stücke hauen und ihn als<lb/>
Fraß den Schweinen vorwerfen, als daß ich meine<lb/>
un&#x017F;terbliche Seele um das Spottgeld eines &#x017F;olchen<lb/>
Lächelns verkaufte. Al&#x017F;o <hi rendition="#g">Herr</hi> Börne heiße ich und<lb/>
werde jedem zu begegnen wi&#x017F;&#x017F;en, der mir mein <hi rendition="#g">Herr</hi><lb/>
anrührt. Als vor einiger Zeit einige junge Leute<lb/>
von der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft der <hi rendition="#g">Volksfreunde</hi>, wegen<lb/>
Vergehen, die mit fünfjähriger Ein&#x017F;perrung be&#x017F;traft<lb/>
werden können, vor ihren Richtern &#x017F;tanden, und an¬<lb/>
ge&#x017F;chuldigt auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e, ihre Vertheidigung auf<lb/>
eine, wenn auch nicht &#x017F;trafwürdige doch höch&#x017F;t &#x017F;traf¬<lb/>
fällige Wei&#x017F;e führten; Recht und <choice><sic>Orduung</sic><corr>Ordnung</corr></choice> ihre eige¬<lb/>
nen Richter, den König und die Verfa&#x017F;&#x017F;ung verhöhn¬<lb/>
ten und bei dem Verhör der Gerichts-Prä&#x017F;ident die<lb/>
Angeklagten beim Namen rief, ohne <hi rendition="#g">Herr</hi> vorzu&#x017F;etzen;<lb/>
da &#x017F;prach <hi rendition="#g">Raspail</hi>, einer der&#x017F;elben, zum Prä&#x017F;iden¬<lb/>
ten: &#x201E;Wenn ich das Wort an Sie richte, nenne ich<lb/>
Sie <hi rendition="#g">Herr Prä&#x017F;ident</hi>; wenn Sie mit uns &#x017F;prechen,<lb/>
&#x017F;agen Sie blos <hi rendition="#g">Raspail</hi>, <hi rendition="#g">Hubert</hi>, <hi rendition="#g">Thauret</hi>.<lb/>
Doch &#x017F;ind wir gleich vor dem Ge&#x017F;etze; geben Sie<lb/>
uns die Eigen&#x017F;chaft, die wir Ihnen &#x017F;elb&#x017F;t ertheilen.<lb/>
Die Achtung, die Sie von uns &#x017F;elb&#x017F;t zu fordern das<lb/>
Recht haben, &#x017F;ind Sie auch uns &#x017F;chuldig.&#x201C; Lautes<lb/>
Bravorufen der Zuhörer folgte auf die&#x017F;e Anrede.<lb/>
Der Prä&#x017F;ident aber nahm keine Rück&#x017F;icht darauf und<lb/>
fuhr fort, <hi rendition="#g">Raspail</hi> zu &#x017F;agen, ohne Herr. Darauf<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0181] zu, deſſen Recht zu kränken, ließ ich lieber meinen armen Leib in tauſend Stücke hauen und ihn als Fraß den Schweinen vorwerfen, als daß ich meine unſterbliche Seele um das Spottgeld eines ſolchen Lächelns verkaufte. Alſo Herr Börne heiße ich und werde jedem zu begegnen wiſſen, der mir mein Herr anrührt. Als vor einiger Zeit einige junge Leute von der Geſellſchaft der Volksfreunde, wegen Vergehen, die mit fünfjähriger Einſperrung beſtraft werden können, vor ihren Richtern ſtanden, und an¬ geſchuldigt auf dieſe Weiſe, ihre Vertheidigung auf eine, wenn auch nicht ſtrafwürdige doch höchſt ſtraf¬ fällige Weiſe führten; Recht und Ordnung ihre eige¬ nen Richter, den König und die Verfaſſung verhöhn¬ ten und bei dem Verhör der Gerichts-Präſident die Angeklagten beim Namen rief, ohne Herr vorzuſetzen; da ſprach Raspail, einer derſelben, zum Präſiden¬ ten: „Wenn ich das Wort an Sie richte, nenne ich Sie Herr Präſident; wenn Sie mit uns ſprechen, ſagen Sie blos Raspail, Hubert, Thauret. Doch ſind wir gleich vor dem Geſetze; geben Sie uns die Eigenſchaft, die wir Ihnen ſelbſt ertheilen. Die Achtung, die Sie von uns ſelbſt zu fordern das Recht haben, ſind Sie auch uns ſchuldig.“ Lautes Bravorufen der Zuhörer folgte auf dieſe Anrede. Der Präſident aber nahm keine Rückſicht darauf und fuhr fort, Raspail zu ſagen, ohne Herr. Darauf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/181
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/181>, abgerufen am 28.11.2024.