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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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fehlen und kommandirten so ruhig, wie der Kapell¬
meister im Orchester kommandirt. Und jetzt rund
umher, nah und fern in einem weiten Kreise, die
französische, englische und russische Flotte und diesen
gegenüber die türkische. Aus den Mündungen der
Kanonen stürzten Feuerströme hervor. Das Schiff
des Admirals Codrington, halb in Trümmern mit
zerrissenen Segeln, hat so eben ein türkisches Linien¬
schiff in den Grund gebohrt Es sinkt, es ist schon
halb gesunken, die ganze Besatzung gehet zu Grunde.
Die Türken mit ihren rothen Mützen, rothen Klei¬
dern und mit ihren blutenden Wunden gewähren ei¬
nen schauderhaften Anblick; man weiß nicht, was
Farbe, was Blut ist. Viele stürzen sich in das
Meer, sich durch Schwimmen zu retten. Andere ru¬
dern Böte umher und fischen Todte und Verwundete
auf. Mehrere Schiffe fliegen in die Luft. Himmel
und Erde lächeln zu diesen Schrecken, wie zu einem
unschuldigen Kinderspiele! Rechts siehet man auf
einer Anhöhe, Stadt und Citadelle von Navarin und
eine Wasserleitung, die über den Berg hinziehet, er¬
innert an die altgriechische Zeit. Das war ein An¬
blik! Ich werde ihn nie vergessen. Man schwebt
zwischen Himmel und Erde, man wird zwischen Schre¬
cken und Bewunderung, zwischen Abscheu und Liebe
gegen die Menschen hin und her geworfen. Und wie

fehlen und kommandirten ſo ruhig, wie der Kapell¬
meiſter im Orcheſter kommandirt. Und jetzt rund
umher, nah und fern in einem weiten Kreiſe, die
franzöſiſche, engliſche und ruſſiſche Flotte und dieſen
gegenüber die türkiſche. Aus den Mündungen der
Kanonen ſtürzten Feuerſtröme hervor. Das Schiff
des Admirals Codrington, halb in Trümmern mit
zerriſſenen Segeln, hat ſo eben ein türkiſches Linien¬
ſchiff in den Grund gebohrt Es ſinkt, es iſt ſchon
halb geſunken, die ganze Beſatzung gehet zu Grunde.
Die Türken mit ihren rothen Mützen, rothen Klei¬
dern und mit ihren blutenden Wunden gewähren ei¬
nen ſchauderhaften Anblick; man weiß nicht, was
Farbe, was Blut iſt. Viele ſtürzen ſich in das
Meer, ſich durch Schwimmen zu retten. Andere ru¬
dern Böte umher und fiſchen Todte und Verwundete
auf. Mehrere Schiffe fliegen in die Luft. Himmel
und Erde lächeln zu dieſen Schrecken, wie zu einem
unſchuldigen Kinderſpiele! Rechts ſiehet man auf
einer Anhöhe, Stadt und Citadelle von Navarin und
eine Waſſerleitung, die über den Berg hinziehet, er¬
innert an die altgriechiſche Zeit. Das war ein An¬
blik! Ich werde ihn nie vergeſſen. Man ſchwebt
zwiſchen Himmel und Erde, man wird zwiſchen Schre¬
cken und Bewunderung, zwiſchen Abſcheu und Liebe
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[85/0099] fehlen und kommandirten ſo ruhig, wie der Kapell¬ meiſter im Orcheſter kommandirt. Und jetzt rund umher, nah und fern in einem weiten Kreiſe, die franzöſiſche, engliſche und ruſſiſche Flotte und dieſen gegenüber die türkiſche. Aus den Mündungen der Kanonen ſtürzten Feuerſtröme hervor. Das Schiff des Admirals Codrington, halb in Trümmern mit zerriſſenen Segeln, hat ſo eben ein türkiſches Linien¬ ſchiff in den Grund gebohrt Es ſinkt, es iſt ſchon halb geſunken, die ganze Beſatzung gehet zu Grunde. Die Türken mit ihren rothen Mützen, rothen Klei¬ dern und mit ihren blutenden Wunden gewähren ei¬ nen ſchauderhaften Anblick; man weiß nicht, was Farbe, was Blut iſt. Viele ſtürzen ſich in das Meer, ſich durch Schwimmen zu retten. Andere ru¬ dern Böte umher und fiſchen Todte und Verwundete auf. Mehrere Schiffe fliegen in die Luft. Himmel und Erde lächeln zu dieſen Schrecken, wie zu einem unſchuldigen Kinderſpiele! Rechts ſiehet man auf einer Anhöhe, Stadt und Citadelle von Navarin und eine Waſſerleitung, die über den Berg hinziehet, er¬ innert an die altgriechiſche Zeit. Das war ein An¬ blik! Ich werde ihn nie vergeſſen. Man ſchwebt zwiſchen Himmel und Erde, man wird zwiſchen Schre¬ cken und Bewunderung, zwiſchen Abſcheu und Liebe gegen die Menſchen hin und her geworfen. Und wie

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/99>, abgerufen am 04.05.2024.