Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

rächt. In einigen Fällen wurde die Todes¬
strafe abgeschafft; auch die Strafen anderer
Verbrechen wurden gemildert. Es ist ein Fort¬
schritt, und daß das jetzt in Frankreich auf die¬
ser großen Eisenbahn der Freiheit und Sitt¬
lichkeit noch überraschen muß! Gestern wurde
über die Prangerstrafe gestimmt. Man hat sie
beibehalten. Die Menschen haben vor nichts
mehr Furcht, als vor ihrer eigenen Vernunft,
und sehen sich vor, daß sie ihnen nicht über
den Kopf wachse. Ein Deputirter trug darauf
an: man möchte den Pranger wenigstens für
die Minderjährigen, Greise und Weiber ab¬
schaffen. Die beiden ersten Milderungen wur¬
den angenommen, die letzte aber verworfen.
Und da fand sich nicht Einer, der die Ver¬
theidigung des armen Weibes übernommen
hätte. Ja mehrere Stimmen riefen spöttisch:
Ah! les femmes! mir that diese Gleichgültig¬
keit wehe. Der Mann, der seine Ehre ver¬

raͤcht. In einigen Faͤllen wurde die Todes¬
ſtrafe abgeſchafft; auch die Strafen anderer
Verbrechen wurden gemildert. Es iſt ein Fort¬
ſchritt, und daß das jetzt in Frankreich auf die¬
ſer großen Eiſenbahn der Freiheit und Sitt¬
lichkeit noch uͤberraſchen muß! Geſtern wurde
uͤber die Prangerſtrafe geſtimmt. Man hat ſie
beibehalten. Die Menſchen haben vor nichts
mehr Furcht, als vor ihrer eigenen Vernunft,
und ſehen ſich vor, daß ſie ihnen nicht uͤber
den Kopf wachſe. Ein Deputirter trug darauf
an: man moͤchte den Pranger wenigſtens fuͤr
die Minderjaͤhrigen, Greiſe und Weiber ab¬
ſchaffen. Die beiden erſten Milderungen wur¬
den angenommen, die letzte aber verworfen.
Und da fand ſich nicht Einer, der die Ver¬
theidigung des armen Weibes uͤbernommen
haͤtte. Ja mehrere Stimmen riefen ſpoͤttiſch:
Ah! les femmes! mir that dieſe Gleichguͤltig¬
keit wehe. Der Mann, der ſeine Ehre ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0249" n="235"/>
ra&#x0364;cht. In einigen Fa&#x0364;llen wurde die Todes¬<lb/>
&#x017F;trafe abge&#x017F;chafft; auch die Strafen anderer<lb/>
Verbrechen wurden gemildert. Es i&#x017F;t ein Fort¬<lb/>
&#x017F;chritt, und daß das jetzt in Frankreich auf die¬<lb/>
&#x017F;er großen Ei&#x017F;enbahn der Freiheit und Sitt¬<lb/>
lichkeit noch u&#x0364;berra&#x017F;chen muß! Ge&#x017F;tern wurde<lb/>
u&#x0364;ber die Pranger&#x017F;trafe ge&#x017F;timmt. Man hat &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#g">beibehalten</hi>. Die Men&#x017F;chen haben vor nichts<lb/>
mehr Furcht, als vor ihrer eigenen Vernunft,<lb/>
und &#x017F;ehen &#x017F;ich vor, daß &#x017F;ie ihnen nicht u&#x0364;ber<lb/>
den Kopf wach&#x017F;e. Ein Deputirter trug darauf<lb/>
an: man mo&#x0364;chte den Pranger wenig&#x017F;tens fu&#x0364;r<lb/>
die Minderja&#x0364;hrigen, Grei&#x017F;e und Weiber ab¬<lb/>
&#x017F;chaffen. Die beiden er&#x017F;ten Milderungen wur¬<lb/>
den angenommen, die letzte aber verworfen.<lb/>
Und da fand &#x017F;ich nicht Einer, der die Ver¬<lb/>
theidigung des armen Weibes u&#x0364;bernommen<lb/>
ha&#x0364;tte. Ja mehrere Stimmen riefen &#x017F;po&#x0364;tti&#x017F;ch:<lb/><hi rendition="#aq">Ah! les femmes!</hi> mir that die&#x017F;e Gleichgu&#x0364;ltig¬<lb/>
keit wehe. Der Mann, der &#x017F;eine Ehre ver¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0249] raͤcht. In einigen Faͤllen wurde die Todes¬ ſtrafe abgeſchafft; auch die Strafen anderer Verbrechen wurden gemildert. Es iſt ein Fort¬ ſchritt, und daß das jetzt in Frankreich auf die¬ ſer großen Eiſenbahn der Freiheit und Sitt¬ lichkeit noch uͤberraſchen muß! Geſtern wurde uͤber die Prangerſtrafe geſtimmt. Man hat ſie beibehalten. Die Menſchen haben vor nichts mehr Furcht, als vor ihrer eigenen Vernunft, und ſehen ſich vor, daß ſie ihnen nicht uͤber den Kopf wachſe. Ein Deputirter trug darauf an: man moͤchte den Pranger wenigſtens fuͤr die Minderjaͤhrigen, Greiſe und Weiber ab¬ ſchaffen. Die beiden erſten Milderungen wur¬ den angenommen, die letzte aber verworfen. Und da fand ſich nicht Einer, der die Ver¬ theidigung des armen Weibes uͤbernommen haͤtte. Ja mehrere Stimmen riefen ſpoͤttiſch: Ah! les femmes! mir that dieſe Gleichguͤltig¬ keit wehe. Der Mann, der ſeine Ehre ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/249
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/249>, abgerufen am 25.11.2024.