seinem Hause Zutritt zu erhalten, mehr Ahnen bedürfe, als man ehemals von einem deutschen Domherrn forderte. So ist es aber in allen Ländern; christlicher Adel und jüdisches Geld haben eine unglaubliche Affinität gegen einan¬ der, und darum ist die Faubourg St. Ger¬ main jeder Residenz eigentlich eine Vorstadt Jerusalems.
Ein junger Mensch aus Genf ließ, als er meinen Namen hörte, sich mir vorstellen, und äußerte: er habe schon längst den Wunsch ge¬ habt, mich kennen zu lernen. Sie wissen ja, wie ich bei solchen Gelegenheiten mit meinem Pagodenkopf wackele; ich lache mich immer selbst aus, und erst später den Andern. Der junge Neugierige nahm bei Tische seinen Platz neben mir. Ich fragte ihn, wie es ihm in Paris ge¬ fiele? Er erwiederte: Die Politik verleide ihm seinen ganzen Aufenthalt. Ich stutzte; doch weiß ich mich leicht in solche Denkungsart zu finden.
ſeinem Hauſe Zutritt zu erhalten, mehr Ahnen beduͤrfe, als man ehemals von einem deutſchen Domherrn forderte. So iſt es aber in allen Laͤndern; chriſtlicher Adel und juͤdiſches Geld haben eine unglaubliche Affinitaͤt gegen einan¬ der, und darum iſt die Faubourg St. Ger¬ main jeder Reſidenz eigentlich eine Vorſtadt Jeruſalems.
Ein junger Menſch aus Genf ließ, als er meinen Namen hoͤrte, ſich mir vorſtellen, und aͤußerte: er habe ſchon laͤngſt den Wunſch ge¬ habt, mich kennen zu lernen. Sie wiſſen ja, wie ich bei ſolchen Gelegenheiten mit meinem Pagodenkopf wackele; ich lache mich immer ſelbſt aus, und erſt ſpaͤter den Andern. Der junge Neugierige nahm bei Tiſche ſeinen Platz neben mir. Ich fragte ihn, wie es ihm in Paris ge¬ fiele? Er erwiederte: Die Politik verleide ihm ſeinen ganzen Aufenthalt. Ich ſtutzte; doch weiß ich mich leicht in ſolche Denkungsart zu finden.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0285"n="271"/>ſeinem Hauſe Zutritt zu erhalten, mehr Ahnen<lb/>
beduͤrfe, als man ehemals von einem deutſchen<lb/>
Domherrn forderte. So iſt es aber in allen<lb/>
Laͤndern; chriſtlicher Adel und juͤdiſches Geld<lb/>
haben eine unglaubliche Affinitaͤt gegen einan¬<lb/>
der, und darum iſt die <hirendition="#g">Faubourg St</hi>. <hirendition="#g">Ger¬<lb/>
main</hi> jeder Reſidenz eigentlich eine Vorſtadt<lb/>
Jeruſalems.</p><lb/><p>Ein junger Menſch aus Genf ließ, als er<lb/>
meinen Namen hoͤrte, ſich mir vorſtellen, und<lb/>
aͤußerte: er habe ſchon laͤngſt den Wunſch ge¬<lb/>
habt, mich kennen zu lernen. Sie wiſſen ja,<lb/>
wie ich bei ſolchen Gelegenheiten mit meinem<lb/>
Pagodenkopf wackele; ich lache mich immer ſelbſt<lb/>
aus, und erſt ſpaͤter den Andern. Der junge<lb/>
Neugierige nahm bei Tiſche ſeinen Platz neben<lb/>
mir. Ich fragte ihn, wie es ihm in Paris ge¬<lb/>
fiele? Er erwiederte: Die Politik verleide ihm<lb/>ſeinen ganzen Aufenthalt. Ich ſtutzte; doch weiß<lb/>
ich mich leicht in ſolche Denkungsart zu finden.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[271/0285]
ſeinem Hauſe Zutritt zu erhalten, mehr Ahnen
beduͤrfe, als man ehemals von einem deutſchen
Domherrn forderte. So iſt es aber in allen
Laͤndern; chriſtlicher Adel und juͤdiſches Geld
haben eine unglaubliche Affinitaͤt gegen einan¬
der, und darum iſt die Faubourg St. Ger¬
main jeder Reſidenz eigentlich eine Vorſtadt
Jeruſalems.
Ein junger Menſch aus Genf ließ, als er
meinen Namen hoͤrte, ſich mir vorſtellen, und
aͤußerte: er habe ſchon laͤngſt den Wunſch ge¬
habt, mich kennen zu lernen. Sie wiſſen ja,
wie ich bei ſolchen Gelegenheiten mit meinem
Pagodenkopf wackele; ich lache mich immer ſelbſt
aus, und erſt ſpaͤter den Andern. Der junge
Neugierige nahm bei Tiſche ſeinen Platz neben
mir. Ich fragte ihn, wie es ihm in Paris ge¬
fiele? Er erwiederte: Die Politik verleide ihm
ſeinen ganzen Aufenthalt. Ich ſtutzte; doch weiß
ich mich leicht in ſolche Denkungsart zu finden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/285>, abgerufen am 05.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.