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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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Schriften in allen Sprachen und Wissenschaften un¬
gerechnet ..... "Freundschaft ist die Liebe ohne
Flügel" -- sagt Byron. ... In seiner Jugend
führte er eine tolle Hauswirthschaft. Sie hätten ihn
gewiß nicht besucht, und wären Sie seine Schwester
gewesen. Er wohnte auf seinem väterlichen Stamm¬
gute, das ehemals ein Kloster war, und das noch
viel von seiner klösterlichen Einrichtung übrig behalten
hatte. Da lebte Byron mit seinen wilden Gesellen
als Mönche vermummt. Wenn man in den Hof des
Gebäudes trat, mußte man sich sehr hüten, nicht zu
weit rechts zu gehen, um nicht einem Bär in die
Tatzen zu fallen, der da frei in seiner Hütte lag.
Zu weit links durfte man auch nicht treten, denn da
war ein böser Wolf angekettet. Hatte man Bär und
Wolf glücklich zurückgelegt, war man darum seines
Lebens noch immer nicht sicher. Wenn man die
Treppe hinauf ging, mußte man die Vorsicht ge¬
brauchen, durch starkes Schreien seine Ankunft zu
verrathen, sonst war man in Gefahr, todt geschossen
zu werden, denn oben auf dem Vorplatze übte sich
Byron und seine Gesellen im Pistolenschießen nach
einer alten Wand. Bis zwei Uhr Nachmittags
dauerte das Frühstück. Wer um eilf Uhr aufstand,
konnte nichts haben, denn alle Bedienten lagen noch

Schriften in allen Sprachen und Wiſſenſchaften un¬
gerechnet ..... „Freundſchaft iſt die Liebe ohne
Flügel“ — ſagt Byron. ... In ſeiner Jugend
führte er eine tolle Hauswirthſchaft. Sie hätten ihn
gewiß nicht beſucht, und wären Sie ſeine Schweſter
geweſen. Er wohnte auf ſeinem väterlichen Stamm¬
gute, das ehemals ein Kloſter war, und das noch
viel von ſeiner klöſterlichen Einrichtung übrig behalten
hatte. Da lebte Byron mit ſeinen wilden Geſellen
als Mönche vermummt. Wenn man in den Hof des
Gebäudes trat, mußte man ſich ſehr hüten, nicht zu
weit rechts zu gehen, um nicht einem Bär in die
Tatzen zu fallen, der da frei in ſeiner Hütte lag.
Zu weit links durfte man auch nicht treten, denn da
war ein böſer Wolf angekettet. Hatte man Bär und
Wolf glücklich zurückgelegt, war man darum ſeines
Lebens noch immer nicht ſicher. Wenn man die
Treppe hinauf ging, mußte man die Vorſicht ge¬
brauchen, durch ſtarkes Schreien ſeine Ankunft zu
verrathen, ſonſt war man in Gefahr, todt geſchoſſen
zu werden, denn oben auf dem Vorplatze übte ſich
Byron und ſeine Geſellen im Piſtolenſchießen nach
einer alten Wand. Bis zwei Uhr Nachmittags
dauerte das Frühſtück. Wer um eilf Uhr aufſtand,
konnte nichts haben, denn alle Bedienten lagen noch

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[215/0229] Schriften in allen Sprachen und Wiſſenſchaften un¬ gerechnet ..... „Freundſchaft iſt die Liebe ohne Flügel“ — ſagt Byron. ... In ſeiner Jugend führte er eine tolle Hauswirthſchaft. Sie hätten ihn gewiß nicht beſucht, und wären Sie ſeine Schweſter geweſen. Er wohnte auf ſeinem väterlichen Stamm¬ gute, das ehemals ein Kloſter war, und das noch viel von ſeiner klöſterlichen Einrichtung übrig behalten hatte. Da lebte Byron mit ſeinen wilden Geſellen als Mönche vermummt. Wenn man in den Hof des Gebäudes trat, mußte man ſich ſehr hüten, nicht zu weit rechts zu gehen, um nicht einem Bär in die Tatzen zu fallen, der da frei in ſeiner Hütte lag. Zu weit links durfte man auch nicht treten, denn da war ein böſer Wolf angekettet. Hatte man Bär und Wolf glücklich zurückgelegt, war man darum ſeines Lebens noch immer nicht ſicher. Wenn man die Treppe hinauf ging, mußte man die Vorſicht ge¬ brauchen, durch ſtarkes Schreien ſeine Ankunft zu verrathen, ſonſt war man in Gefahr, todt geſchoſſen zu werden, denn oben auf dem Vorplatze übte ſich Byron und ſeine Geſellen im Piſtolenſchießen nach einer alten Wand. Bis zwei Uhr Nachmittags dauerte das Frühſtück. Wer um eilf Uhr aufſtand, konnte nichts haben, denn alle Bedienten lagen noch

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/229>, abgerufen am 03.05.2024.