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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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Nachmittags, sagte ich zu Konrad: "Geben
"Sie Acht. In der Rüe Tirechappe No. 7.
"am Ende der Rüe St. Honor e, es ist eine
"kleine finstere Gasse, ist ein Speisehaus. Der
"Wirth ist ein Deutscher. Dort gehen Sie heute
"hin essen. Fordern Sie von dem Wirth die Liste
"für die Deutschen. Viele Handwerker und Andere
"haben unterschrieben. Wir machen Geld zusammen,
"und wollen die Fürsten wegjagen. Sie unterzeich¬
"nen auch mit einem Franken monatlich, und ich will
"das Geld für Sie bezahlen." Konrad lachte, und
war sehr vergnügt über die Revolution und sagte:
ich brauche ihm das Geld nicht wieder zu bezahlen,
er gebe das selbst gern. Sein Freund, der Schrei¬
nergesell aus Kassel habe schon gestern mit ihm von
der Sache gesprochen. Und er möchte gern wissen,
"wenn der Spektakel losgeht," damit er gleich
fort nach Deutschland eile. Also Konrad hat da ge¬
gessen, es waren schon 69 Unterschriften und meistens
mit einem Frank. Das sind arme Leute. Die
Komis, die doch alle guten Gehalt haben, und oft
Söhne reicher Eltern sind, haben auch nur einen
Frank gegeben! Konrad ein Verschworner! O
Zeitgeist!

Es interessirt mich sehr zu wissen, wer im Ge¬
lehrten-Verein ja, und besonders wer nicht unter¬

Nachmittags, ſagte ich zu Konrad: „Geben
„Sie Acht. In der Rüe Tirechappe No. 7.
„am Ende der Rüe St. Honor é, es iſt eine
„kleine finſtere Gaſſe, iſt ein Speiſehaus. Der
„Wirth iſt ein Deutſcher. Dort gehen Sie heute
„hin eſſen. Fordern Sie von dem Wirth die Liſte
„für die Deutſchen. Viele Handwerker und Andere
„haben unterſchrieben. Wir machen Geld zuſammen,
„und wollen die Fürſten wegjagen. Sie unterzeich¬
„nen auch mit einem Franken monatlich, und ich will
„das Geld für Sie bezahlen.“ Konrad lachte, und
war ſehr vergnügt über die Revolution und ſagte:
ich brauche ihm das Geld nicht wieder zu bezahlen,
er gebe das ſelbſt gern. Sein Freund, der Schrei¬
nergeſell aus Kaſſel habe ſchon geſtern mit ihm von
der Sache geſprochen. Und er möchte gern wiſſen,
wenn der Spektakel losgeht,“ damit er gleich
fort nach Deutſchland eile. Alſo Konrad hat da ge¬
geſſen, es waren ſchon 69 Unterſchriften und meiſtens
mit einem Frank. Das ſind arme Leute. Die
Komis, die doch alle guten Gehalt haben, und oft
Söhne reicher Eltern ſind, haben auch nur einen
Frank gegeben! Konrad ein Verſchworner! O
Zeitgeiſt!

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[233/0247] Nachmittags, ſagte ich zu Konrad: „Geben „Sie Acht. In der Rüe Tirechappe No. 7. „am Ende der Rüe St. Honor é, es iſt eine „kleine finſtere Gaſſe, iſt ein Speiſehaus. Der „Wirth iſt ein Deutſcher. Dort gehen Sie heute „hin eſſen. Fordern Sie von dem Wirth die Liſte „für die Deutſchen. Viele Handwerker und Andere „haben unterſchrieben. Wir machen Geld zuſammen, „und wollen die Fürſten wegjagen. Sie unterzeich¬ „nen auch mit einem Franken monatlich, und ich will „das Geld für Sie bezahlen.“ Konrad lachte, und war ſehr vergnügt über die Revolution und ſagte: ich brauche ihm das Geld nicht wieder zu bezahlen, er gebe das ſelbſt gern. Sein Freund, der Schrei¬ nergeſell aus Kaſſel habe ſchon geſtern mit ihm von der Sache geſprochen. Und er möchte gern wiſſen, „wenn der Spektakel losgeht,“ damit er gleich fort nach Deutſchland eile. Alſo Konrad hat da ge¬ geſſen, es waren ſchon 69 Unterſchriften und meiſtens mit einem Frank. Das ſind arme Leute. Die Komis, die doch alle guten Gehalt haben, und oft Söhne reicher Eltern ſind, haben auch nur einen Frank gegeben! Konrad ein Verſchworner! O Zeitgeiſt! Es intereſſirt mich ſehr zu wiſſen, wer im Ge¬ lehrten-Verein ja, und beſonders wer nicht unter¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/247>, abgerufen am 29.11.2024.