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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

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als der Feind nach Frankreich kam, von dem
alten Baron Saintval eine halbe Million in
Papieren anvertraut bekommen. Er verschloß
das Portefeuille in eine geheime Schublade
seines Sekretairs, und von dort wurde es ihm
auf eine unerklärliche und unerklärt gebliebene
Weise entwendet. Der alte Baron starb un¬
terdessen; keiner wußte von dem anvertrauten
Vermögen, nicht einmal der Sohn des Barons.
Aber Graf Clairville verkannte keinen Augen¬
blick die Stimme der Ehre und der Pflicht,
und beschloß mit Aufopferung seines ganzen
Vermögens dem Erben seines verstorbenen
Freundes den Verlust zu ersetzen. Doch durfte
ihn seine Verarmung in alten Tagen und die
Hilflosigkeit seiner Tochter schmerzen, und als
der Baron um deren Hand anhielt, ihm er¬
laubt seyn, ihre Abneigung gegen die Ehe zu
überwinden, um seine Pflicht mit seinem Vor¬
theile zu vereinigen.

als der Feind nach Frankreich kam, von dem
alten Baron Saintval eine halbe Million in
Papieren anvertraut bekommen. Er verſchloß
das Portefeuille in eine geheime Schublade
ſeines Sekretairs, und von dort wurde es ihm
auf eine unerklaͤrliche und unerklaͤrt gebliebene
Weiſe entwendet. Der alte Baron ſtarb un¬
terdeſſen; keiner wußte von dem anvertrauten
Vermoͤgen, nicht einmal der Sohn des Barons.
Aber Graf Clairville verkannte keinen Augen¬
blick die Stimme der Ehre und der Pflicht,
und beſchloß mit Aufopferung ſeines ganzen
Vermoͤgens dem Erben ſeines verſtorbenen
Freundes den Verluſt zu erſetzen. Doch durfte
ihn ſeine Verarmung in alten Tagen und die
Hilfloſigkeit ſeiner Tochter ſchmerzen, und als
der Baron um deren Hand anhielt, ihm er¬
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[290/0304] als der Feind nach Frankreich kam, von dem alten Baron Saintval eine halbe Million in Papieren anvertraut bekommen. Er verſchloß das Portefeuille in eine geheime Schublade ſeines Sekretairs, und von dort wurde es ihm auf eine unerklaͤrliche und unerklaͤrt gebliebene Weiſe entwendet. Der alte Baron ſtarb un¬ terdeſſen; keiner wußte von dem anvertrauten Vermoͤgen, nicht einmal der Sohn des Barons. Aber Graf Clairville verkannte keinen Augen¬ blick die Stimme der Ehre und der Pflicht, und beſchloß mit Aufopferung ſeines ganzen Vermoͤgens dem Erben ſeines verſtorbenen Freundes den Verluſt zu erſetzen. Doch durfte ihn ſeine Verarmung in alten Tagen und die Hilfloſigkeit ſeiner Tochter ſchmerzen, und als der Baron um deren Hand anhielt, ihm er¬ laubt ſeyn, ihre Abneigung gegen die Ehe zu uͤberwinden, um ſeine Pflicht mit ſeinem Vor¬ theile zu vereinigen.

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/304>, abgerufen am 24.04.2024.