Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

Witzen streue man nicht den Saamen künftiger
Thaten
über unser Vaterland aus! O schonet nicht!
Ich bekomme Krämpfe, wenn ich von Saamen
ausstreuen
reden hören. Jetzt reden sie noch von
säen, da doch ihr Korn schon längst geschnitten ist,
und es nur an Dreschern fehlt, die es ausschla¬
gen! Nun, ich war einer von den Flegeln, die
Euch gedroschen; dankt es mir! Saamen aus¬
streuen
! Man verliert alle Geduld. So macht
Euch auch eine neue Erde für Euern Saamen, das
wäre noch viel gründlicher. So wirkt man nicht --
meinet Ihr. Wenn man meine Briefe gelesen, bliebe
nichts übrig, es war ein glänzendes Feuerwerk!
Bin ich ein Gott? Kann ich Euch den Tag geben?
Ich kann Euch nur zeigen, daß Ihr im Dunkeln
lebt, und dazu leuchtet ein Feuerwerk lang und hell
genug. Es bliebe nichts übrig? Wenn man meine
Briefe gelesen, bleibt noch die ganze Göttinger Bib¬
liothek übrig. Wie! Ich hätte nichts gewirkt? Hört
doch die argen Schelme an! Sie zanken mit mir,
daß ich ihnen Wasser statt Wein einschenkte, und
können doch vor Trunkenheit kaum den Vorwurf
stammeln. Was nennt Ihr wirken? Was nennt
Ihr die Menschen bewegen? Heißt Ihr das, sie
bewegen, wenn es Euch gelingt, sie zu Eueren Ge¬
sinnungen hinüber zu ziehen? Wenn so, dann bin
ich bescheidener als Ihr. Ich nenne es auch die

Witzen ſtreue man nicht den Saamen künftiger
Thaten
über unſer Vaterland aus! O ſchonet nicht!
Ich bekomme Krämpfe, wenn ich von Saamen
ausſtreuen
reden hören. Jetzt reden ſie noch von
ſäen, da doch ihr Korn ſchon längſt geſchnitten iſt,
und es nur an Dreſchern fehlt, die es ausſchla¬
gen! Nun, ich war einer von den Flegeln, die
Euch gedroſchen; dankt es mir! Saamen aus¬
ſtreuen
! Man verliert alle Geduld. So macht
Euch auch eine neue Erde für Euern Saamen, das
wäre noch viel gründlicher. So wirkt man nicht —
meinet Ihr. Wenn man meine Briefe geleſen, bliebe
nichts übrig, es war ein glänzendes Feuerwerk!
Bin ich ein Gott? Kann ich Euch den Tag geben?
Ich kann Euch nur zeigen, daß Ihr im Dunkeln
lebt, und dazu leuchtet ein Feuerwerk lang und hell
genug. Es bliebe nichts übrig? Wenn man meine
Briefe geleſen, bleibt noch die ganze Göttinger Bib¬
liothek übrig. Wie! Ich hätte nichts gewirkt? Hört
doch die argen Schelme an! Sie zanken mit mir,
daß ich ihnen Waſſer ſtatt Wein einſchenkte, und
können doch vor Trunkenheit kaum den Vorwurf
ſtammeln. Was nennt Ihr wirken? Was nennt
Ihr die Menſchen bewegen? Heißt Ihr das, ſie
bewegen, wenn es Euch gelingt, ſie zu Eueren Ge¬
ſinnungen hinüber zu ziehen? Wenn ſo, dann bin
ich beſcheidener als Ihr. Ich nenne es auch die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0158" n="144"/>
Witzen &#x017F;treue man nicht <hi rendition="#g">den Saamen künftiger<lb/>
Thaten</hi> über un&#x017F;er Vaterland aus! O &#x017F;chonet nicht!<lb/>
Ich bekomme Krämpfe, wenn ich von <hi rendition="#g">Saamen<lb/>
aus&#x017F;treuen</hi> reden hören. Jetzt reden &#x017F;ie noch von<lb/>
&#x017F;äen, da doch ihr Korn &#x017F;chon läng&#x017F;t ge&#x017F;chnitten i&#x017F;t,<lb/>
und es nur an Dre&#x017F;chern fehlt, die es aus&#x017F;chla¬<lb/>
gen! Nun, ich war einer von den Flegeln, die<lb/>
Euch gedro&#x017F;chen; dankt es mir! <hi rendition="#g">Saamen aus¬<lb/>
&#x017F;treuen</hi>! Man verliert alle Geduld. So macht<lb/>
Euch auch eine neue Erde für Euern Saamen, das<lb/>
wäre noch viel gründlicher. So wirkt man nicht &#x2014;<lb/>
meinet Ihr. Wenn man meine Briefe gele&#x017F;en, bliebe<lb/>
nichts übrig, es war ein glänzendes Feuerwerk!<lb/>
Bin ich ein Gott? Kann ich Euch den Tag geben?<lb/>
Ich kann Euch nur zeigen, daß Ihr im Dunkeln<lb/>
lebt, und dazu leuchtet ein Feuerwerk lang und hell<lb/>
genug. Es bliebe nichts übrig? Wenn man meine<lb/>
Briefe gele&#x017F;en, bleibt noch die ganze Göttinger Bib¬<lb/>
liothek übrig. Wie! Ich hätte nichts gewirkt? Hört<lb/>
doch die argen Schelme an! Sie zanken mit mir,<lb/>
daß ich ihnen Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tatt Wein ein&#x017F;chenkte, und<lb/>
können doch vor Trunkenheit kaum den Vorwurf<lb/>
&#x017F;tammeln. Was nennt Ihr wirken? Was nennt<lb/>
Ihr die Men&#x017F;chen bewegen? Heißt Ihr das, &#x017F;ie<lb/>
bewegen, wenn es Euch gelingt, &#x017F;ie zu Eueren Ge¬<lb/>
&#x017F;innungen hinüber zu ziehen? Wenn &#x017F;o, dann bin<lb/>
ich be&#x017F;cheidener als Ihr. Ich nenne es auch die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0158] Witzen ſtreue man nicht den Saamen künftiger Thaten über unſer Vaterland aus! O ſchonet nicht! Ich bekomme Krämpfe, wenn ich von Saamen ausſtreuen reden hören. Jetzt reden ſie noch von ſäen, da doch ihr Korn ſchon längſt geſchnitten iſt, und es nur an Dreſchern fehlt, die es ausſchla¬ gen! Nun, ich war einer von den Flegeln, die Euch gedroſchen; dankt es mir! Saamen aus¬ ſtreuen! Man verliert alle Geduld. So macht Euch auch eine neue Erde für Euern Saamen, das wäre noch viel gründlicher. So wirkt man nicht — meinet Ihr. Wenn man meine Briefe geleſen, bliebe nichts übrig, es war ein glänzendes Feuerwerk! Bin ich ein Gott? Kann ich Euch den Tag geben? Ich kann Euch nur zeigen, daß Ihr im Dunkeln lebt, und dazu leuchtet ein Feuerwerk lang und hell genug. Es bliebe nichts übrig? Wenn man meine Briefe geleſen, bleibt noch die ganze Göttinger Bib¬ liothek übrig. Wie! Ich hätte nichts gewirkt? Hört doch die argen Schelme an! Sie zanken mit mir, daß ich ihnen Waſſer ſtatt Wein einſchenkte, und können doch vor Trunkenheit kaum den Vorwurf ſtammeln. Was nennt Ihr wirken? Was nennt Ihr die Menſchen bewegen? Heißt Ihr das, ſie bewegen, wenn es Euch gelingt, ſie zu Eueren Ge¬ ſinnungen hinüber zu ziehen? Wenn ſo, dann bin ich beſcheidener als Ihr. Ich nenne es auch die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/158
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/158>, abgerufen am 03.05.2024.